Archiv

Alternative zum Hotel
Übernachtungen über "Airbnb" in der Kritik

Das gemeinsame Nutzen von Wohnraum galt einst als ökologisch nachhaltig und sozial verbindend. Mittlerweile hat es sich zu einem großen Geschäft entwickelt: Mitwohnzentralen seien schuld daran, dass bezahlbarer Wohnraum in attraktiven Städten immer knapper werde, sagen Kritiker.

Von Ingeborg Breuer |
    Eine Hand übergibt einer anderen einen Schlüssel.
    Zimmer und Wohnungen zu teilen, zum Beispiel über die Internet-Plattform airbnb, ist ein Form der "Sharing Economy" (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
    "Meine Freundin war gerade mit ihrem Sohn ausgezogen und ich hatte plötzlich eine 4-Zimmer Wohnung. Ich war damals in einer prekären beruflichen Situation."
    Deshalb begann Markus Härtig, freiberuflicher Dozent aus Berlin Friedrichshain, Teile seiner Wohnung über Online-Mitwohnportale zu vermieten.
    "Ohne Zusatzverdienst hätte ich die Wohnung nicht halten können und könnte nicht in einem Kiez leben, der zu den teuren Bereichen zählt."
    Die Mieter solcher im Internet angebotenen Ferienunterkünfte sind begeistert:
    "Man kommt ganz günstig an Stadtwohnungen ran, spart viel an den teuren Hotelpreisen." "Es ist praktischer, man hat auch 'ne Waschmaschine, man kann da einfach mal 'ne Woche wohnen, so wie zu Hause einfach."
    Die übrigen Hausbewohner - sind allerdings oft nicht so begeistert.
    "Entweder alle Wochen oder alle 14 Tage, dass da welche aus- und einziehen. Mit den Rollkoffern. Die sind sehr laut und es waren mal welche, die kamen in der Nacht nach Hause und haben mit der Tür geklappert."
    Mehr Übernachtungen als die fünf größten Hotelketten
    "Bei Airbnb ist es mittlerweile so, dass sie mehr Übernachtungen als die fünf größten Hotelketten zusammen vermitteln. Und damit sind sie auch der größte Konkurrent der Hotelbranche."
    Erläutert Dr. Eva Riempp, Kulturgeografin an der Uni Mainz. Das "Sharen" - also das gemeinsame Nutzen von Wohnraum - galt anfangs als ökologisch nachhaltig und sozial verbindend. Doch mittlerweile hat es sich zu einem großen Geschäft entwickelt und gerät immer mehr in die Kritik. Mitwohnzentralen wie Airbnb, so der Vorwurf, seien schuld daran, dass bezahlbarer Wohnraum in attraktiven Städten immer knapper werde.
    Denn zunehmend mehr Menschen vermieteten ganze Wohnungen über das Touristenportal, entzögen sie so dem Wohnungsmarkt. 71 Prozent der 19.000 Mitwohnangebote in Amsterdam zum Beispiel sind komplette Wohnungen. Ähnlich ist es auch in Reykjavik und anderen Städten, weiß Eva Riempp, die den Einfluss von Airbnb auf Stadtquartiere untersucht. In Deutschland sind die Zahlen niedriger:
    "Also Amsterdam hat 850.000 Einwohner, das sind 19.000 Angebote. Bei Reykjavik ist es extrem drastisch, wir haben eine Stadt mit gerade mal 125.000 Einwohnern und 3.500 aktiven Angeboten. Wenn man das mit Berlin vergleicht, Berlin hat 28 mal mehr Einwohner als Reykjavik, aber nur viermal mehr Angebote. Das sind andere Dimensionen."
    Etliche Städte beschränken das Airbnb-Angebot
    Zwar kann man solchen Statistiken nicht entnehmen, welche dieser Wohnungen dauerhaft und welche nur vorübergehend - zum Beispiel, weil die Besitzer in Urlaub sind - vermietet werden. Doch dass die Zahl der Dauervermieter steigt, halten Tourismusexperten für ausgemacht. Deshalb beschränken mittlerweile etliche Städte das Airbnb-Angebot. In Palma de Mallorca dürfen seit Sommer 2018 gar keine Privatwohnungen mehr an Touristen vermietet werden. Amsterdam beschränkt die Vermietung von Wohnungen auf 60 Tage im Jahr. Berlin erlaubt 90 Tage, zudem müssen sich Gastgeber registrieren lassen. Tourismusforscher begrüßen solche Maßnahmen. Aber sie differenzieren auch: Die "Bösen" sind nicht nur die Online-Portale. Prof. Tim Freytag, Humangeograf an der Uni Freiburg macht auch die Politik verantwortlich für die Verknappung des Wohnraums.
