Henkel betonte, er habe die AfD nicht unterstützt, damit sie zu einer Art Pegida-Bewegung werde. Das habe mit dem Parteiprogramm nichts mehr zu tun, ebensowenig wie Forderungen nach einem Austritt aus der EU. Henkel zeigte sich überzeugt, dass die AfD nun zu einem "ostdeutschen Phänomen" verkümmern werde.
Das vollständige Interview:
Jasper Barenberg: Das war schon bemerkenswert zu beobachten, wie lautstark AfD-Gründer Bernd Lucke am vergangenen Wochenende erst ausgebuht wurde und später entmachtet und aussortiert. Einen Sieg der Nationalkonservativen über die Wirtschaftsliberalen will die siegreiche neue Vorsitzende Frauke Petry darin nicht erkennen, und doch muss die Fraktionsvorsitzende der AfD in Sachsen jetzt erleben, wie allerorten Gemäßigte die Partei verlassen. Wie bedrohlich dieser Exodus für die AfD dann am Ende sein wird, das hängt wohl auch davon ab, ob die Anhänger von Bernd Lucke und seinem Verein „Weckruf 2015" eine neue eigene Partei gründen werden. Lucke lässt das im Moment noch offen.
Gelassen reagiert also die neue Vorsitzende Frauke Petry darauf, dass viele Gemäßigte die Partei verlassen. Vor dieser Sendung hatte ich Gelegenheit, über die Zukunft der Partei mit Hans-Olaf Henkel zu sprechen, dem ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden, der noch am Abend des Essener Parteitags am vergangenen Wochenende aus der Partei ausgetreten ist. Ich habe ihn gefragt, ob er angesichts der vielen Austritte dieser Tage jetzt schwarz sieht für die AfD.
Gelassen reagiert also die neue Vorsitzende Frauke Petry darauf, dass viele Gemäßigte die Partei verlassen. Vor dieser Sendung hatte ich Gelegenheit, über die Zukunft der Partei mit Hans-Olaf Henkel zu sprechen, dem ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden, der noch am Abend des Essener Parteitags am vergangenen Wochenende aus der Partei ausgetreten ist. Ich habe ihn gefragt, ob er angesichts der vielen Austritte dieser Tage jetzt schwarz sieht für die AfD.
Hans-Olaf Henkel: Ja. Ich bin davon überzeugt, dass sie zu einem ostdeutschen Phänomen verkümmern wird. Denn wenn man sich überlegt, was verantwortliche Funktionäre dieser Partei auf dem Parteitag in Essen alles gesagt haben, dann liegt der Schluss nahe.
Barenberg: Was hat Sie da besonders aufgeregt oder irritiert?
Henkel: Zwei Dinge. Erstens ein sehr pöbelhafter Stil, der da eingerissen ist. Aber bedeutender noch: In der Substanz wurden Veränderungen vorgenommen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Da hat der NRW-Vorsitzende der AfD in den Raum gerufen, wir sind auch Pegida, und ich habe schon vor über einem Jahr vor einer zu großen Nähe zu dieser Bewegung gewarnt, und das ist jetzt anscheinend Parteipolitik. Ich habe nicht die AfD unterstützt, damit sie zu einer Art Pegida-Bewegung wird. Vor allen Dingen hat das alles mit dem AfD-Parteiprogramm nichts mehr zu tun.
Oder nehmen Sie den absurden Vorschlag von Frau von Storch, eine andere Rechtsauslegerin dieser Partei, die gesagt hat, wir müssten jetzt mal mit dem Austritt aus der EU drohen. Wissen Sie, ich bin in diese Partei eingetreten, weil ich mich gegen die Europolitik aufgelehnt habe und weil ich merke, dass diese Europolitik verheerende Auswirkungen auch auf die Europapolitik hat. Aber selbstverständlich steht im Parteiprogramm klar und deutlich drin, dass wir uns zur Europäischen Union bekennen.
