Alternative zum Lockdown
Neue Perspektiven durch Corona-Selbsttests?

Im März soll eine Reihe von Corona-Schnelltests in Deutschland zugelassen werden, die - anders als die bisherigen Antigen-Schnelltests - auch Laien zu Hause anwenden können. Das könnte neue Perspektiven im Kampf gegen das Virus eröffnen: Marburger Forscher sehen darin gar eine Lockdown-Alternative.

    Inhalt des Corona Selbsttests
    Forscher fordern eine Strategie für Lockdown-Lockerungen durch Selbsttests. Österreich (Bild) hat seine Schnelltests-Kapazitäten bereits massiv ausgebaut (picture alliance / APA / GEORG HOCHMUTH )
    Engmaschig und regelmäßig durchgeführte Selbsttests könnten zu Lockerungen im Lockdown führen. Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in den Alltag macht das Konzept "Plan B" zweier Marburger Forscher. Sie haben, basierend auf Selbsttests eine digitale Lösung entwickelt, womit der Lockdown beendet und auf eine andere Art der Pandemie-Bekämpfung umgestellt werden könnte: Alexander Markowetz und Martin Hirsch von der Universität Marburg versprechen mit ihrem Ansatz, das wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder zu öffnen und gleichzeitig Covid-19 einzudämmen - parallel zur Impfkampagne. Auch aus anderen Richtungen gibt es Forderungen nach einer Strategie, sobald die Schnelltests massenhaft eingesetzt werden können: Die RapidTests.de-Initiative von Wissenschaftlern fordert in ihrem Positionspapier, dass Heim-Schnelltests Teil der nationalen Teststrategie werden sollen.
    Wie funktioniert die Strategie "Plan B" mit den Selbsttests in der Praxis?
    Das Konzept basiert auf kontinuierlichem Testen gegen Covid-19 und einer digitalen Infrastruktur. Es müssten also sowohl eine Handy-App entwickelt werden als auch massenweise Antigen-Tests zur Verfügung stehen, die jeder zu Hause anweden kann. Es gibt bereits Tests, die auf einen einfachen Rachen- oder vorderen Nasenabstrich, einer Speichelprobe oder einer Gurgellösung basieren, diese sind in Deutschland aber noch nicht zugelassen. Mit ihnen könnte sich jeder privat selbst testen und sein negatives Ergebnis in einer App registrieren. Daraufhin bekäme man einen Code, der für eine gewisse Zeit - die Forscher gehen von mindestens zwölf Stunden aus - lang gültig ist: Für diesen Zeitraum wäre man "freigetestet" und aus dem Lockdown entlassen. Wer geimpft ist, könnte dauerhaft freigeschaltet werden, allerdings muss die sterile Immunität noch in Studien belegt werden.
    Eine Frau lässt sich testen
    Neuer Selbsttest als Ergänzung: Wie man sich auf Corona testen lassen kann
    Welche Tests sind auf dem Markt, was kosten sie und wo kann man sich testen lassen? Was hat es mit den geplanten neuen Selbsttests für zu Hause auf sich? Ein Überblick.
    Für welche Lebenslagen wäre das Konzept geeignet?
    Für so ziemlich alle. Das negative, dokumentierte Ergebnis wäre ein Freifahrtschein für Restaurant-, Klub- oder Konzertbesuche, Shopping, Messen, andere Veranstaltungsbesuche, Friseurtermine. Man könnte wieder ins Schwimmbad, ins Fitnessstudio oder in Kletterhallen etc. - dabei sollten Veranstalter und Betreiber die Testzertifikate aller Teilnehmer überprüfen und eigenes Personal für die Dauer ihrer Tätigkeit testen.
    Solche Tests könnten auch in der Schule helfen, Infektionen zu entdecken, die keine Symptome verursachen - die ansonsten also gar nicht bemerkt würden, erkärt Dlf-Wissenschaftsredaktuer Volkart Wildermuth in der Sprechstunde . Die entscheidende Frage sei, wie sich das vor Ort organisieren ließe. Sollen die Eltern ihre Kinder testen? Wird das vor Schulbeginn in der Aula gemacht? Und wie stellt man sicher, dass Kinder mit positivem Selbsttest auch wirklich isoliert werden und einen PCR-Test bekommen?