    "Wenn wir den Befund haben, dass der Wohnraum knapp wird, dann muss man neuen Wohnraum schaffen. Und man kann die Verknappung des Wohnraums nicht einfach aufhalten, indem man die Verknappung verhindert. Das sind gut gemeinte Maßnahmen, die nur zu einer leichten Entlastung führen."
    Ferienwohnungen oft in gentrifizierten Vierteln
    Zudem befinden sich die Ferienwohnungen oft in angesagten Szene-Quartieren, in denen die Gentrifizierung, also die Aufwertung des Viertels, ohnehin im Gange ist. Damit steigen die Wohnungspreise, verändern sich Sozialstruktur und Charakter eines Stadtbezirks. Gentrifizierung und Tourismus sind zwei Seiten einer Medaille. Prof. Christian Diller, Geograf an der Uni Gießen:
    "Es ist so, dass in den Quartieren über die wir in Deutschland reden, die beiden Trends immer zusammen kommen. Also das ist die Gentrification einerseits, ein Austausch sozial Schwächerer durch im Sozialstatus Höherer. Aber diese Prozesse finden natürlich auch ganz unabhängig von dem Thema Tourismus in den Städten statt und es gibt Hotspots, wo genau diese Dinge zusammenfallen."
    Eva Riempp weist darauf hin, dass nach wie vor viele Vermietungen aus finanzieller Notwendigkeit getätigt werden. Kreative, Künstler, Solo-Selbständige und andere prekär Beschäftigte würden sich dadurch ein Zubrot verdienen, das ihnen ermögliche, ihren Lebensstil zu bewahren.
    "Viele sagen, für mich ist das ne gewisse finanzielle Grundabsicherung, dass ich ein paar Zimmer über ABB vermiete und dadurch den Freiraum verschaffe, meine Kunst zu machen."
    Vorteile auch für Geringverdiener
    Und nicht nur das: Oft können sozial Schwächere nur durch die Untervermietung ihren Wohnraum, ihre Wohnungen, halten - statt durch Besserverdienende aus den gentrifizierten Stadtquartieren verdrängt zu werden.
    "Leute wohnen schon länger in den Wohnungen. Dann wird die Miete angepasst und man muss sich überlegen, ob man die Wohnung weiter finanzieren kann. Und eine Möglichkeit wird dann darin gesehen, ein Zimmer in der Wohnung unterzuvermieten."
    Zudem, so wiederum Tourismusgeograf Andreas Kagermeier von der Uni Trier, sei das "Sharen" - also das gemeinsame Nutzen von Wohnraum - Ausdruck einer zunehmenden Zahl "temporärer Stadtnutzer", die nicht dauerhaft an einen Ort gebunden sind.
    "Vor allem diese neuen flexiblen, kreativen Milieus bedeuten eben auch, dass ich auch temporär mal ein Engagement hab in einer anderen Stadt, länger unterwegs bin. Jeder Studierende nutzt sein Zimmer während der Vorlesungszeit. Das heißt, wir haben viel flexiblere Wohn- und Lebens- und Arbeitsformen, die Pendler, die am Wochenende zur Familie fahren. Die haben dann capacity, das heißt, deren Wohnungen stehen leer und werden dann genutzt."
    Forderung nach EU-weiten Regularien
    Andreas Kagermeier fordert deshalb möglichst EU-weite Regulierungen wie befristete Vermietungsdauer, Meldungen an die Finanzämter und so weiter. Doch zugleich warnt er davor, die Online-Ferienwohnungsportale generell zu verurteilen:
    "Dass wir sicherlich in der BRD und Europa Innovationen gegenüber reflexhaft reagieren, indem wir Althergebrachtes verteidigen und es nicht offen angehen. Das wär ja denkbar zu sagen, man möchte diese Kommerzialisierung nicht. Und dann zu entsprechenden Regularien zu kommen. Das Positive aufzunehmen und das Negative, die Auswüchse, zu unterbinden."