Sandra Schulz: Schlechte Nachrichten für Sparer und Anleger, die für ihre Altersversorgung Geld zurücklegen wollen: Die Renditen von Bundesanleihen fallen. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: Wie kommt das?
Klemens Kindermann: Das kommt daher, dass die ganze Welt einen Riesen-Appetit auf unsere deutschen Staatsanleihen hat, besonders auf die Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Das sind die Königinnen unter den Anleihen. Die stehen in den Finanzportalen ganz vorne, die wollen alle haben, die legt sich die Welt ins Depot, wenn sie auf Nummer sicher gehen will. Und das will sie immer mehr, weil der Handelskrieg der USA immer schlimmer wird – Stichwort: Mexiko, Stichwort: China.
Wenn aber immer mehr Leute das Gleiche kaufen wollen, dann steigt der Preis. Und das ist in diesem Fall der Kurs der deutschen Anleihen, die ja nichts anderes sind als Schuldverschreibungen des Staates.
Wenn aber der Kurs steigt, die Anleihe also begehrt ist, dann sinkt die Rendite, also das, was der Staat dem Anleihekäufer zahlen muss. Man kann sich das so vorstellen: Der Staat kann ja – bildlich gesprochen - mit den Achseln zucken und sagen: Ich habe genug Interessenten, das sieht man an den steigenden Kursen, also brauche ich doch denen, die Schlange stehen dafür, um mir Geld zu borgen, weniger Zinsen zahlen, die kriegen also weniger Rendite. Und das ist der Grund, warum die Renditen der Bundesanleihen derzeit im freien Fall sind.
"So viele sichere Häfen wie Deutschland gibt es auf der Welt nicht"
Schulz: Aktuell bekommt der Staat sogar Geld, wenn er sich welches leiht?
Kindermann: Ja, das ist eine ganz verrückte Welt bei den Bundesanleihen. Die Rendite der Zehnjährigen ist abgestürzt – gestern auf ein Rekordtief von minus 0,215 Prozent. Das heißt: Wenn ich dem deutschen Staat 1.000 Euro leihe, dann bekomme ich dafür gar keine Zinsen, sondern ich muss noch Geld draufzahlen, nämlich 2 Euro 15. Das ist kein Scherz, sondern die Anleger sind bereit, wegen der Sicherheit, das Geld ganz bestimmt zurückzubekommen, noch was draufzulegen. Und so viele sichere Häfen wie Deutschland gibt es auf der Welt nicht. Dazu Joachim Schallmayer, er leitet die Anlagestrategie bei der Deka Bank:
"Das Phänomen ist ja, dass es gar nicht mehr so viele sichere Anlagen gibt und Bundesanleihen sind eben noch eine Anlageklasse, die Sicherheit verspricht – Stabilität der Regierung hin oder her."
Kindermann: Also, die Krise der Großen Koalition zweitrangig. Die Furcht vor Handelskriegen ist größer.
Schulz: Der Staat profitiert also von der Lage bei den Bundesanleihen – wer noch?
Kindermann: Der Staat kann sich billig verschulden, das stimmt. Generell: Wer sich Geld leihen will, ist im Vorteil. Etwa Unternehmen, die sich neu finanzieren müssen, oder Hauskäufer. Ende Mai lag die – wohlgemerkt – durchschnittliche Baufinanzierung für zehn Jahre bei nur noch 1,06 Prozent. Allerdings: Trotzdem Augen auf beim Haus- oder Wohnungskauf, nichts überstürzen. Manche Immobilie ist bereits überteuert. Da sind die Verluste am Ende größer als der Vorteil niedriger Zinsen.
Verlierer der fallenden Anleiherenditen sind Sparer
Schulz: Wer sind die Verlierer der fallenden Anleiherenditen?
Kindermann: Eindeutig alle, die sparen wollen. Wegen der Langfristigkeit vor allem die, die für ihr Alter vorsorgen wollen, über Lebensversicherungen etwa. Auch Pensionskassen sind betroffen, die versuchen jetzt schon, den Garantiezins zu senken. Alle Unternehmen, die Betriebsrenten auszahlen, die müssen dafür immer mehr zurücklegen.
Ein berühmter Börsenguru hat mal gesagt: Wer gut essen möchte, kauft Aktien. Wer seine Nerven schonen möchte, investiert in Anleihen. Das stimmt heute nicht mehr.