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Alternative Landwirtschaft
Proteine aus Licht und Luft

Pflanzliches oder tierisches Eiweiß ist in der Regel fester Bestandteil der Ernährung. Als Alternative schlägt ein internationales Forschungsteam Mikroorganismen vor, die Kohlendioxid aus der Luft verwenden, um Proteine zu produzieren. So würde ein nachhaltiges Produkt entstehen, erläutern beteiligte Forscher im Dlf.

Elad Noor und Dorian Leger im Gespräch mit Arndt Reuning |
In einem Labor stehen mehrere mit Algen gefüllte Bioreaktoren in einer Reihe.
Mikroorganismen sollen in Bioreaktoren Proteine herstellen (picture-alliance/ dpa / Peter Endig)
Eiweiß ist wichtig für eine ausgewogene Ernährung. Diese Proteine stammen üblicherweise aus der Landwirtschaft. Pflanzliches Eiweiß zum Beispiel aus Sojabohnen, tierisches Eiweiß aus der Viehhaltung. Dieser kostet der Anbau kostet aber viel Land und Wasser.
Ein internationales Forscherteam hat nach nachhaltigen und wirtschaftlichen Alternativen gesucht. Das Konzept: Hochwertige Proteine werden vor allem aus Luft und Licht erzeugt. Beteiligt an dieser Studie waren Elad Noor vom israelischen Weizmann-Institut und Dorian Leget vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. Im Dlf erläutern sie, wie teuer die Produktion solcher Proteine wäre - und was sie darüber hinaus an Vorteilen bieten würden.

Das Interview in voller Länge:
Arndt Reuning: Wie sieht diese alternative Eiweißquelle aus?
Dorian Leger: Die Alternative besteht für uns in Proteinen, die aus Einzellern gewonnen werden. Eine zelluläre Landwirtschaft auf Basis von Mikroorganismen. Diesen biotechnologischen Ansatz kombinieren wir nun mir Photovoltaik. Und darin sehen wir einen großen Vorteil, weil diese Methode dann nur sehr wenig wertvolles Ackerland benötigt.

Kohlenstoff wird durch Sonne energiereich

Arndt Reuning: Die Mikroorganismen verrichten also die ganze schwere Arbeit. Sie synthetisieren sozusagen die Proteine. Aber wie sieht das denn im Detail aus? Solche Einzeller brauchen Futter auf Basis von Kohlenstoff. Üblicherweise sind das Kohlenhydrate, also Zuckerverbindungen. Und die werden nun auch wiederum aus Ackerpflanzen gewonnen. Woher nehmen Sie denn alternativ dazu den Kohlenstoff?
Leger: Unsere Kohlenstoffquelle beruht auf einer Technologie, die nennt sich Direct Air Capture. Damit gewinnen wir Kohlendioxid direkt aus der Umgebungsluft. Der Kohlenstoff stammt also aus diesem CO2. Das Gas könnte man auch in der Industrie abgreifen, wo es in großen Mengen anfällt. Zum Beispiel in Zementwerken oder Aluminiumhütten. Aber dann käme der Kohlenstoff irgendwie immer noch aus fossilen Quellen. Was uns vorschwebt, ist ein geschlossenes System: Wir nehmen Kohlendioxid aus der Atemluft. Aber beide Systeme haben natürlich Vor- und Nachteile.
Reuning: Kohlendioxid ist ja das Produkt einer Verbrennung. Der Kohlenstoff darin hat also all seine Energie in Form von Verbrennungswärme abgegeben. CO2 ist also ein extrem energiearmes Molekül – im Gegensatz zu den Zuckerverbindungen, die den Mikroorganismen als Futter dienen. Wie geben Sie dem Kohlenstoff denn seine chemische Kraft wieder zurück?
Elad Noor: Was Dorian gerade beschrieben hat, ist ja nur der erste Schritt, das Einfangen von Kohlendioxid. Die Energie stammt aber aus den Solarmodulen. Die machen übrigens fast die gesamte Fläche unseres Verfahrens aus, viel mehr brauchen wir nicht. Jedenfalls: Die Photovoltaik-Zellen liefern Strom. Und mit diesem Strom wandeln wir das Kohlendioxid auf elektrochemischem Weg um zu energiereichen Substanzen. Und das ist dann das Futter für unsere Einzeller, die am Ende die Proteine liefern. Das ist so ungefähr das, was auch beim Bierbrauen abläuft. Die Mikroorganismen wachsen in großen Fermentern. Und dann am Ende extrahieren wir daraus unsere Proteine.

