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Altersheim 2.0
Digitale Technik gegen Einsamkeit

Einsamkeit im Alter - dagegen könnte digitale Technik helfen. Ein Projekt in Süddeutschland untersucht, wie Tablets oder Smartphones Senioren helfen, Kontakt zu finden und eine Gemeinschaft aufzubauen. Dabei zeigt sich, dass der Wohnalltag von Senioren immer mehr durch die digitale Technik bestimmt wird.

Von Frederik Rother |
    In einigen Einrichtungen Deutschlands werden ältere Menschen an die digitale Technik herangeführt
    In einigen Einrichtungen Deutschlands werden ältere Menschen an die digitale Technik herangeführt (picture alliance / dpa)
    Angelika Bacher und ihr Ehemann Eberhard setzen sich an den großen Tisch im Gemeinschaftsraum des Bürgertreffs. Blumen stehen darauf. Ein paar kleinere Sitzgruppen laden zum Verweilen ein, am Schwarzen Brett in der Ecke hängen Veranstaltungstipps für Kirchheim unter Teck.
    Die Kleinstadt liegt gut 20 Kilometer südöstlich von Stuttgart und ist Wohnort von Ehepaar Bacher.
    Angelika Bacher ist 69 Jahre alt, sie zieht behutsam ein DIN A4-großes Tablet aus der Tasche. Seit gut eineinhalb Jahren arbeitet sie mit dem neuen Gerät, das ihr Leben nachhaltig verändert hat, wie sie sagt.
    "Selber bin auch ganz stolz drauf, habe bei null angefangen…und kann das jetzt."
    E-Mails schreiben, Skype nutzen, Bilder verschicken und über Whatsapp mit Kindern und Enkeln kommunizieren. Für die Bachers ist das mittlerweile Alltag. Sehr zur Freude der Familie, sagt Eberhard Bacher:
    "Die sind natürlich ganz erstaunt, wenn man da auf einmal ein Gesicht sieht, oder den Opa sieht, oder die Oma…"
    Dass die Bachers so gut mit modernen Kommunikationswerkzeugen umgehen können, ist dem Projekt SONIA zu verdanken.
    SONIA steht für "Soziale Inklusion durch technikgestützte Kommunikationsangebote" und soll Senioren ermöglichen, durch eine Online-Plattform untereinander in Kontakt zu treten und so nachbarschaftliche Gemeinschaften aufzubauen. Zu den Funktionen gehören unter anderem ein Suche-Biete Portal, Veranstaltungshinweise oder Nachrichtendienste wie Whatsapp oder Skype.
    Gegen Vereinsamung im Alter
    Eine 80-jährige Frau telefoniert am 12.02.2005 in ihrem Haus in Bochum mit einem Handy.
    Eine ältere Frau telefoniert mit einem Handy. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Das vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderte Projekt will auf diesem Weg mehr soziale Teilhabe ermöglichen und Vereinsamung im Alter vorbeugen.
    Ein wichtiges Thema, das auch in Zukunft noch zunehmen wird: Knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung wird in einigen Jahren älter als 60 Jahre sein. Allein aufgrund dieser Tatsache müssen neue Wohnkonzepte entwickelt werden, die den Bedürfnissen nach mehr Autonomie, guter Anbindung und Versorgung gerecht werden.
    Im Stuttgarter Süden ist das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation angesiedelt. Hier werden zukünftige Arbeits- und Lebensmodelle erforscht. Wie müssen Altenhilfeeinrichtungen in Zukunft aussehen? Wie werden die Wohnungen von Senioren gestaltet sein? Das sind nur einige Fragen, auf die hier Antworten gesucht werden.
    In dem Neubau, der mit seiner futuristischen Einrichtung mehr an ein Start-Up als an eine öffentliche Institution erinnert, sitzt Petra Gaugisch.
    Die 49-jährige Wissenschaftlerin mit den dunkelblonden Locken betreut das SONIA-Projekt seit Beginn. Nach knapp zwei Jahren Projektlaufzeit zeigt sie sich zufrieden:
    "Das eine was sich verändert, das ist ‘ne größere Technikkompetenz, mit Neuen Medien umzugehen, das andere was sie beschreiben, mehr Miteinander, dass man sich jetzt kennt und Freundschaften entstanden sind."
    Die knapp 40 Senioren aus Kirchheim unter Teck sind sich zunächst nur im virtuellen Raum begegnet. Im analogen Leben haben sich viele dann besser kennengelernt: Sie backen jetzt gemeinsam oder unternehmen auch mal etwas zusammen.
    SONIA zeigt, wie das Wohnen älterer Menschen zukünftig aussehen könnte, sagt Petra Gaugisch:
    "Ich sehe ein ganz starkes Signal darin zu sagen, wir müssen auch in Nachbarschaften denken, wir müssen nicht nur in Wohnungen denken, sondern auch ein Quartier drum rum muss altengerecht sein."
    Und dazu gehört nicht nur eine barrierefreie Umgebung mit Sitzbadewanne und Treppenlift sondern auch eine Infrastruktur, die Menschen einlädt sich zu engagieren und auszutauschen.
    "Wenn so ‘ne Kultur entsteht, des gegenseitigen Verständnisses, des gegenseitigen Unterstützens, dann hat das was mit dem Erhalt der Selbständigkeit zu tun."
    Das bestätigt auch SONIA Probandin Angelika Bacher – die sich durch ihre neuen Kontakte sicherer fühlt in ihrem Zuhause:
    "Ich kann mir mal ein Bein brechen, oder kann nicht mehr aus dem Haus, aber dann hab ich trotzdem noch Kontakte zu den Bekannten. Und die können auch mal sagen, komm, ich nehme dir was ab."
    Ehepaar Bacher in Kirchheim unter Teck will solange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben und den Alltag ohne fremde Hilfe meistern. Wie vielen Senioren ist ihnen Selbstständigkeit im Alter sehr wichtig.
    Zukunftsszenarien scheitern an Finanzierbarkeit
    Sozialorientierte Projekte wie SONIA tragen dazu bei, aber auch digitale Technik im allgemeinen: Ambient Assisted Living nennen sich die unterstützenden Technologien, die das Wohnen von Senioren nachhaltig verändern werden.
    Petra Gaugisch vom Fraunhofer-Institut: "Das wird kommen. Im Moment ist es so, es gibt sehr, sehr viele Projekte […] und es geht immer darum, wie kann man neue Technologien in der Verknüpfung mit Dienstleistungen, und ich glaube, das ist das wichtige, neue Technologie alleine ist es nicht, sondern es ist immer das in Dienstleistungen zu denken und zu überlegen, wo kann uns Technik dabei helfen."
    Notrufsysteme, die selbständig Alarm schlagen, wenn jemand stürzt oder auf dem Boden liegt. Die Steuerung von Heizungen, Herd und Rollläden per Tablet. Auch das Monitoring und Bereitstellen von wichtigen medizinischen Daten ist denkbar.
    "Also ich glaube, technisch ist man sehr, sehr weit. Es hapert noch an den Geschäftsmodellen, die dahinter liegen. Also auch die Frage, wer zahlt dann die Dienstleistungen, wie werden die Dienstleistungen abgerechnet, die Pflegekassen sind da bis jetzt auch noch sehr zurückhaltend."
    Wie werden Senioren wohnen? Szenarien für die Zukunft gibt es viele. Manche scheitern bislang noch an der Gegenwart. Zuweilen aber auch an den Budgets oder der fehlenden Erfahrung von Handwerkern und Architekten.