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Alternative für Deutschland
"Für mich als Liberale deutlich zu weit rechts"

Die rechten Tendenzen in der Alternative für Deutschland hätten Überhand genommen, kritisiert Martina Tigges-Friedrichs, ehemalige AfD-Landesvorsitzende in Niedersachsen. Deshalb sei sie aus der Partei ausgetreten. Die Islamophobie vieler Mitglieder zeige sich bei Stammtischen und in den sozialen Netzwerken, sagte Tigges-Friedrichs im DLF.

Martina Tigges-Friedrichs im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) verfolgen am 22.03.2014 den Europaparteitag in Erfurt (Thüringen). Die AfD will auf dem zweitägigen Parteitag unter anderem ihr Programm für die Europawahl am 25. Mai beschließen.
    Wie wird die AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen abschneiden? (Hendrik Schmidt/dpa)
    Als ehemaliges FDP-Mitglied habe sie anfangs das Bundeswahlprogramm der Alternative für Deutschland "ganz toll" gefunden, sagte Martina Tigges-Friedrichs im Interview mit dem Deutschlandfunk: Das Kirchhoff'sche Steuerreformkonzept, die Kritik an der Eurorettungspolitik, bundesweit einheitliche Bildungsstandards - das alles hätte sie überzeugt.
    Doch die AfD habe sich mit der Zeit verändert. Es seien viele ehemalige Mitglieder der Partei "Die Freiheit" dazu gekommen, eine Partei, "die ganz stark gegen den Islam gehetzt hat", so Tigges-Friedrich. "Das hat sich dann dummerweise auch in der AfD so fortgesetzt". Erzkonservative Forderungen wie die der Vorsitzenden der sächsischen AfD, Frauke Petry, nach weniger Kindergeld und weniger Arbeitslosengeld für Ausländer empfinde sie als Ungleichbehandlungen, "die ich in einem Rechtsstaat gar nicht zulassen möchte". Wer jedoch in der AfD Kritik übe, werde sofort persönlich angegriffen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Die AfD steht am Wochenende vermutlich vor dem Sprung in zwei weitere Landesparlamente. Auch wenn man natürlich dem Ergebnis noch nicht vorgreifen darf, deutet vieles darauf hin. Unter der bürgerlichen Oberfläche dieser Partei gärt es allerdings, es gibt da immer mal wieder Hinweise nicht nur auf konservatives Gedankengut, sondern möglicherweise auch auf Gedankengut, wo die Grenze nach rechts dann deutlich fließend ist. Über dieses Thema wollen wir reden mit Martina Tigges-Friedrichs, die ich jetzt zunächst einmal am Telefon begrüße. Guten Morgen!
    Martina Tigges-Friedrichs: Ja, guten Morgen!
    Zurheide: Sie waren, muss man zur Vorgeschichte dabei erzählen, bis 2013 in der FDP, sind dann dort ausgetreten in die AfD in Niedersachsen, waren dann stellvertretende Landesvorsitzende, nachher auch Landesvorsitzende, und ich habe es gesagt, jetzt sind Sie ausgetreten. Warum, bitte?
    Tigges-Friedrichs: Weil mir die rechten Tendenzen in der AfD einfach überhandgenommen haben. Das, was ich mitbekommen habe auch in den öffentlichen Netzwerken, war eben für mich als Liberale deutlich zu weit rechts. Ich habe immer gesagt, ich bin eine Liberale in der AfD, und dafür bin ich von Anfang an auch schon mal angegriffen und bekämpft worden, und irgendwann habe ich dann gesagt, gut, wenn man auch keine Mitstreiter mehr hat und die anderen Liberalen oder die, die das so ähnlich gesehen haben, auch alle nach und nach gehen, dann kämpft man halt irgendwann auf verlorenem Posten.
    Zurheide: Warum sind Sie damals in die AfD gegangen, was hat Sie bewogen oder was haben Sie erwartet und gehofft?
    Tigges-Friedrichs: Ich fand das Bundeswahlprogramm ganz toll, das Kirchhofsche Steuerreformkonzept, ich habe auch in der FDP immer dafür gekämpft, dass wir endlich eine Steuerreform und eine Steuervereinfachung bekommen, also ein Steuersystem, einfach, niedrig und gerecht. Und das würde mit diesem Kirchhofschen Steuerreformkonzept umgesetzt. Das war für mich ein ganz wichtiger Punkt. Dann fand ich natürlich auch die Euro-Rettungspolitik ganz wichtig, dass wir endlich aufhören, für die Schulden von anderen Ländern zu haften, sondern dass jedes Land wieder für seine eigenen Schulden haftet. Und ich fand die bundesweit einheitlichen Bildungsstandards, die haben mit überzeugt, weil das auch eine Sache ist, die ich schon immer in der FDP gefordert habe, weil es nicht sein kann, dass wir von den Arbeitnehmern Mobilität erwarten und dann aber, wenn die umziehen müssen von Bremen nach Bayern, mit einem komplett anderen Schulsystem konfrontiert sind.