    Welche Vorbehalte gibt es gegen Laien-Schnelltests?
    Tests durch Ärzte, Apotheker und anderes geschultes Personal sind sicherer.
    Es gibt Untersuchungen von der Charité Berlin und der Uniklinik Heidelberg, die belegen, dass Tests, die im Eigenbetrieb durchgeführt werden, ungefähr so zuverlässige Ergebnisse liefern wie die, die vom medizinischen Fachpersonal durchgeführt werden, sagte Dlf-Wissenschaftsredakteur Arndt Reuning im Dlf-Podcast "Der Tag ".
    Die Tests können falsch negativ ausfallen.
    Technisch sind schnelltests in den allermeisten Fällen Antigentests, das heißt, es wird nicht wie mit der PCR das Erbgut der Viren nachgewiesen, sondern deren Eiweiße. Das geht leider nicht so empfindlich. Deshalb können die Tests Sie ein negatives Ergebnis liefern, obwohl man infiziert ist. An dieser Stelle gibt es zwei Knackpunkte, erklärt Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Die Tests seien zum einen eine Momentaufnahme. Es könne sein, dass man bereits infiziert ist, aber noch nicht genug Viren für die Antigentests produziert. Zum anderen seien die Tests auch nicht perfekt. Gelegentlich würden sie Infektionen auch übersehen. Aus beiden Gründen sei es auch bei einem negativen Testergebnis sinnvoll, Abstand zu halten und eine Maske zu tragen. Und was das Robert-Koch-Institut betont: Kontaktpersonen können sich mit einem Selbsttest auf keinen Fall aus der Quarantäne freitesten.
    Derzeit geht man davon aus, dass der infizierte Getestete in den folgenden zwölf Stunden noch nicht infektiös ist. Dennoch können Selbsttests massentauglich sein, denn wenn dadurch mehr infektiöse Personen identifiziert werden, könne der R-Wert schneller gesenkt werden, sagte Biophysiker Jonas Binding im Deutschlandfunk . Die Tests seien damit sehr gut geeignet, die meisten ansteckenden Personen zu identifizieren, erklärte Binding, einer der Gründer der Inititiative RapidTests.de.
    Die Kosten für die Tests sind zu hoch.
    Antigentests sind nicht so teuer wie PCR-Tests. Je mehr Tests gebraucht werden, desto günstiger werden sie. Das Bundesgesundheitsministerium stellt zudem Laien-Schnelltests für einen geringen Eigenanteil von 1 Euro in Aussicht.
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Es können nicht so viele Tests produziert werden.
    Ein Test pro Woche pro Bundesbürger ergäbe 330 Millionen Antigentests im Monat. Das könnte die Industrie leisten. "Es gibt keine Engpässe mehr", sagt Gilles Martin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er ist der Gründer und Vorstandsvorsitzende des französischen Laborkonzerns und Testherstellers Eurofins Scientific. "Es gab welche im vergangenen Frühjahr. Wir hatten seitdem genug Zeit, um Vorräte anzulegen."
    Menschen begeben sich trotz eines positiven Tests nicht in die Quarantäne.
    Die Schnelltest seien nur dann hilfreich, wenn die Leute verstehen, dass ein positiver Schnelltest die Aufforderung ist, sich sofort und komplett zu isolieren, betonte Biophysiker Binding. Private Schnelltests bieten zudem nur beschränkten Schutz gegen Manipulation und Betrug, räumen die Marburger Forscher ein. Dennoch gebe es nur wenige dokumentierte Fälle, die auf Extremsituationen zurückzuführen seien, etwa die Ausreise ins Heimatland. Da jedes Testkit nur einen QR-Code generiert, könne das negative Ergebnis nicht mehrere Menschen nutzen. Zudem könnten Stichproben und Strafen eingeführt werden. Nach einem positiven Test ist zudem ein zusätzlicher PCR-Test notwendig. Selbst wenn Menschen angesteckt werden würden, bemerkten sie es schnell, da sie sich regelmäßig testen. So könnte dennoch die Infektionskette unterbrochen werden.
    Wie reagiert die Politik?
