Dario Valenzano betritt sein Labor. Im Untergeschoss des Kölner Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns befindet sich die größte Killifish-Experimentierfläche der Welt. Killifische sind kleine Zahnkarpfen.
"So, we have about 2000 tanks that host currently around 2000 fish."
Die meisten der2000 Fische in den Aquarien sind Türkise Prachtgrundkärpflinge, welche als die kurzlebigsten Wirbeltiere gelten, die sich im Labor erforschen und züchten lassen. In manchmal nur vier Monaten durchleben sie alle Entwicklungsstadien - von der Larve bis zum Greis.
"We have breeding tanks, they house normally one male and two, three females."
In den Tanks befinden sich meist ein Männchen und zwei oder drei Weibchen. Am Boden steht eine Schale mit Sand. Dort legen die Weibchen ihre Eier ab. Die Männchen befruchten das Gelege anschließend. Die Eier sind robust, zwangsläufig, denn in ihrer Heimat, im afrikanischen Simbabwe, trocknen die Flüsse regelmäßig aus.
Den Tieren bleibt deshalb nur, sich schnell fortzupflanzen. Ihr Nachwuchs hingegen - also die befruchteten Eier - kann bis zu fünf Jahre Trockenheit überleben. Diese extremen Umweltbedingungen könnten der Grund für die Kurzlebigkeit der Killifische sein. Sie altern im Zeitraffer. Und sind damit bestens geeignet, um an ihnen die biologischen Grundlagen des Alterns zu studieren.
"Das hier ist ein alter Fisch, hier vorne, das ist ein sehr alter Fisch mit einem großen Tumor am Mund, sehen sie? Sieht aus wie ein Ball, ein großer Ball vorne am Maul. Er hat auch einen bösartigen Tumor am Schwanz, ein Melanom. Das entwickelt sich spontan."
Umfangreiche Transkriptomdaten
Weshalb die Fische plötzlich altern und Tumore entwickeln, wollen Dario Valenzano und Kollegen mithilfe der Genetik klären. Nach jahrelanger Arbeit kennen die Forscher nun nicht nur das Genom der Tiere, sondern verfügen auch über umfangreiche Transkriptomdaten. Diese verraten, wann bestimmte Gene an- oder abgeschaltet werden.
"Hier ist noch einer, genauso alt. Er ist vor knapp einem Jahr geboren. Das sind Tiere der langlebigen Stämme. Der hier ist nahezu blind, ganz bleich und bleibt am Boden und bewegt sich nicht mehr. Er wird vermutlich in ein paar Tagen sterben."!
Dasselbe gilt für das Weibchen im Aquarium daneben.
"And here we have a female, looks like a swimming ghost."
Killifische als Modelorganismus
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Alternsforschung in Jena [*] haben jetzt die Alterungssprozesse von Gehirn- und Hautzellen untersucht. Dabei sahen sie, dass Gene, die für das Altern eine Rolle spielen, nicht zufällig auf den Chromosomen verteilt sind, sondern in bestimmten Regionen gehäuft auftreten. Das Altern verläuft zudem nicht gleichmäßig, sondern in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Daher können junge Fische eher Körperteile regenerieren, etwa nach dem Verlust einer Flosse.
"Wir beschäftigen uns aktuell mit der Regeneration des Herzens. Die Frage lautet: Können die Fische Teile des Herzes nachbilden? Nun, wir kennen die Antwort noch nicht."
Mittlerweile können Valenzano und Kollegen nicht nur bestimmte Gene gezielt abschalten, sondern auch Erbeinheiten anderer Tiere ins Genom der Killifische einschleusen.
"Einige dieser Fische hier haben wir genetisch verändert beziehungsweise das hier ist schon die erste Folgegeneration. Sie besitzen ein Quallengen, das unter einer bestimmten Wellenlänge grünes Licht reflektieren kann."
Bei der Genomsequenzierung entdeckten die Forscher aus Jena [*] auch ein Gen für die Geschlechtsbestimmung. Das sogenannte gdf6 Gen lässt den Fischembryo zum Männchen werden. Mittlerweile haben sich die Killifische als Modelorganismus etabliert und ihr Genom ist ab sofort im Internet frei zugänglich. Damit können die kleinen Fische zusammen mit Maus, Hefe und Taufliege der Wissenschaft helfen, das Geheimnis des Alterns zu entschlüsseln.
[*] Anm. d. Red.: An diesen Stellen wurden auf Wunsch der Redaktion zwei Präzisierungen vorgenommen.