Der stellvertretende Sprecher der AfD, Hans-Olaf Henkel, hat seine Partei gegen Vorwürfe des Rechtspopulismus verteidigt. Die Alternative für Deutschland (AfD) sei keine europakritische, sondern eine Euro-kritische Partei, betonte der frühere BDI-Präsident im Deutschlandfunk. Für die AfD komme es nicht infrage, mit Rechtspopulisten wie dem Front National oder der FPÖ gemeinsame Sache zu machen.
Henkel kündigte an, seine Partei werde bei der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten im Europaparlament keinen der beiden Spitzenkandidaten unterstützen. Die AfD erzielte bei der Europawahl in Deutschland sieben Prozent.
Das Interview mit Olaf Henkel in voller Länge:
Dirk Müller: Sieben Prozent gewonnen aus dem Stand. Das Ausgangsniveau war null Prozent. Auf der Liste der Alternative für Deutschland, AfD, ist auch der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Er ist ins Rennen gegangen als einer der Spitzenkandidaten, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!
Hans-Olaf Henkel: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Henkel, wissen Sie schon, wen Sie unterstützen wollen?
Henkel: Mit Sicherheit keinen dieser beiden Kandidaten. Das kann ich Ihnen sagen. Erstens: Jean-Claude Juncker hat zwölf Jahre lang diese Euro-Gruppe geführt und nach unserer Meinung nicht kompetent und nicht verantwortungsvoll. Er hat selbst immer wieder gesagt, wenn man den Euro retten will, dann muss man lügen, und ein Kommissionspräsident, der der Meinung ist, man kann so ein Projekt nur am Leben erhalten, indem man lügt, der ist für uns sicherlich nicht zu akzeptieren.
Und bei Herrn Schulz ist es ähnlich. Wir haben festgestellt, dass er auch im Wahlkampf zum Beispiel sein Amt – er war ja immerhin Präsident des Parlaments – nicht so ausgeübt hat, wie er es hätte machen sollen. Er hätte neutral bleiben müssen oder zurücktreten müssen, aber so ist er hier in Deutschland als Frontkämpfer für die SPD aufgetreten. Das ist für uns beides unakzeptabel.
Müller: Sie haben ja gestern Abend, Hans-Olaf Henkel, auch in Fernsehinterviews gesagt, wir wollen auf jeden Fall konstruktiv da mitarbeiten. Wenn sie die beiden jetzt ausschließen, dann haben Sie ja nur noch die Wahl, das geringste Übel zu finden. Wen wollen Sie im neuen Europäischen Parlament denn noch finden?
Henkel: Na ja, vielleicht werden wir uns für gar keinen entscheiden. Das Recht, sich der Stimme zu enthalten, wenn diese Staats- und Regierungschefs keine akzeptable Person vor die Nase setzen, das ist auch ein demokratisches Recht. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Es ist ja nicht so, dass die Parlamentarier dort eine Auswahl haben zwischen Herrn Schulz, Herrn Juncker oder möglicherweise einem Dritten. Nein, sie bekommen diese Person vorgesetzt und diese Person wird ausgekungelt zwischen den Staats- und Regierungschefs, und das ist ja auch eines dieser Demokratiedefizite, was wir im Wahlkampf zum Thema gemacht haben.
Müller: Jetzt fliegen Sie, oder fahren mit dem Zug, als Berliner nach Brüssel. Sie gehen als Euro-Skeptiker, als Euro-Kritiker in die Höhle des Löwen. Mit Schutzweste?
Keine rechtspopulistische Partei
Henkel: Nein! Wissen Sie, das bin ich gewöhnt. Ich habe mich in meinem Leben nie darum geschert, immer das zu sagen, was ankommt, sondern immer versucht, das zu sagen, worauf es ankommt. Im Übrigen sind wir ja nicht ganz allein, darauf wurde ja schon hingewiesen. Die Anzahl der Euro-kritischen Abgeordneten wird in diesem Parlament dramatisch steigen, wobei ich auch hinzufügen muss, dass die Anmoderation ja auch darauf hingewiesen hat, dass wir eine Partei sind, die Euro-kritisch ist. Wir sind nicht europakritisch, wir lieben Europa und wir sind auch nicht EU-kritisch, wir wollen auch in der EU bleiben, selbstverständlich!
Müller: Rechtsaußen-Parteien definitiv ausgeschlossen?
Henkel: Ja das haben wir nun schon seit drei Monaten gesagt.
Müller: Aber jetzt sind Sie ja drin, kann man ja noch mal nachfragen.
Henkel: Ich weise deshalb noch mal darauf hin, weil wir mit Sicherheit noch ein besseres Ergebnis bekommen hätten, wenn die Altparteien nicht erfolgreich versucht hätten, immer wieder uns zu unterstellen, wir würden mit Herrn Wilders oder mit Madame Le Pen oder mit der Rechtsaußen-ÖDP von Österreich zusammenarbeiten. Das haben wir immer in Abrede gestellt. Keinem von uns ist das je eingefallen.