    Bislang sind die Schnelltests noch nicht für den Privatgebrauch zugelassen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Einsatz von kostenlosen Corona-Schnelltests zum 1. März vorantreiben - allerdings zunächst von geschultem Personal, die Kosten dafür soll der Bund übernehmen. Laut dem Gesundheitsministerium steht man in Kontakt zu den Herstellern für Tests, die auch für Ungeschulte sicher anzuwenden sind. Man rechnet mit einer Zulassung noch im Februar.
    Kommunen und Ärzte warnen vor überzogenen Erwartungen. Der Impfstart habe gezeigt, dass die Organisation sowie die Verteilung für viele Millionen Menschen gleichzeitig eine Mammutaufgabe darstellten. Der Bundestagsabgeordnete Janosch Dahm hat ebenfalls Zweifel an der zügigen Umsetzung. Hier gehe es schließlich um nichts Geringeres, als dass sich die Bevölkerung zwei- bis dreimal pro Woche testen lassen könnte, sagte der Grünen-Politiker im Dlf.
    Der Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen (Grüne) während einer Rede.
    Dahmen (Grüne): Große Zweifel an kurzfristiger Umsetzung
    Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, den Einsatz kostenloser Corona-Schnelltests ausweiten zu wollen, erwecke den Eindruck, dass Tests in ausreichender Anzahl zur Verfügung stünden, kritisierte Janosch Dahmen im Dlf.
    Doch können Selbsttests eine Alternative zum Lockdown sein? Gerichte haben bereits mehrfach Entscheidungen für Einschränkungen gekippt. SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas sagte im Dlf, die Tests könnten eine sinnvolle und wichtige Ergänzung sein. "Solange der Bereich der Impfung noch nicht so ist, wie wir uns das wünschen, sind natürlich Testverfahren und wenn sie einfach sind für die Heimanwendung ein wichtiger Bereich, um am Ende auch Lockerungen möglich zu machen."
    Bärbel Bas bei einer Bundestagssitzung 2021
    Bas (SPD): Selbsttests schon jetzt in Teststrategie aufnehmen
    SPD-Politikerin Bärbel Bas forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu auf, eine Teststrategie vorzulegen, die die bislang noch nicht zugelassenen Heimtests einbindet.
    Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans fordert kostenlose Selbsttests. Sie seien ein zentraler Baustein bei der Bekämpfung der Pandemie, sagte der CDU-Politiker in einer Regierungserklärung im Landtag in Saarbrücken. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erhofft sich von den Selbstanwendertests einen grundlegenden Wechsel hin zu mehr Öffnungen von Kitas und Schulen.
    Wie realistisch ist eine Umsetzung des Konzepts?
    Wie eine Schnelltest-Strategie in der Praxis aussehen kann, ist aktuell in Österreich zu beobachten. Durch eine Lockerung des Lockdowns sei die Zahl der Schnelltests sprunghaft angestiegen, berichtet ARD-Korrespondent Clemens Verenkotte im Dlf - denn nur mit einem negativen Test-Ergebnis könne man zum Beispiel zum Friseur gehen. In den Schulen würden auch schon die in Österreich bereits zugelassenen Selbsttests angewendet. Diese sollen ab März sogar kostenlos zu erhalten sein. Ohne Einwilligung für die Tests müssten die Schüler im Distanzunterricht bleiben. Laien-Schnelltests seien allerdings nicht dazu geeignet, sie bei Behörden vorzuweisen.
    Für die Marburger Forscher könnte es mit ihrem Konzept jederzeit losgehen. Normalerweise sei es zu diesem Zeitpunkt völlig unrealistisch, ein großes IT-System zu bauen. Der einzige Grund, warum es Hoffnung gebe, sei, dass es die Infrastruktur in Österreich schon gebe, sagte Markowetz dem Dlf. Diese wurde über Jahre aufgebaut. "Das Back-Bone existiert im Rahmen der elektronischen Gesundheitsakte Österreichs. Man müsste die Software nehmen, nach Deuschland kopieren, auf Server neu aufspielen." Das Interesse an der Strategie sei groß, so Marwetz, der aktuell mit vielen Unternehmen in Gespräch ist. Einzig an dem politischen Willen fehle es. "Ich mache mir da keine Sorgen. Die Bevölkerung wird eine solche Lösung einfordern."
    Quellen: og, "F.A.S", Bundesgesundheitsministerium