    Zurheide: Jetzt ist die Frage: War die AfD nie so, wie Sie gehofft haben, oder hat sie sich im Laufe der Zeit verändert? Was haben Sie da beobachtet?
    Tigges-Friedrichs: Meiner Meinung nach hat sie sich verändert, weil viele Personen dazugekommen sind, die eben einen anderen Hintergrund hatten, als ich den habe.
    Zurheide: Was für einen Hintergrund meinen Sie da?
    Tigges-Friedrichs: Es gab zum Beispiel ganz viele, die aus der Freiheit in die AfD gegangen sind, das ist eine Partei, die ich vorher überhaupt nicht kannte, bevor ich in die AfD eingetreten bin. Und das ist eine Partei gewesen, die aber ganz stark gegen den Islam gehetzt hat, möchte ich schon mal fast sagen. Und das hat sich dann dummerweise auch in der AfD so fortgesetzt.
    Zurheide: Was sind denn die Dinge, die Sie da beklagen, die Sie als rechts bezeichnen?
    Tigges-Friedrichs: Ich fand alleine diese Forderungen auch von Frau Petry, die halt für mich dann erst mal ins Erzkonservative gehen, die aber in Sachsen auch, glaube ich, im Landtagswahlprogramm verankert worden sind oder zumindest gefordert worden sind, weniger Kindergeld für Ausländer, weniger Arbeitslosengeld für Ausländer. Das sind für mich Ungleichbehandlungen, die ich in einem Rechtsstaat gar nicht zulassen möchte.
    Zurheide: Und Sie sagen, das sind eindeutige Rechtstendenzen, und nicht nur Rechtstendenzen, sondern Sie sagen, das hat so überhandgenommen, dass es für Sie nicht möglich war, da weiter mitzuarbeiten?
    Tigges-Friedrichs: Für mich hat das so überhandgenommen, denn ich bin auch in den sozialen Netzwerken unterwegs und da kam eben ganz deutlich diese, ich will jetzt schon mal sagen, Islamophobie vieler Mitglieder zum Tragen, dass auch hier bei Stammtischen vor Ort zum Teil nur noch über die Gefahren des Islams diskutiert worden ist.
    Zurheide: Sie meinen jetzt AfD-interne Stammtische.
    Tigges-Friedrichs: Genau, AfD-interne Stammtische. Und da wurden halt auch häufig wirklich Dinge diskutiert, wo ich gesagt habe, okay, da kann ich inhaltlich überhaupt nicht mehr mitgehen.
    Zurheide: Sie haben sich ja im Übrigen auch über den internen Umgang einigermaßen erstaunt gezeigt. Wir haben Sie, glaube ich, auf Ihrem Mobiltelefon angerufen und Sie sagen da so sinngemäß, Sie hören die Nachrichten erst ab und melden sich dann, weil auch zu viele kommen, die sehr schwierig sind. Was haben Sie da erlebt?
    Tigges-Friedrichs: Ich hatte schon Anrufe, die wirklich beleidigender Natur waren, und das muss ich mir einfach nicht antun. Die AfD wirbt immer mit dem Slogan "Mut zur Wahrheit", und wenn man dann aber interne Kritik übt, dann wird man sofort persönlich angegriffen. Bin auch hier im Kreisverband für sachliche Kritik, wo einfach Formalia nicht eingehalten worden sind, persönlich vorher schon beleidigt worden, und das gipfelte dann eben gestern auch, nachdem ich bei WDR.de ein Interview gegeben habe, in wirklich beleidigenden Anrufen, und da habe ich gesagt, das muss ich mir einfach nicht mehr antun. Das geht für mich über eine sachliche Auseinandersetzung, über Politik und über andere Meinungen deutlich hinaus.
    Zurheide: Und das sind AfD-Mitglieder?
    Tigges-Friedrichs: Das kann ich nicht sagen, die haben anonym angerufen, aber deshalb habe ich eben diesen Spruch auf meine Mail-Box gemacht, dass ich eben mir ab jetzt anhöre, wer was von mir möchte, und dann auch wissen möchte, wer da anruft.
    Zurheide: Das heißt, Ihr Fazit: Liberal ist zumindest aus Ihrer Kenntnis nicht viel oder gar nichts?
    Tigges-Friedrichs: Also, die Liberalen, die ich kennengelernt habe, haben entweder alle jetzt komplett ihre liberale Gesinnung aufgegeben oder aber sind halt mittlerweile auch schon wieder ausgetreten. Davon gab es so einige und ich glaube, es werden auch noch so einige folgen. Die warten jetzt halt noch die Landtagswahlen ab, warten auch sicherlich noch einige Landesvorstandswahlen ab, unten im Süden in Baden-Württemberg und in Bayern werden in diesem Jahr noch neue Landesvorstände gewählt und da hat man immer noch so einen Hauch von Hoffnung. Und ich habe halt irgendwann gesagt, okay, ich habe die Hoffnung aufgegeben, das wird für Liberale nichts mehr in dieser Partei und deshalb bin ich halt ausgetreten.
    Zurheide: Danke schön! Das war Martina Tigges-Friedrichs, aus der AfD ausgetreten. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.