Wie das Proteinpulver im Fitnessstudio

Reuning: Sie ernten sozusagen das Eiweiß von den Einzellern, ähnlich wie in anderen biotechnologischen Prozessen auch. Aber wie würde das Produkt dann aussehen? Wäre das eine Art Pulver oder Paste? Wie kann ich mir das vorstellen?
Noor: Man würde ein Pulver erhalten, das wohl ganz ähnlich aussähe wie die Proteinpräparate aus dem Fitnessstudio. Das wollen wir hier aber natürlich nicht direkt als Lebensmittel empfehlen. Mit diesem Pulver ließen sich aber Produkte herstellen, die eine Alternative darstellen zu konventionellen Fleisch- oder Milchwaren. Oder man könnte damit andere Lebensmittel anreichern, wie etwa Brot oder Pasta. Gesunde Lebensmittel, die nachhaltig hergestellt werden.
Reuning: Sie haben diesen Herstellungsprozess in Ihrer Veröffentlichung scharf durchkalkuliert. Was ist dabei herausgekommen: Wäre es denn wirtschaftlich, Proteine mit Hilfe von Photovoltaik und Mikroorganismen zu produzieren?
Leger: Ob das machbar ist, hängt davon ab, um welches Produkt für welchen Markt es geht. Wenn es um Proteine für Viehfutter geht, da ist der Preis im Moment eher niedrig. Ungefähr ein bis drei Euro pro Kilogramm. Für unser System auf Basis von Photovoltaik-Einzeller-Proteinen haben wir berechnet, dass ein Kilogramm etwa vier Euro kosten würde. Da wären wir also noch nicht ganz konkurrenzfähig. Wenn es aber um Proteine für menschliche Lebensmittel geht, da werden im Moment auf dem Markt höhere Preise gezahlt. Das beginnt bei sechs Euro und geht je nach Proteinquelle hoch bis zu vierzig Euro pro Kilogramm. Mit den vier Euro für unsere Proteine stehen wir in dieser Hinsicht gut da.
Die Grafik zeigt den Produktionszyklus von alternativer Landwirtschaft. Eine durch Sonnenenergie angetriebene mikrobielle Produktion könnte die Proteinversorgung erheblich steigern und gleichzeitig weniger Land verbrauchen.
Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, dass die Verwendung von Solarzellen zur Produktion von mikrobiellem Protein nachhaltiger, effizienter und umweltfreundlicher ist als der Anbau konventioneller Pflanzen (idw / Paul Van Leer)

Weniger "versteckte Kosten"

Noor: Die Frage war ja: Wäre unser Produkt konkurrenzfähig? Aber ich denke, das ist im Moment nicht das einzige Problem, um das wir uns sorgen sollten. Denn die Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form, das System, das wir nutzen, um alle Menschen zu ernähren, ist einfach nicht nachhaltig. Wenn wir uns nur den Preis für Proteine in Dollar oder Euro anschauen, dann lassen wir damit viele sogenannte externe Effekte unter den Tisch fallen, also Kosten, die anderswo anfallen: den Klimawandel, den Landverbrauch, die Überdüngung und damit die Belastung der Gewässer.
Würden wir alle diese versteckten Kosten auf die konventionelle Herstellung von Proteinen draufschlagen, dann sind wir mit dem Ansatz der zellulären Landwirtschaft mit Hilfe von Photovoltaik auf alle Fälle konkurrenzfähig. Wir haben berechnet: Unser Verfahren benötigt nur ein Zehntel des Landes und weniger als ein Prozent des Wassers, das heutzutage für die Landwirtschaft nötig ist. Wir brauchen auch keine Pestizide und Insektizide, deutlich weniger Dünger. Und der gelangt auch nicht in die Umwelt. All diese externen Effekte, die wir im Moment bei der konventionellen Landwirtschaft nicht einberechnen, sollte unser Verfahren in Zukunft auf alle Fälle wettbewerbsfähig machen.
Technikraum mit einem Fermenter
Technikraum mit einem Fermenter (Imago / Westend61)

Zelluläre Landwirtschaft "eine gute Nachricht für die Umwelt"

Reuning: Aber wie sieht es denn aus auf Seiten der Konsumenten? Würden die denn überhaupt Lebensmittel kaufen, die auf Basis von Mikroorganismen hergestellt wurden?
Leger: Wir haben, wie gesagt, zwei Hauptprodukte im Fokus: Futter für Tiere und Lebensmittel für Menschen. Als Viehfutter dürfte das kein Problem sein, aber wenn ich jetzt mal von meinen eigenen Erfahrungen berichte: Im Lebensmittelgeschäft sehe ich, wie die Palette für Produkte auf Basis von alternativen Proteinen von Monat zu Monat ausgeweitet wird. Und wenn ich diese Produkte selbst ausprobiere, so schmecken sie mir mit jedem Mal besser und besser. Ich denke, dass der Appetit auf diese nachhaltigen Produkte in Europa wächst. Und damit arbeiten die Firmen auch verstärkt daran, den Kunden attraktive und wohlschmeckende Erzeugnisse zu präsentieren. Meiner Meinung nach blickt die zelluläre Landwirtschaft einer vielversprechenden Zukunft entgegen, und das sind doch gute Nachrichten für die Umwelt.