Georg Ehring: Palmöl ist in Verruf geraten - Ölpalmen wachsen dort, wo früher Regenwald war, das ist einer der Gründe dafür. Die Lebensmittelindustrie reagiert darauf: Viele Firmen setzen auf zertifiziertes Palmöl – oder auf Alternativen wie etwa Kokosfett. Kokosfett gilt auch als besonders gesund, ein weiterer Grund, es etwa für die Produktion von Eiscreme zu verwenden. Doch wie nachhaltig ist eigentlich der Anbau von Kokospalmen? Damit hat sich der WWF beschäftigt, der World Wide Fund for Nature, und mit Ilka Petersen vom WWF bin ich jetzt telefonisch verbunden. Frau Petersen – nutzt die Verwendung von Kokosfett statt Palmöl dem Regenwald?
Ilka Petersen: Nein, leider nicht unbedingt, weil auch Kokosöl eben Fläche braucht und einiges mehr an Fläche als eben Palmöl. Und deswegen ist ein Umsteigen von Palmöl auf Kokosöl nicht besonders schlau, schon gar nicht, wenn man dabei nicht auch Nachhaltigkeitskriterien beachtet, wie zum Beispiel auch Arbeitsbedingungen für die Kleinbauern.
Ehring: Wie sind denn so die Mengenverhältnisse? Ist Kokosanbau deutlich schlechter als Palmölanbau?
Petersen: Mit den Mengenverhältnissen meinen Sie den Flächenertrag pro Hektar? Ja, es ist tatsächlich so, dass zum Beispiel pro Hektar 3,3 Tonnen Palmöl gewonnen werden können, aber nur 0,7 Tonnen Kokosöl. Das heißt, wenn ich jetzt umsteige von Palm- auf Kokosöl, brauche ich das Mehrfache an Fläche, und die ist nicht einfach so frei verfügbar. Dazu kommt, dass die Kokospalme in ähnlichen Regionen wächst wie die Ölpalme, und damit komme ich zum Teil dann einfach vom Regen in die Traufe, wenn ich austausche.
Kokoskleinbauern gehören zu den Ärmsten der Armen
Ehring: Wie sieht es denn aus mit den Arbeitsbedingungen? Bei Palmöl gibt es ja inzwischen eine recht weit verbreitete Zertifizierung. Was weiß man überhaupt über die Arbeitsbedingungen der Kokosanbauer?
Petersen: Man weiß, dass sie auch nicht besonders gut sind. Das heißt, gerade die Kleinbauern auch im Kokosanbau stehen vor vielen Problemen. Sie gehören zum Beispiel auf den Philippinen, einem der Hauptanbauländer für Kokosöl, zu den Ärmsten der Armen. 60 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Es ist sehr harte Arbeit, und sie bekommen einen sehr geringen Lohn dafür.
Ehring: Warum ist denn die Zertifizierung beim Palmöl durchaus erfolgreich, beim Kokosfett nicht?
Petersen: Das ist eine gute Frage, die ich mir tatsächlich auch gestellt habe, nachdem wir jetzt die Analyse gemacht haben. Ich war ehrlich gesagt auch ein bisschen erschüttert, dass so gar nichts kam bei Kokosöl. Ich befürchte, dass tatsächlich ein Punkt ist, dass bisher noch niemand so richtig den Finger in die Wunde gelegt hat und bei Palmöl der öffentliche Druck da ist, das in aller Munde ist wegen der negativen Auswirkungen. Und bei Kokosöl ist das eben noch nicht so auf dem Radar gewesen, deswegen haben die Unternehmen da erst mal nichts gemacht. Ausnahme ist die Biobranche, wie fast immer sind sie die Vorreiter und die positiven Beispiele. Und da sieht man halt, wenn man Nachhaltigkeit wirklich ernst nimmt, dann muss man sich alle Rohstoffe angucken, und nicht nur einzelne.
Probleme mit Kokosöl noch nicht auf dem Radar
Ehring: Sie haben ja zum Beispiel mit Eisherstellern gesprochen. Was sagen die denn dazu?
Petersen: Die haben alle ganz artig geantwortet oder die meisten, aber hatten tatsächlich Palmöl nur auf dem Radar, und haben offensichtlich gar nicht dran gedacht, dass ja bei Kokosöl auch ein Problem sein könnte. Also auch weil wir als WWF viel zum Thema Palmöl arbeiten, haben sie uns all das angegeben, was sie zu Palmöl machen. Und bei Kokosöl, hatte ich so den Eindruck, war nicht mal so richtig das schlechte Gewissen da. Einige haben uns gesagt, ja, wir wissen gar nicht, was wir da machen sollen oder was wir machen könnten, was es für eine Zertifizierung geben könnte. Da haben wir jetzt mal ein bisschen aufgeklärt, was es denn gibt und was man machen kann. Ja, ich habe das Gefühl, damit haben die sich einfach noch nicht so viel beschäftigt.
Ehring: Wie sieht es denn aus beim Kokosfett? Kann man da was machen, und was kann man da machen?
Petersen: Ja, sicher, man kann bei jedem Rohstoff was machen. Und bei Kokosöl gibt es schon Zertifizierungen im konventionellen Bereich von Rain Forest Alliance. Und es gibt sehr gute, Mut machende Projekte im Biobereich. Auf Sri Lanka zum Beispiel. Gerade Eis ist ja jetzt auch nicht so supergünstig, insofern könnte man da natürlich auch auf Bio- und Fairtrade-Ware zurückgreifen. Wir haben mal ein bisschen Bioeis getestet, es ist sehr lecker. Also insofern, man könnte beides machen. Sowohl im Biobereich gibt es gute Projekte, aber es gibt eben auch schon erste Projekte im konventionellen Bereich. Aber die Eisbranche greift auf diese zertifizierte Ware bisher noch gar nicht zurück.
WWF empfiehlt Bioeis statt Eis von der Tankstelle
Ehring: Was empfehlen Sie denn Verbrauchern? Wie soll man damit umgehen, wenn man Kokosfett auf der Zutatenliste liest? Ist das schlechter als Palmöl?
Petersen: Es kommt halt eben darauf an, wie es produziert wurde. Beim Eis habe ich tatsächlich für mich persönlich das Fazit gezogen, dass ich jetzt mehr nach Biomarken Ausschau halte noch mal, die man natürlich an der Tankstelle oder so nicht bekommt, wie ich schon festgestellt habe, wenn es dann mal bei 33 Grad schnell ein Eis sein soll. Aber in einem gut sortierten Supermarkt gibt es das selbstverständlich und natürlich im Biomarkt. Ich würde zu Bioeis raten auf alle Fälle, weil jetzt unsere Befragung ergeben hat, dass bei den anderen Rohstoffen, abgesehen von Kakao und Palmöl, eben kaum hingeschaut wird und Nachhaltigkeit bisher leider kein Thema ist.
Ehring: Abmod
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