In der Rostocker Geschäftsstelle des Malteser Hilfsdienstes gibt Peter Wolf jeden Montag ein Seminar für jene Universitätsstudenten, die bei "Balu und du" mitmachen - einem Angebot für Grundschüler, gemeinsam etwas besser durch den Dschungel des Alltags zu kommen.
Die Malteser setzen diese Idee in den mecklenburgischen Städten Schwerin, Wismar und Rostock um. Das werde unter anderem aus der Verwertung jener Textilien finanziert, die die Rostocker in die dunkelgrünen Container mit dem Malteser-Logo werfen, erzählt Peter Wolf auf dem Weg in die August-Bebel-Straße.
"Ja, da links. Da ist dann der Container."
Ein kleines unauffälliges Schild am Fuße des Container erklärt: "Malteser Hilfsdienst e.V."
Peter Wolf setzt fort: "Sammlung in Lizenzvergabe. Erlöse werden für soziale und caritative Hilfsleistungen der Malteser Hilfsdienste verwandt. Zum Beispiel 'Balu und du'."
Nirgends hingegen ein Hinweis auf die "VEOLIA Umweltservice GmbH". Dabei sammelt dieser private Hamburger Abfallentsorger die Altkleider ein. Allein in Rostock und Umgebung betreibt VEOLIA 110 Altkleidercontainer. Pro Monat kommen dort 50 Tonnen Alttextilien zusammen, die an drei externe Sortierbetriebe verkauft werden. Was die dann mit den Altkleidern machen, wissen weder der privatwirtschaftlichen Containerbetreiber noch die caritativen Lizenzgeber.
Afrikanischer Markt wichtig für die deutsche Alttextilbranche
Kein Einzelfall, sagt der Rostocker Bundestagsabgeordnete Peter Stein, der die Themen nachhaltige Abfallwirtschaft und Entwicklungspolitik beackert.
"Also es ist, glaube ich, unbestritten, dass wir hier einen sehr hohen Verbrauch haben in Deutschland. Nicht nur, aber auch im Textilbereich. Und jeder muss wissen, dass, wenn ein T-Shirt 2,99 kostet, das nicht in der reinen Lehre der Nachhaltigkeit entstanden sein kann, und dass da Kinderarbeit und Ausbeutung dahinter stecken muss. Auf der anderen Seite: Wir schmeißen kaum noch ein Textil in den Müll, sondern es wird in den Kleidersack gesteckt. Das ist normal für uns seit vielen Jahrzehnten, und es findet vielleicht zu wenig Betrachtung statt, was damit danach passiert. Wir tun's in den Sack und dann ist es weg bei den Johannitern, beim Deutschen Roten Kreuz oder sonst wo. Und das ist ja nun die spannende Frage auch auf dieser Konferenz: Was macht ihr eigentlich damit?"
Der Parlamentarier meint den 6. Internationalen Alttextiltag, der gerade in Rostock-Warnemünde stattfindet - mit Peter Stein als Gastredner. Eine brancheneigene Studie von 2015 gibt derweil einige Auskünfte:
Demnach werden in Deutschland derzeit pro Jahr 1,35 Mio Tonnen Altkleider und sonstige Textilien zu Abfall. Davon wiederum werden eine Million Tonnen zur Wiederverwertung erfasst. Rund 85 Prozent der Deutschen nutzen zumindest gelegentlich den Altkleidercontainer. Laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz darf nur, was gar nicht anders verwertbar ist, zur Wärmegewinnung verbrannt oder anderweitig als Müll entsorgt werden. Das trifft derzeit auf ca. acht Prozent der gesammelten Alttextilien zu.
Auch wenn es in Sachen Export keine Zahlen gibt: Vor allem der afrikanische Markt ist sehr wichtig für die deutsche Alttextilbranche, sagt Peter Stein (CDU): "Ich werde nie vergessen: Ich war mit einem Kollegen zusammen in Zentralafrika, in Sambia. Und da läuft ein junger Mensch mit einem T-Shirt rum. Da stand hinten der Aufdruck von einem kleinen Dorf-Fußballverein drauf. Das war ein altes Trikot. Das war das Dorf von dem Kollegen. Der sagte: 'Das gibt's gar nicht!' Das hatte wahrscheinlich mal einer aus dem Dorf in die Altkleidersammlung gegeben und ist dort unten irgendwo auf den Textilmarkt gekommen."
Franchise als Lösungs-Modell?
Und zwar so billig, dass es sich auch die Ärmsten leisten können, was man von dem im eigenen Dorf genähten Stück oft nicht sagen könne. Doch ab 2019 will die Ostafrikanische Gemeinschaft die Einfuhr von gebrauchten Schuhen und Kleidungsstücken unterbinden. Ein Hauptthema auf dem Internationalen Alttextiltag in Warnemünde, zu dem Gastredner Stein vor allem diesen Gedanken äußern will: Deutschland möge nicht so sehr Produkte exportieren, sondern den Sinn und das technische Wissen für die Wiederverwertung von Textilien.
"Wir müssen das, was wir hier tun, exportieren. Ich hätte kein Problem damit, wenn ein Abfallunternehmen aus Deutschland in Nigeria ein Franchise macht oder sonst irgendwas. Das muss der Weg sein."