Aber mit dieser Methode hat man uns erfolgreich versucht, an den rechten Rand zu drücken, was leider teilweise auch gelungen ist. Sehen Sie, man hat bei uns über 50 Prozent der Plakate abgerissen, und es waren nicht nur Antifa-Leute oder so, so viele gibt es gar nicht in Deutschland, sondern das waren teilweise fehlgeleitete junge Leute, die aufgrund dieser Informationen glaubten, dem Land einen Dienst erweisen zu müssen.
Müller: Sie haben auch immer offen darüber gesprochen und sind ja bekannt auch für offene Worte. Es hat ja diese rechtsnationalen, zum Teil ja auch ausländerfeindlichen Parolen zum Teil gegeben, aus Kreisen der AfD. Die haben Sie ja auch mitbekommen. Das heißt, so ganz unbegründet, sich da Gedanken zu machen, skeptisch zu sein, eine kritische Haltung zu bewahren, gibt es ja nicht.
Henkel: Nein, das ist schon richtig, was Sie sagen. Dass wir Einzelfälle hatten, das weiß ich auch. Aber es ist ja nur im Falle unserer Partei aus diesen Einzelfällen die Interpretation entstanden, dass unser Programm so sei. Sehen Sie mal, Frau Merkel hat es fertig gekriegt, vier Tage vor der Wahl zu sagen, Deutschland ist nicht das Sozialamt Europas.
Stellen Sie sich mal vor, ich hätte das im Wahlkampf gesagt. Ich glaube, ich hätte am nächsten Tag in Großbritannien um politisches Asyl nachsuchen müssen. Oder nehmen Sie mal das, was alles die politische Konkurrenz aus Bayern von sich gegeben hat. Wir hätten niemals gesagt, wer betrügt, der fliegt, und das auf Ausländer bezogen. Das sind alles Parolen, die politische Vorbilder abgesondert haben, während es bei uns unwichtige Einzelstimmen waren. Ich weiß ja, dass wir auch den einen oder anderen in dieser Partei bekommen haben, den wir nicht wollten, aber wir sind die einzige Partei, die immer darauf Wert gelegt hat, dass wir feststellten, in welchen früheren Parteien diese Personen waren, und wenn sie bei der NPD oder bei den Republikanern waren, dann kamen sie nicht rein.
Übrigens das Wahlergebnis hat noch etwas sehr Interessantes gezeigt: Die Anzahl der Stimmen oder die Prozentzahl, die die NPD und die die Republikaner erreicht haben, ist die Gleiche geblieben wie damals, ist sogar etwas höher gegangen. Also wir wissen doch inzwischen ganz deutlich, dass die Wähler, die sich für die AfD entschieden haben, von der FDP kommen, von der CDU und der SPD und den Linken und den Nichtwählern. Das können doch nicht alles Rechtspopulisten gewesen sein, die plötzlich in dieser Partei unerkannt jahrelang gewesen sind - zwei Millionen, das muss man sich mal vorstellen -, und plötzlich werden wir zu einer rechtspopulistischen Partei. Das sind wir nicht! Wir sind weder links noch rechts zu verorten. Wir bemühen uns um die Lösung von Problemen, und dabei wird es auch bleiben.
Müller: Herr Henkel, ich muss Ihnen noch eine persönliche Frage stellen, ein bisschen ungewöhnlich.
Henkel: Gerne!
Müller: Wir haben ja früher gedacht, viele Journalisten haben das jedenfalls gedacht und haben immer gefragt, wo steht der Henkel politisch. Das war ja gar nicht so einfach, weil Sie haben ja die kritisiert und die kritisiert, eigentlich immer alle kritisiert. Deswegen war das schwierig. Aber die meisten haben gesagt, der ist FDP. Tut Ihnen das jetzt ein bisschen leid, dass Sie auch dazu beitragen, die FDP zu demontieren?
Henkel: Das ist nicht einfach, aber Sie haben schon Recht. Übrigens habe ich nicht immer nur kritisiert. Ich habe immer auch Vorschläge gemacht. Darauf lege ich Wert. Und einige davon sind auch in die Tat umgesetzt worden. Also ich glaube nicht, dass die Schröderschen Reformen damals möglich gewesen wären, wenn nicht eine Gruppe um den BDI herum und auch andere ihn dazu gedrängt haben. Wir sind ja auch eine konstruktive Partei.
Näher auf Ihre Frage: Das ist schon dramatisch für mich. Ich würde mal so sagen: Das ist mir immer noch die zweitliebste Partei. Aber sie hat – und das muss man nun mal sehen – nur um den Euro zu retten, um diesen Götzen Euro weiter herumtanzen zu können, alle ihre liberalen Prinzipien in der Europapolitik aufgegeben, und das ist ihr zum Verhängnis geworden.
Müller: Danke nach Berlin, Hans-Olaf Henkel (AfD).
Henkel: Bitte schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.