Sogar bei strömendem Regen sucht Anna Irinejewna ihren Nachbarn Pjotr Mihailow auf. Denn niemand räuchert den Barsch so schmackhaft wie der Fischer von Varnja, einem Dorf im Osten Estlands, am Ufer des Peipussee. Die beiden Nachbarn gehören zur russischen Minderheit in Estland. Während aber Anna Irinejewna dem alten Glauben anhängt, ist der Fischer russisch-orthodoxer Christ. Anna Irinejewna:
"Wir Altgläubigen leben friedlich mit den orthodoxen Christen. Sie respektieren unseren Glauben, wir respektieren sie."
Pjotr Mihailow:
"Wir Orthodoxen nehmen am Gottesdienst der Altgläubigen teil und sie treffen sich mit uns."
An solch ein harmonisches Miteinander war vor Generationen nicht zu denken, verrät Irina Irinejewna. Gemeinsam mit der Gemeindepriesterin Zoya Iwanowna stimmt die Altgläubige sonntags schon in aller Früh die Liturgie an. Die Familien beider Frauen stammten aus der Pomorje, einer Region im Norden Russlands am Weißen Meer. Anna Irinejewna:
"Zoya Iwanowna hat im Archiv Dokumente unserer Familien gefunden. Daraus konnten wir ersehen, dass die Flucht unserer Vorfahren vor mehr als 200 Jahren hier in Varnja geendet hat."
Zoya Iwanowna:
"Wir Altgläubigen mussten fliehen, weil wir dem alten orthodoxen Glauben treu bleiben wollten, mit dem Russland einst getauft worden ist."
Wie die Vorfahren von Zoya Iwanowna und Anna Irinejewna haben sich damals Tausende Altgläubige in estnischen Dörfern niedergelassen. In der Ostseeprovinz des Zaristischen Reiches fanden sie Schutz bei den deutschen Ritterschaften. Weit weg von Moskau durften sie ihren Glauben frei ausüben. An der estnischen Universität von Tartu erforscht Irina Kulmaja die Verfolgung der Altgläubigen, die sie als erste Dissidenten Russlands bezeichnet.
Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Zar die russisch-orthodoxe Kirche reformiert. Die Altgläubigen lehnten das als Angriff auf ihr Christentum ab. Irina Kulmaja:
"Die Altgläubigen haben sich immer mit zwei Fingern bekreuzigt, nach der Reform sollten sie sich mit drei Fingern bekreuzigen. Sie weigerten sich. Drei Finger bedeuten für sie die Heilige Dreifaltigkeit. Wenn sie sich mit drei Fingern bekreuzigten, sei es, als würden sie die Heilige Dreifaltigkeit ans Kreuz schlagen. Weil sie die Reform ablehnten, wurden sie verfolgt, ermordet und 'Raskolniki'-Spalter genannt. Der Zar hat sie für die Kirchenspaltung verantwortlich gemacht. "
Die Altgläubigen in Varnja halten bis heute an ihren alten Ritualen fest. Bekreuzigen sich mit zwei Fingern, beten im Knien und lesen aus einst verbotenen Kirchenbüchern. Frauen tragen Kopftuch und Rock. Sind Männer anwesend, stehen sie streng von ihnen getrennt. Aber die Altgläubigen haben keine Priester mehr, kein Geistlicher hat die Verfolgung durch die russisch-orthodoxe Kirche überlebt. Zoya Iwanowna hat sich selbst zur Gemeindepriesterin ernannt.
"Bei uns in der Pomorije durften schon damals Leute, die Altslawisch lesen konnten, als Priester dienen. Auch Frauen. Wir machen heute dasselbe. Als unser letzter Gemeindepriester starb, habe ich einfach den Dienst übernommen. Ansonsten hätten wir unsere Kirche schließen müssen. Niemand hat mich geweiht, niemand hat mich gewählt."
Regelmäßig nehmen am Gottesdienst in Varnja auch russisch-orthodoxe Christen teil. Denn der estnische Staat hat Kirche und Ikonen der Altgläubigen aufwendig restauriert. Das orthodoxe Gotteshaus ist hingegen seit Langem verfallen. In Varnja sind die Verfolger von einst heute in der Minderheit. Zwar lebten die Altgläubigen schon lang im Einklang mit ihren orthodoxen Nachbarn, bestätigt Pawel Varunin. Kirchenpolitisch seien sie allerdings auf der Hut. Pawel Varunin wurde für 5 Jahre zum Vorsitzenden der 15.000 Altgläubigen in Estland gewählt. Obwohl es keine sichtbaren Konflikte gibt, spürt er, dass sich die russisch-orthodoxe Kirche ausdehnen will.
"In Estland hat es noch nie ein Bistum des Patriarchen von Moskau gegeben, aber vor Kurzem wurde eines in Narwa gegründet. Immer wenn irgendwo ein neues Bistum gegründet wurde, haben sie versucht, uns Altgläubige sich einzuverleiben. Jetzt ist das Bistum da und die Orthodoxen werden stärker und stärker."
