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Alternative Kleidung
Mode aus Beton

Kreative Mode lebt von außergewöhnlichen Materialien. Studenten der Fachhochschule Dresden hatten genug von Samt, Seide und Damast. Bei ihnen werden Stoffe nicht mehr zugeschnitten, sondern angerührt.

Von Heike Schwarzer | 14.01.2016
    Model Andrea zeigt am Montag (11.06.2007) auf der Messe techtextil in Frankfurt/Main ein Stück lichtdurchlässigen Beton, den die technische Universität Dresden entwickelt hat.
    Mode der Zukunft: Accessoires aus Beton (picture alliance / dpa / Frank May)
    "Von der Farbe her ist es ja superkühl, dieses Grau", sagt Ariane Königshof, aber: "Ich find ja, dass sich das total schön anfühlt", dieser Textilbeton, so glatt und gar nicht kalt, sagt die Dresdner Modestudentin, die damit keine Fashion für die Straße entwerfen will - "Das wär vielleicht ein bisschen viel" -, aber eigenwillige Mode mit einer besonderen Haptik, daran reibt sie sich.
    "Weil ich eine Schalung aus Aluminium hatte und da ist die Oberfläche richtig schön soft. Man kann das ja auch noch polieren, da gibt es gar keine Grenzen."
    Fashion wie Fassaden aus Beton
    Angefangen hat alles mit einem klassischen Beton-Kleid, sogar mit Glasfaserrüschen hauchfein wie Chiffon.
    "Mein erstes Experiment, um erstmal zu gucken, was ich eigentlich machen muss, ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass das schon direkt zum Anziehen wird."
    Später kamen wippende Falten dazu, eine Kappe oder eine Art Brustpanzer.
    "Da habe ich vorher wirklich irre viele Zeichnungen gemacht und da habe ich ganz genau die Winkel und alles berechnet."
    Doch schwingende Stoffe sucht man vergebens in ihrem Atelier.
    "Also eigentlich fühlt man sich eher wie auf einer Baustelle und nicht unbedingt wie in einem hübschen Atelier zwischen lauter Seidenstoffen. Aber wenn das ganze eben getrocknet ist, dann ist das superschön glatt. Da kann man ganz tolle Sachen hinbekommen. Ich hab das ja tatsächlich ganz roh gelassen, man sieht auch noch die Spachtelspuren, dann ist das alles natürlich noch rauer und bröckeliger, aber gerade das finde ich toll."
    Fashion wie Fassaden, inspiriert von Tadao Ando, einem japanischen Architekten, den Ariane Königshof vor einem Jahr im Pariser Centre Pompidou für sich entdeckte.
    Lichtbeton: Ein Stoff, der angerührt werden muss
    Der hat ja nun ganz viele Betonhäuschen entworfen und dann stand ich so davor und fand, dass das unheimlich ästhetisch aussah. Und von der ganzen Größe dachte ich, könnte das doch auch ein Kleid sein.
    Zurück in Dresden macht sie erste Versuche im Keller ihrer WG. Säckeweise Feinbeton, Literweise Wasser und dazwischen hauchfeine Glasfaser.
    "Das war mein Thema, dass man das Starre der Architektur in den Kontext der Mode bekommt."
    Leichtbeton, eigentlich für Schallwände, Flugzeugbau oder Brücken genutzt, ist jetzt Ariane Königshofs bevorzugtes Material; ein Stoff, der nicht zugeschnitten, sondern angerührt wird.
    "Also ein OBI-Eimer, darin habe ich probiert Beton zu mischen, wir mussten das drei Mal wegkippen, ehe ich die richtige Mischung hatte, mit Mundschutz, ich sah vielleicht aus, und mit Schutzbrille."
    Die modischen Beton-Kreationen haben Ariane Königshof inzwischen einen Architektenpreis sowie eine Laufstegpräsentation auf der Dutch Design Week in Eindhoven eingebracht. Und: Lust am Weitermachen.
    "Deshalb hab ich mich mit Lichtbeton beschäftigt: leichter etwas durchsichtiger Beton, völlig verrückt, sieht super aus. Scheitert nur daran, dass ich es gerade nicht dünn bekomme, aber mal gucken. Und die andere Variante ist Concrete Canvas, da werden eigentlich Flüchtlingszelte draus gebaut. Mit diesen beiden Materialien war ich gerade am experimentieren."
    Vielleicht beginnt sie hier, die Zukunft von Textilbeton, an der Schnittstelle von Architektur, Forschung und Mode.