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Altmaier (CDU) zu Coronabonds
"Nicht bereit, die Stabilität des Euro langfristig zu gefährden"

Die Absage Deutschlands an sogenannte Coronabonds richte keinen Schaden gegenüber Partnern in Europa an, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Dlf. Länder wie Italien, Spanien oder Griechenland sollten in dieser Krise nicht alleine gelassen werden, "aber es geht auch um den Euro als Währung".

Peter Altmaier im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Peter Altmaier (CDU): Hohe Bereitschaft zu Solidarität mit befreundeten Ländern (dpa / Soeren Stache)
Der Bundeswirtschaftsminister betonte im Deutschlandfunk, Deutschland sei in jeder Hinsicht bereit, den südeuropäischen Ländern zu helfen, die von der Coronakrise besonders betroffen sind. Er wies in diesem Zusammenhang daraufhin, dass viele Menschen aus anderen Ländern zur Behandlung in deutsche Krankenhäuser geflogen worden seien. "Wir sind bereit dazu beizutragen, die Wirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa wieder in Gang zu bringen, sagte Altmaier, "aber wir sind nicht bereit, die Stabilität des Euro langfristig zu gefährden".
Coronabonds wären Anleihen, die nicht von der Europäischen Union, sondern von den Euro- oder EU-Staaten gemeinsam aufgenommen würden. Alle beteiligten Staaten müssten für diese neuen Schulden gemeinsam haften. Wie schon bei den während der Finanzkrise diskutierten Eurobonds steht die Bundesregierung jedoch auf dem Standpunkt, jeder Staat in Europa solle nur für seine eigenen Schulden aufkommen müssen.
Die Frage nach einem sogenannten Corona-Soli stellte der Bundeswirtschaftsminister zurück. "Ich halte nichts davon zu spekulieren, was passiert, wenn die Krise vorbei ist", so Altmaier. Eine Debatte über Steuererhöhungen sei "Gift".
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Das komplette Interview mit Peter Altmaier.
Christoph Heinemann: Herr Altmaier, welchen Schaden hat das deutsche Nein zu Euro-Bonds bisher angerichtet?
Altmaier: Ich kann keinen Schaden erkennen, sondern die Bereitschaft auch in Deutschland zur Solidarität mit unseren europäischen Freunden. Wir haben in der EU über viele, viele Jahre darüber diskutiert, wie man aus der Eurokrise, aus der Banken- und Börsenkrise und jetzt aus der Corona-Krise am besten herauskommt. Wir haben positive Erfahrungen gemacht. Das muss uns leiten. Für mich ist entscheidend: Wir dürfen Italien, Spanien, wir dürfen Griechenland und andere Länder nicht alleine lassen. Aber das muss am Ende so sein, dass der Euro eine stabile, verlässliche, erfolgreiche Währung bleibt.
"Sind uns einig, dass wir bereit sind zu helfen"
Heinemann: Wie hässlich entwickelt sich gerade das Bild von den Deutschen in West- und Südeuropa?
Altmaier: Das hängt auch davon ab, wie wir selber über uns reden und unsere eigene Politik geschlossen mittragen. Olaf Scholz, Peter Altmaier, wir beide sind uns einig, dass wir bereit sind zu helfen. Annegret Kramp-Karrenbauer, die Verteidigungsministerin, hat ermöglicht, dass viele Menschen aus Italien, aus Frankreich in Deutschland behandelt werden konnten, dass sie ausgeflogen wurden. Wir haben Atemmaschinen, wir haben Hilfsgüter geliefert und wir sind bereit, dazu beizutragen, dass nicht nur die Krise effektiv bekämpft wird, sondern wir sind bereit beizutragen, dass nach Ende der Krise auch die Wirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wieder in Gang kommt. Das sind wir bereit zu tun. Aber wir sind nicht bereit, die Stabilität des Euro langfristig zu gefährden.
Heinemann: Giuseppe Conte, dem italienischen Ministerpräsidenten sitzt ein Matteo Salvini im Nacken, und der sagt von morgens bis abends, die Europäische Union und der Euro sind Mist. Wieso liefern Sie Herrn Salvini Argumente und nicht Herrn Conte?
