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Altenpflege
Wenn Eltern alt werden

Manchmal geht es ganz schnell: Die Mutter oder der Vater wird schwer krank oder die Vergesslichkeit entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit zu einer Demenz. Ohne Hilfe ist dann das Leben in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich. Die Angehörigen müssen dann eine Lösung finden, die oft mit hohen Kosten verbunden ist.

Von Thomas Liesen |
    Das ist das typische Zeichen. Zwei mal klingeln heißt, dass ein Familienmitglied da ist.
    Jürgen Bindler besucht seine 85 jährige Mutter. Er hat zwar einen Hausschlüssel, aber die alte Dame soll vieles noch so eigenständig wie möglich machen, trotz ihrer Demenz. Also auch die Tür öffnen.
    "Hallo!"
    "Hallo."
    "Grüß dich, n´ Abend"
    "Oh, ich habe meinen Stock nicht dabei."
    "Macht nichts, ich bring dich hin."
    Jürgen Bindler besucht seine Mutter mindestens drei Mal pro Woche nach der Arbeit. Und nicht nur er.
    "Hallo, n´Abend zusammen."
    Sein Bruder Rüdiger ist ebenfalls da, zusammen mit der Tochter. Rund ein Jahr ist es her, dass bei der Mutter eine beginnende Demenz diagnostiziert wurde. Rüdiger Bindler:
    "Sie hat sich versteckt, ist aggressiv uns gegenüber geworden, und ja, daraufhin haben wir uns schon um einen Altenheimplatz bemüht."
    Doch schnell war klar: Es gibt kaum freie Heimplätze in der Nähe und wenn, dann nur in Mehrbettzimmern. Was also tun?
    "Wir haben gesagt: Wir entscheiden das alle gemeinsam zum Wohle unserer Mutter."
    Und alle waren sich einig: Unter diesen Umständen auf keinen Fall ins Heim. Dann muss die Pflege der allein lebenden Mutter eben zuhause organisiert werden. Zum Glück fanden sie sofort einen Pflegedienst, der seitdem dreimal täglich vorbei kommt. Die Pflegekräfte waschen die Mutter, ziehen sie an, bringen das Mittagessen und machen die alte Dame abends bettfertig. Danach schaut noch jeden Tag abwechselnd einer der Brüder nach dem Rechten. Und achtet zum Beispiel darauf, dass die 85jährige genug isst und trinkt.
    "Dann setze dich mal hierher und ich mache dir jetzt was zu essen."
    "Ach nee..."
    "Doch, du musst essen, ganz ganz wichtig!"
    "Bist doch sonst nicht so schlecht!"
    "Eine Schnitte Brot haben wir hier. Und du isst so gerne Zwiebelmettwurst. Und ich gehe nicht vorher weg, bevor du es aufgegessen hast."
    "Nee, nee, nee."
    "Doch! Da müssen wir sie wirklich zu zwingen. Und da fallen auch schon mal ein paar unangenehme Worte: Ihr ärgert mich, ihr quält mich. Aber da musst du durch und da müssen wir genau so durch."
    Rüdiger und Jürgen Bindler tun, was sie trotz ihrer Berufstätigkeit für die Mutter tun können. Aber es gibt trotzdem eine Betreuungslücke. Und das sind die Nächte, da ist die Mutter auf sich allein gestellt.
    "Das heißt, wenn sie zur Toilette geht, sie kann fallen und dann wird sie allerdings am nächsten morgen, wenn was ist, würde man sie dann finden. Wenn wir dahin komme, dass man sich über die Nacht Gedanken machen muss, dann muss man sich glaube ich auch Gedanke machen, ein Pflegeheim zu suchen."
    Aber bis dahin sind alle froh, eine Lösung gefunden zu haben, die der Mutter vorerst das Heim erspart. Auch wenn es manchmal eine Belastung ist:
    "Ja gut, das Leben wäre schöner: Feierabend, ab nach Hause, mit der Frau in den Garten, Kaffee und Kuchen – gut, das ist halt eben meine Mutter, sie hat mich groß gekriegt, ich war auch kein einfaches Kind, das muss ich leider zugeben. Und ich muss ihr auch danken dafür, dass sie damals zu mir gestanden hat und das versuche ich ihr jetzt zurück zu geben."
    "Also es sind alle drumherum, die sie hier sehen, die sind alle sehr nett zu mir!"

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