Monika Seynsche: Wenn es darum geht, Städte grün und lebenswert zu machen, spielen Rasenflächen in jeder Planung eine große Rolle. Sie bestimmen das Bild in Parks, Grünanlagen und Wohngebieten. Aber jetzt argumentieren zwei Forscher aus Australien und Schweden im Fachmagazin "Science": So gut für die Umwelt sind die Grünflächen gar nicht. Ich habe Marcus Hedblom von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften[*] in Uppsala gefragt, warum er keinen Rasen mag.
Marcus Hedblom: Oh, wir mögen Rasen. Aber wir glauben, es gibt eine Alternative, über die viele Menschen vielleicht noch nicht nachgedacht haben. Wir wollen mit diesem Artikel eine Idee beschreiben. Ich würde also nicht sagen, wir mögen keinen Rasen, wir warnen nur vor den riesigen, Monokultur-Grasflächen, die in einigen Regionen überhandnehmen.
Grüner Teppich braucht zu viel Pflege
Seynsche: Aber warum glauben Sie braucht es eine Alternative zum Rasen? Warum ist er schlecht?
Hedblom: Nun, wir gehen auch auf die positiven Seiten des Rasens ein, zum Beispiel nutzen ihn die Menschen ja gern um darauf zu spazieren, ein Picknick zu machen oder Sport zu treiben. Aber es ist eben wie ein grüner Teppich, der zu etwas anderem entwickelt werden könnte, denn der Rasen muss sehr intensiv unterhalten werden, was sich wiederum negativ auf die CO2-Bilanz auswirkt.
Seynsche: Können Sie da ins Detail gehen? Was sind die negativen Auswirkungen?
Hedblom: Zu diesen negativen Aspekten gehört, dass die Rasenflächen regelmäßig gemäht werden. In einigen Regionen müssen sie auch sehr stark bewässert werden. Einfach weil sie in Gegenden gepflanzt werden, in denen natürlicherweise gar kein Rasen wachsen würde. In trockenen Regionen der USA etwa werden durchschnittlichen 75 Prozent des jährlichen Wasserverbrauchs eines Haushalts für die Bewässerung des Rasens eingesetzt. Das ist absurd. In einigen Ländern ist es darüber hinaus sehr verbreitet, Grasflächen mit Pestiziden zu behandeln, was zu Verunreinigungen des Grundwassers führen kann.
CO2-Bilanz kann kippen
Seynsche: Aber ich könnte mir vorstellen, dass Rasenflächen auf der anderen Seite auch viel CO2 aus der Atmosphäre fangen?
Hedblom: Ja, das tun sie auch. Es ist bislang noch nicht genau untersucht worden, wie viel, aber klar, sie nehmen CO2 auf. Aber auch dieser positive Effekt kann sich ins Gegenteil umkehren, wenn die Rasenflächen intensiv gepflegt werden, also häufig gemäht, gedüngt und bewässert werden. Dann gelangt mitunter mehr CO2 vom Rasen in die Atmosphäre als umgekehrt.
Seynsche: Und was schlagen Sie als Alternative vor?
Hedblom: Es sind mehrere Dinge, die wir vorschlagen. Zum einen wäre es sinnvoll, nicht überall auf der Welt dieselben Grasarten zu verwenden. Stattdessen könnte man solche Arten auswählen, die besser an das jeweilige Klima angepasst sind und dadurch auch ohne Dünger gut wachsen und nicht so stark bewässert werden müssen. Hier in Schweden etwa könnte man einheimische Arten nutzen, die auf Wiesen und Weiden vorkommen. Davon würde auch die heimische Tierwelt profitieren, wie etwa Hummeln oder Schmetterlingen.
Lasst Gras wachsen!
Außerdem regen wir dazu an, darüber nachzudenken, was einen Rasen ausmacht. Bislang herrscht die Überzeugung eine Grünfläche müsse immer gemäht werden. Man lässt das Gras nicht wachsen. Wir schlagen dagegen vor, die Wiesen nur ein- oder zweimal im Jahr zu mähen, sie also wachsen zu lassen.
Seynsche: Was hätten diese Alternativen für Vorteile?
Hedblom: Nun die Vorteile wären ökologischer, aber auch ästhetischer Natur. Die meisten Menschen wollen kurz gemähten Rasen auf den öffentlichen Grünflächen haben, weil sie daran gewöhnt sind. Zeigt man Ihnen aber Bilder von blühenden Wiesen, sagen sie: Oh ja, das sieht auch hübsch aus. Außerdem sind die Unterhaltskosten geringer, wenn die Wiesen seltener gemäht werden, weniger Dünger zum Einsatz kommt und weniger bewässert wird. So schafft man nachhaltigere Grünflächen in den Städten.
Und ein dritter Punkt ist die Artenvielfalt. Denn wir wissen, dass Städte immer weiter wachsen werden. Wenn wir dann immer noch sterile Rasenflächen bevorzugen, und gleichzeitig davon reden, die biologische Vielfalt erhalten zu wollen, ist das ein Widerspruch. Wir sehen jetzt schon, dass zum Beispiel Hummeln und Schmetterlinge zurückgehen.
[*] In der Sendefassung hatten wir unseren Gesprächstpartner irrtümlich einer anderen Universität in Uppsala zugeordnet. Das Transkript wurde an dieser Stelle korrigiert.