Archiv

Altkanzler-Biografie
Merkel stellt Buch über Schröder vor

Genüsslich zitierte Angela Merkel Anekdötchen aus der Biografie ihres Vorgängers Gerhard Schröder. Bei der Buchpräsentation wurde klar: Die beiden schätzen sich, auch wenn es einen kleinen Seitenhieb des Ex-Kanzlers in Sachen Flüchtlingskrise gab.

Von Frank Capellan |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard Schröder am 22.09.2015 in Berlin bei der Vorstellung der neuen Schröder-Biografie von Autor Gregor Schöllgen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard Schröder am 22.09.2015 in Berlin bei der Vorstellung der neuen Schröder-Biografie von Autor Gregor Schöllgen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Merkel: "So ausschweifend wollen wir hier nicht werden."
    Nein, schmunzelt Angela Merkel, ein gemeinsames Abendessen mit ihrem Vorgänger sei nicht in Planung. Obwohl: Zeitweise wirken die beiden auf der Bühne wie ein altvertrautes Ehepaar. Sie kennen und schätzen sich, so sehr, dass Angela Merkel genüsslich Anekdötchen aus der Schöllgen-Biografie zitiert
    "Wie etwa, dass der 19-jährige Gerhard Schröder nach seiner Musterung beim Kreiswehrersatzamt Göttingen den Tauglichkeitswert 2 erhielt, weil die ärztliche Untersuchung Krampfadern diagnostiziert hatte."
    Merkel zeigt Hochachtung vor Schröder, dass es jemand von unten ins Kanzleramt geschafft hat, bewundert sie. Da gibt es Parallelen, wer hätte schon gedacht, dass sie , Frau, Protestantin, Ostdeutsche 15 Jahre nach der Einheit auch dort landen würde. Die beiden respektieren sich, trotz oder gerade wegen jenes Wahlabends im Jahr 2005, als ein testosterongeladener Regierungschef einen Moment lang glaubte, Merkel die Kanzlerschaft streitig machen zu können.
    "Das ist ja eine der wirklichen Kult-Sendungen im deutschen Fernsehen, und ich kann das inzwischen aus der Distanz auch gut nachvollziehen, das war ebenso lustvoll wie suboptimal. Trotzdem möchte ich das nicht missen, möchte ich Ihnen sagen …"
    Um Kopf und Kragen habe er sich damals geredet, ist in der Schröder-Biografie zu lesen, diesem Macho-Auftritt habe Merkel ihre Kanzlerschaft zu einem Großteil zu verdanken. Alles Legende, sagt Schröder, auch Merkel hält nichts von solchen Deutungen
    "Aber ich war eigentlich an dem Abend ganz froh, dass so viele andere gesprochen hatten. Das war ne Erleichterung in der Situation, ich war eigentlich dankbar, dass so viele einen größeren Drang hatten zu sprechen als ich."
    Lass den Schröder nur reden, soll sie gedacht haben. Schröder lacht darüber. Merkel durfte am Ende übernehmen.
    "Die offizielle Amtsübergabe war kurz und bündig, die haben geguckt, wie sie ihren Blumenstrauß wieder losgeworden sind, ich hatte plötzlich zwei in der Hand, aber im Büro stand ein Kuchen – und das fand ich ganz toll."
    Gegenseitige Bewunderung? Das geht Schröder zu weit
    Als ein Kollege feststellt wie sehr sich die beiden offenbar mittlerweile bewundern, da zuckt Schröder zusammen, schüttelt zaghaft mit dem Kopf als gehe ihm das dann doch zu weit. Anderseits – gefragt nach Fehlern die seine Nachfolgerin macht, bleibt er stumm.
    "Zu den Fehlern, die ich schon kenne, werde ich auch nichts sagen."
    Merkel ist da offener, dass er den SPD-Vorsitz abgegeben hat, das sei ein Fehler Schröders gewesen. Der beißt die Zähne zusammen, runzelt die Stirn, offenbar sieht er das auch so. Sei´s drum: Schröders größtes Verdienst sind seine Reformen.
    "Das Deutschland heute so gut da steht, das hat ohne jeden Zweifel seinen Ausgangspunkt in den Reformen der Agenda 2010."
    Jetzt ist Schröder ganz ernst, das schmeichelt dem Mann, der in den eigenen Reihen wegen eben dieser Agenda oft genug verteufelt wurde. Nein zu aktuellen politischen Fragen will er sich nicht äußern, betont er und macht es dann doch. Die Flüchtlingskrise, sagt er, sei die vielleicht größte Herausforderung für Merkel.
    "Wie es ausgehen wird, wird nach meiner Auffassung davon abhängen wie schnell und wie mutig ein neues Einwanderungsgesetz gemacht wird."
    Zack! Eine kleine Watsche. Ein echtes Einwanderungsgesetz, das Zuwanderung fördert, lehnt Merkel ab. Sie schaut zu Boden. Musste das sein? Hat sie ihn nicht gerade noch gelobt für seinen Pragmatismus, als hätte sie ihn jetzt gern an ihrer Seite?
    "Solche kreativen Menschen kann man gebrauchen in jedem Kabinett, so ist es nicht."
    Ob die Bewältigung der Flüchtlingskrise darüber entscheidet, was über sie in den Geschichtsbüchern stehen wird? Merkel weicht aus, jede Zeit hat ihre Herausforderungen meint die CDU-Chefin… und schließt salomonisch
    "Ich kann nur sagen: Ruhig ist es selten, wenn man Bundeskanzler ist."