Barenberg: Wenn wir das zusammennehmen, Olaf Henkel, die Äußerungen zu Pegida und damit Äußerungen, in denen es vor allem um Flüchtlings- und Asylpolitik geht, die Äußerungen, die Sie gerade erwähnt haben, was den Freihandel angeht, Wirtschaftspolitik, Mitgliedschaft in der Europäischen Union, den Euro, wie würden Sie denn charakterisieren, was sich da herausbildet?
Henkel: Ja, für mich ist ganz klar: Wir haben jetzt zwei Trends in dieser Partei, vor allen Dingen in den letzten Tagen. Erstens einen Massenaustritt von, ich würde mal sagen, vernünftigen Mitgliedern, die sich zu den alten politischen Leitlinien der AfD bekennen, man könnte auch sagen mehr am liberalen Flügel. Auf der anderen Seite erfahre ich auch, dass es vereinzelte Eintritte von solchen Personen gibt, die wir früher abgelehnt haben in dieser Partei. Ich vergleiche das einmal mit einem Segelboot. Ich bin ja Segler. Jetzt haben Sie mal Schlagseite auf Steuerbord und wenn jetzt die Leute auf Backbord die Leute auch noch von Bord gehen, dann bekommt das Schiff immer mehr Schlagseite, und genau das passiert mit dieser Partei. Das heißt, sie ist auf dem Weg zu einer rechtspopulistischen Partei, ich würde mal sagen auf dem Weg zu einer Front National oder Ähnlichem. Und mit so einer Partei möchte ich nichts mehr zu tun haben und ich merke, eine große Anzahl von ehemaligen Mitstreitern denkt genauso. Wobei ich eins noch mal klar machen muss: Ich bin nicht aus dieser Partei ausgetreten. Die Partei hat mich verlassen. Ich bin in eine Partei A eingetreten und bin aus einer Partei B ausgetreten.
Barenberg: Aber Sie würden schon sagen, so habe ich Sie jetzt verstanden, die AfD ist auf dem Weg, eine rechtsradikale Partei zu werden?
Henkel: Das habe ich nicht gesagt, sondern ich habe gesagt, rechtspopulistisch.
Barenberg: Was ist denn der Unterschied?
Henkel: Na ja. Ich würde mal sagen, die NPD wäre für mich eine rechtsradikale Partei. Dazwischen gibt es viele Schattierungen. Ich weiß auch nicht, wo die Partei endet. Das kann ich nicht genau sagen, ehrlich gesagt. Aber wenn Sie sich mal die Zusammensetzung des neuen Vorstandes ansehen, da haben Sie Leute wie Herrn Poggenburg. Das ist der Führer der AfD in Sachsen-Anhalt. Das sind Personen, von denen wir eigentlich dachten, dass die gar nicht in die Partei gehören. Die sitzen jetzt sogar schon im Vorstand.
"Wir hätten vielleicht viel früher durchgreifen müssen"
Barenberg: Wie viel Verantwortung für diesen Vorgang trägt Bernd Lucke eigentlich selbst? Manche Beobachter sagen ja, er hat die Geister selbst gerufen, die er jetzt nicht mehr losgeworden ist.
Henkel: Na ja. Er sieht das teilweise ja auch so. Ich muss Ihnen sagen, er ist ja ein Professor und er hat diese Professorenpartei damals gegründet. Und das erste, was die Altparteien dann gemacht haben: Als sie merkten, dass sie mit diesen eurokritischen Argumenten von Herrn Professor Lucke nicht klar kamen, haben sie sofort gesagt, oh, das ist eine rechtspopulistische Partei. Denn mit diesem Begriff kann man natürlich jede politische Bewegung in Deutschland todmachen. Das Problem ist: Durch die Verbreitung des Eindrucks - an dieser Verbreitung haben übrigens die Medien auch Schuld, übrigens auch Ihr Sender -, durch dieses Trommelfeuer ist folgendes passiert. Dann sind die Rechtspopulisten auch tatsächlich gekommen. Wir haben das nicht früh genug gemerkt. Wir haben gedacht, na ja, gut, jetzt kommen die auch noch zu uns, besorgen uns Stimmen, aber irgendwie kriegen wir die schon unter Kontrolle. Und hier war der Fehler. Wir hätten vielleicht viel früher durchgreifen müssen. Das sehe ich auch so. Aber dass die so schnell und so gut und so aggressiv organisiert waren, das hat uns alle überrascht und das ist dann in Essen in der Tat auch dann ganz plötzlich klar geworden.