Die Altgläubigen in Varnja lassen sich davon nicht beirren. Sie haben seit knapp dreihundertfünfzig Jahren ihre alten Rituale verteidigt und sind bis heute von der Kraft ihres alten Glaubens überzeugt. Gerade in der modernen virtuellen Welt soll er den jungen Leuten Halt und Identität liefern.
"Wir Altgläubigen leben friedlich mit den orthodoxen Christen. Sie respektieren unseren Glauben, wir respektieren sie."
Pjotr Mihailow:
"Wir Orthodoxen nehmen am Gottesdienst der Altgläubigen teil und sie treffen sich mit uns."
An solch ein harmonisches Miteinander war vor Generationen nicht zu denken, verrät Irina Irinejewna. Gemeinsam mit der Gemeindepriesterin Zoya Iwanowna stimmt die Altgläubige sonntags schon in aller Früh die Liturgie an. Die Familien beider Frauen stammten aus der Pomorje, einer Region im Norden Russlands am Weißen Meer. Anna Irinejewna:
"Zoya Iwanowna hat im Archiv Dokumente unserer Familien gefunden. Daraus konnten wir ersehen, dass die Flucht unserer Vorfahren vor mehr als 200 Jahren hier in Varnja geendet hat."
Zoya Iwanowna:
"Wir Altgläubigen mussten fliehen, weil wir dem alten orthodoxen Glauben treu bleiben wollten, mit dem Russland einst getauft worden ist."
Wie die Vorfahren von Zoya Iwanowna und Anna Irinejewna haben sich damals Tausende Altgläubige in estnischen Dörfern niedergelassen. In der Ostseeprovinz des Zaristischen Reiches fanden sie Schutz bei den deutschen Ritterschaften. Weit weg von Moskau durften sie ihren Glauben frei ausüben. An der estnischen Universität von Tartu erforscht Irina Kulmaja die Verfolgung der Altgläubigen, die sie als erste Dissidenten Russlands bezeichnet.
Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Zar die russisch-orthodoxe Kirche reformiert. Die Altgläubigen lehnten das als Angriff auf ihr Christentum ab. Irina Kulmaja:
"Die Altgläubigen haben sich immer mit zwei Fingern bekreuzigt, nach der Reform sollten sie sich mit drei Fingern bekreuzigen. Sie weigerten sich. Drei Finger bedeuten für sie die Heilige Dreifaltigkeit. Wenn sie sich mit drei Fingern bekreuzigten, sei es, als würden sie die Heilige Dreifaltigkeit ans Kreuz schlagen. Weil sie die Reform ablehnten, wurden sie verfolgt, ermordet und 'Raskolniki'-Spalter genannt. Der Zar hat sie für die Kirchenspaltung verantwortlich gemacht. "
Die Altgläubigen in Varnja halten bis heute an ihren alten Ritualen fest. Bekreuzigen sich mit zwei Fingern, beten im Knien und lesen aus einst verbotenen Kirchenbüchern. Frauen tragen Kopftuch und Rock. Sind Männer anwesend, stehen sie streng von ihnen getrennt. Aber die Altgläubigen haben keine Priester mehr, kein Geistlicher hat die Verfolgung durch die russisch-orthodoxe Kirche überlebt. Zoya Iwanowna hat sich selbst zur Gemeindepriesterin ernannt.
"Bei uns in der Pomorije durften schon damals Leute, die Altslawisch lesen konnten, als Priester dienen. Auch Frauen. Wir machen heute dasselbe. Als unser letzter Gemeindepriester starb, habe ich einfach den Dienst übernommen. Ansonsten hätten wir unsere Kirche schließen müssen. Niemand hat mich geweiht, niemand hat mich gewählt."
Regelmäßig nehmen am Gottesdienst in Varnja auch russisch-orthodoxe Christen teil. Denn der estnische Staat hat Kirche und Ikonen der Altgläubigen aufwendig restauriert. Das orthodoxe Gotteshaus ist hingegen seit Langem verfallen. In Varnja sind die Verfolger von einst heute in der Minderheit. Zwar lebten die Altgläubigen schon lang im Einklang mit ihren orthodoxen Nachbarn, bestätigt Pawel Varunin. Kirchenpolitisch seien sie allerdings auf der Hut. Pawel Varunin wurde für 5 Jahre zum Vorsitzenden der 15.000 Altgläubigen in Estland gewählt. Obwohl es keine sichtbaren Konflikte gibt, spürt er, dass sich die russisch-orthodoxe Kirche ausdehnen will.
"In Estland hat es noch nie ein Bistum des Patriarchen von Moskau gegeben, aber vor Kurzem wurde eines in Narwa gegründet. Immer wenn irgendwo ein neues Bistum gegründet wurde, haben sie versucht, uns Altgläubige sich einzuverleiben. Jetzt ist das Bistum da und die Orthodoxen werden stärker und stärker."
Die Altgläubigen in Varnja lassen sich davon nicht beirren. Sie haben seit knapp dreihundertfünfzig Jahren ihre alten Rituale verteidigt und sind bis heute von der Kraft ihres alten Glaubens überzeugt. Gerade in der modernen virtuellen Welt soll er den jungen Leuten Halt und Identität liefern.