Altmaier: Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, die Forderungen von Populisten, sei es von rechts, sei es von links, einfach zu kopieren und auf sie einzugehen. Wir müssen zu dem stehen, was wir für richtig halten, und es ist doch wahr, dass alle europäischen Länder in den letzten Jahren Fortschritte gemacht haben in ihrer Konsolidierungspolitik, weil wir die Stabilitätskriterien vernünftig angewandt haben. Jetzt haben wir gesagt, wir sind bereit, sie zu lockern, weil diese Krise unverschuldet über die Länder gekommen ist. Auch das ist richtig. Auch das entspricht dem europäischen Recht. Das was noch diskutiert wird, das ist die Frage vor allen Dingen, inwieweit wir diese leidige Frage von Bonds, ob sie nun Euro-Bonds oder ob sie Corona-Bonds heißen, so oder so entscheiden, und da sind die Mehrheiten in Europa eigentlich sehr eindeutig und das ist nicht ein deutscher Sonderwunsch oder ein Sonderweg, sondern das ist die Auffassung von sehr, sehr vielen Ländern um uns herum.
"500 Milliarden – das ist eine unvorstellbar große Summe Geld"
Heinemann: Giuseppe Conte fordert jetzt eine Lockerung der fiskalpolitischen Regeln. Wird es dazu kommen?
Altmaier: Ich glaube, es wäre völlig falsch, wenn ich dem Bundesfinanzminister vorgreifen würde. Wir haben Regeln, die Lockerungen in sich bereits vorsehen. Darüber ist auch schon gesprochen worden. Ansonsten wäre es wichtig, dass wir die 500 Milliarden, um die es heute geht – das ist eine unvorstellbar große Summe Geld, mit denen wir ganz vielen Menschen gerade auch in dem am stärksten betroffenen Spanien und Italien helfen können -, dass wir diesen Beschluss heute fassen. Und ich traue Olaf Scholz zu, dass er das gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire heute voranbringen kann, und daran arbeiten wir alle gemeinsam.
Heinemann: Herr Altmaier, die EU-Kommission plant einen stufenweisen Ausstieg aus den Notfallmaßnahmen, Entscheidungen auf lokaler Ebene. Wird sich die Bundesregierung diesen Fahrplan zu eigen machen?
Altmaier: Ich glaube, dass in den EU-Überlegungen sehr viel Vernünftiges drinsteht. Richtig ist aber auch, ,dass wir gesagt haben, Ausstiegsszenarien kann es nur in den Ländern – und das gilt auch für Deutschland – geben, wo man die Ausbreitung der Krise und der Seuche verlangsamt hat. Wir haben im Augenblick erste positive Nachrichten, aber es ist viel zu früh, um in Selbstgewissheit und Selbstzufriedenheit zu verfallen. Die Tage über Ostern werden entscheidend sein und erst nach Ostern wird man wissen, ob und wann man mit diesen Lockerungen beginnen kann.
Dass wir nicht von heute auf morgen das gesellschaftliche, öffentliche, wirtschaftliche Leben von null auf hundert wieder hochfahren, das versteht sich von selbst. Das ist der Kern des Kommissionsvorschlages und das entspricht auch dem, was mein Kollege Jens Spahn, was die Bundeskanzlerin, ich selbst und viele andere in dieser Frage für richtig und notwendig halten, nämlich ein Vorgehen, das sich an den Problemen orientiert, ein Vorgehen, das gestuft ist, ein Vorgehen, das verhindert, dass wir schon wenige Tage nach einer Lockerung dann wieder neue Verschärfungen brauchen. Denn das würde die Menschen enttäuschen und dafür haben sich die Menschen nicht diese großen Entbehrungen auferlegt. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt zunächst den Trend abwarten und dann gemeinsam Entscheidungen treffen. Wenn die von der örtlichen Ebene bis nach Brüssel gemeinsam getroffen werden könnten, wenn sie gemeinsam vertreten werden könnten, dann wäre das ein großer Fortschritt in dieser Krise.
"Wünsche Sebastian Kurz von Herzen Erfolg"
Heinemann: Herr Altmaier, wie sehr setzt Sebastian Kurz in Österreich die Bundesregierung in Berlin unter Druck?
Altmaier: Ich fühle mich überhaupt nicht unter Druck gesetzt, sondern ich wünsche Sebastian Kurz von Herzen Erfolg in seiner Arbeit. Es gab ja auch die Situation, dass in einigen Gebieten in Österreich die Herausforderung sehr groß war, auch mit Folgen für Menschen, die dort beispielsweise Urlaub verbracht haben. Aber die österreichische Regierung hat sehr konsequent gehandelt. Und wenn Sie sich das anschauen, was Sebastian Kurz verkündet hat – das ist nicht so unterschiedlich von dem, was wir in Deutschland tun. Er wird Baumärkte wieder öffnen. Die sind gar nicht in allen Bundesländern geschlossen bei uns. Einige haben sie offen gelassen, andere werden sie öffnen. Es gibt auch bei Sebastian Kurz den Vorbehalt, die guten Zahlen müssen sich über Ostern bewähren.