Barenberg: Dort in Essen ist der Machtkampf ja auch entschieden worden mit dem "Weckruf 2015", mit diesem Verein, den Bernd Lucke gegründet hat. Jetzt hört man aus diesem Verein, dass dort sich viele wünschen, die möglicherweise aus der AfD jetzt austreten, dass Bernd Lucke eine neue Partei gründet. Raten Sie ihm dazu?
Henkel: Erst mal stimmt das, was Sie sagen. Ich selbst bin ja jetzt zusammen mit ihm und ein paar anderen im Europäischen Parlament. Übrigens von den sieben Abgeordneten der AfD im Europäischen Parlament sind schon fünf ausgetreten oder werden austreten. Das heißt, es bleiben nur noch zwei übrig.
Ja, wir reden natürlich darüber und wir bekommen sehr viel Druck von der Basis, von ehemaligen AfD-Mitgliedern, auch von Leuten, die noch in der AfD sind, die sofort austreten würden, würden wir eine neue Partei gründen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, wir sind in einem Diskussionsprozess. Es hat Vor- und Nachteile, aber wir haben uns dazu noch nicht durchringen können. Wir haben es noch nicht entschieden.
Überlegungen über eine Gründung einer neuen Partei vorhanden
Barenberg: Woran würden Sie es entscheiden, anhand welcher Kriterien? Wie viele Leute zusammenkommen? Ich glaube, ungefähr 4.000 Mitglieder waren auch Mitglied im Weckruf, während die Partei insgesamt 20.000 Mitglieder hat. Existenziell wird dieser Exodus ja nicht sein für die AfD. Wovon werden Sie es abhängig machen?
Henkel: Erst mal glaube ich das nicht, denn ich glaube schon, dass diese Partei, wie ich schon anfangs sagte, zu einer Partei des Osten Deutschlands verkümmern wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine reine nationalkonservativ ausgerichtete Partei eine Chance hat, im Westen Deutschlands jemals über fünf Prozent irgendwo zu kommen. Das ist schon mal klar. Insofern ist, ich glaube, die Zukunft der AfD besiegelt.
Ihre Frage ist jetzt, wovon hängt eine Neugründung ab. Ja nun, erst mal natürlich von der Anzahl der Interessierten, die da mitmachen würden. Zweitens müssen wir uns auch über das Potenzial Gedanken machen, denn ist genug Raum für eine Partei zwischen der AfD und der CDU/CSU. Man könnte meinen, das sei so, denn es gibt im Augenblick keine Partei, die richtig und eloquent gegen den grassierenden Linkstrend der CDU/CSU vorgeht und Alternativen anbietet. Da ist eine große Lücke und die könnte man in der Tat durch ein neues politisches Angebot schließen. Das dritte ist, um das mal ganz klar zu sagen, man braucht auch finanzielle Ressourcen. So einfach ist das nicht.
Auf der anderen Seite hat Herr Lucke das ja schon mal gezeigt und die Startbedingungen damals waren in vielerlei Hinsicht viel ungünstiger, denn wir wissen jetzt, wie man eine Partei gründet. Wir wissen auch, wie man Fehler vermeidet. Wir werden dafür sorgen müssen, dass wir Mauern errichten, die es den Leuten unmöglich machen, eine Partei dieser Art noch einmal zu kapern. Diese Mauern, die müssen stark sein, und wir müssen sicherstellen, dass diese Personen nicht noch einmal eine wunderbare Partei in eine solche Situation bringen.
Barenberg: Und wir werden das weiter beobachten. Vielen Dank für dieses Gespräch, Hans-Olaf Henkel.
Henkel: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.