Deshalb ist doch die Botschaft heute an Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer, dass wir über Ostern weiter diszipliniert und mit viel Verantwortungsgefühl das umsetzen müssen, was gemeinsam vor 14 Tagen beschlossen worden ist. Es sieht so aus, dass es wirkt. Es sieht so aus, dass es belohnt wird. Nichts anderes hat Sebastian Kurz in seinen Reden auch gesagt.
Heinemann: Herr Altmaier, schauen wir in die fernere Zukunft. Hunderte Milliarden Euro stellt der Staat zur Verfügung. Wer zahlt diese Zeche am Ende?
Altmaier: Der Staat, Herr Heinemann, sind wir alle. Aber wir haben gemeinsam durch die Einhaltung der Schuldenbremse, durch die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in den letzten Jahren die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir jetzt Geld in die Hand nehmen können, dass wir die Staatsausgaben vorübergehend deutlich erhöhen können, um Unternehmen zu retten, um Arbeitsplätze zu retten, um den Wohlstand dieses Landes zu retten. Das tun wir auch! Aber natürlich ist klar: Je länger diese Krise dauert, desto schwieriger wird es sein, ständig neue Ausgaben zu bewilligen und zu beschließen, denn wir wollen ja dann nach Ende der Krise auch wieder auf einen vernünftigen Pfad der Haushaltsdisziplin zurückkehren.
Heinemann: Genau! Darum die Frage nach einem Instrument. Nach dem Krieg beschloss ja der Deutsche Bundestag das Gesetz über den Lastenausgleich, das heißt eine Entschädigung für Menschen, die Vermögensschäden und andere Nachteile erlitten hatten. Und diejenigen, denen erhebliches Vermögen verblieben war, die sollten diese Lastenausgleichsabgabe zahlen. Wäre das ein Modell für die Zeit nach Corona?
Kein Vergleich mit Ende des 2. Weltkriegs
Altmaier: Ich glaube, dass wir uns nicht vergleichen können, bei aller Schwere der Situation und der Prüfung nicht vergleichen sollten mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Ich muss mal mit einer Legende aufräumen. Das Haus meiner Großeltern war durch Bombenangriffe völlig zerstört. Der Lastenausgleich wurde erst Jahrzehnte später geregelt und ausbezahlt und entsprach in keiner Weise dem Verlust, den die Menschen damals erlitten hatten.
Das heißt: Wir müssen wirksame Instrumente haben. Wir praktizieren jetzt schon Lastenausgleich, indem wir Kurzarbeit finanzieren, indem wir dafür sorgen, dass Arbeitsplätze erhalten werden, und indem wir bereit sind, Unternehmen das Durchhalten zu ermöglichen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind.
Wir werden dann, wenn die Krise zu Ende ist, eine sehr genaue Bestandsaufnahme machen, welche Bevölkerungsgruppen, welche Arbeitnehmergruppen von den Einschränkungen, von den Produktionsrückgängen am meisten betroffen worden sind. Dort wo Schäden entstanden sind, dort wo Nachteile entstanden sind, muss man überlegen, wie man damit umgeht. Aber die Priorität ist jetzt doch, dass unser Wirtschaftsleben wieder in Schwung kommt. Wenn Sie das Gutachten der Wirtschaftsinstitute von gestern zur Hand nehmen, dann stellen Sie fest, dass es dort die Hoffnung gibt, dass dies bereits in der zweiten Jahreshälfte möglich wird.
Heinemann: Könnten Sie sich mit einem Corona-Soli anfreunden?
Altmaier: Wir haben ja im Augenblick immer noch einen Soli, der erhoben wird. Dieser Soli soll zum 1. Januar nächsten Jahres halbiert werden. Das hat die Koalition gemeinsam vor Ausbruch der Krise beschlossen.
Heinemann: Können wir uns das leisten?
Altmaier: Ich halte jetzt überhaupt gar nichts davon, zu spekulieren über die Frage, was wir tun, wenn die Krise vorbei ist. Ich glaube, dass es richtig ist, jetzt dafür zu sorgen, dass die Zahl der Neuinfektionen noch deutlicher zurückgeht, dass es dann notwendig ist, die Beschränkungen aufzuheben, schrittweise und so, dass es verantwortlich ist, dass es drittens notwendig ist, die Konjunktur anzukurbeln, und dann reden wir irgendwann im Laufe dieses Jahres oder im nächsten Jahr auch über die Frage, ob wir Ausgleichsmaßnahmen und Instrumente brauchen. Aber ich halte eine Debatte über Steuererhöhungen zum jetzigen Zeitpunkt für Gift für Arbeitsplätze, für Gift für den Aufschwung, und deshalb sollten sich alle daran halten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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