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Altmaier: "Ein Rückschlag für den Klimaschutz in Europa"

Das System des Emissionshandels sei nicht tot, aber in einer Krise, sagt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) im Hinblick auf das gestrige Nein des EU-Parlaments. Er werde beim EU-Ministerrat in Irland erneut dafür werben. Auswirkungen auf den Strompreis habe die Entscheidung nicht.

Peter Altmaier im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Wenn Fabriken das klimaschädliche Kohlendioxid produzieren, müssen Unternehmer dafür Verschmutzungsrechte kaufen. So sollen sie dazu gebracht werden, ihre Abgaswerte zu senken, um Geld zu sparen und das Klima zu schützen. Doch weil es derzeit zu viele dieser Papiere gibt, ist der Preis für die Zertifikate stark gesunken. Für die Industrie ist das ausgesprochen billig, CO2 in die Luft zu pusten. Um den Preis wieder anzuheben, kämpfte auch Bundesumweltminister Altmaier gemeinsam mit der EU-Kommission monatelang für eine Reform.

    O-Ton Peter Altmaier: "Dieser Emissionshandel funktioniert im Augenblick mehr schlecht als recht, weil es zu viele Zertifikate gibt, die sich im Markt befinden, und deshalb müssen wir die Zahl dieser Zertifikate reduzieren, damit die übrige Welt sieht, die Europäer meinen es ernst mit dem Emissionshandel und die Europäer tun etwas, um einen Anreiz für weniger CO2 zu setzen."

    Engels: Peter Altmaier vor einigen Monaten. – Doch genau das, diese Ablehnung, hat gestern das Europaparlament vollzogen. 900 Millionen Zertifikate werden nicht vom Markt genommen. Der Preis bleibt also im Keller.

    Am Telefon ist der Bundesumweltminister Peter Altmaier. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Ist damit das System des Emissionshandels für den Klimaschutz tot?

    Altmaier: Nein, es ist nicht tot, aber es ist in einer Krise. Das war gestern ein Rückschlag für den Klimaschutz in Europa. Und deshalb müssen wir jetzt gemeinsam mit allen Europäern überlegen, was wir tun können.

    Engels: Auch konservative Europaparlamentarier aus Deutschland haben gegen den Vorschlag gestimmt. Lässt also auch in der CDU der Wille für den Klimaschutz nach?

    Altmaier: Das Europäische Parlament insgesamt hat mit Mehrheit dagegen gestimmt, dabei waren auch Abgeordnete aus Osteuropa, aus neuen Mitgliedsstaaten, auch nicht nur konservative Abgeordnete. Sie haben allerdings gleichzeitig den Antrag nicht endgültig abgelehnt, sie haben ihn zurückverwiesen in die Ausschüsse. Das zeigt, dass auch die konservativen Abgeordneten dort sich sehr wohl der Problematik bewusst sind, dass sie nur der Auffassung sind, dass der jetzt vorgeschlagene und gewählte Weg nicht zielführend ist. Wir müssen darüber diskutieren. Ich persönlich glaube, dass wir mit dem Emissionshandel wirksam gegen Klimaveränderungen vorgehen können. Ich glaube auch, dass es ein marktwirtschaftliches Instrument ist, weil man einen Preis bezahlen muss für CO2. Das ist aus meiner Sicht besser als staatliche Regulierungen und Grenzwerte. Aber das kann man nur dann vertreten, wenn dieses System auch funktioniert, ein Vorbild für andere Länder ist, und das ist es augenblicklich eindeutig nicht.

    Engels: Aber es war ja als Zwischenlösung gedacht, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, die Preise für die Emissionen wieder etwas in die Höhe zu bringen. Aber wieso stimmen denn nun ausgerechnet auch deutsche CDU-Politiker dafür, dass Luftverschmutzungsrechte billig bleiben?

    Altmaier: Es ist so, dass darüber diskutiert wird, ob man in ein solches System, das ja marktwirtschaftlich ist, eingreifen soll, wenn es nicht funktioniert. Einige sagen, offenbar gibt es gar keinen Anlass, denn der Markt bestimmt Angebot und Nachfrage. Ich sage und die Kommission hat gesagt, nein, man hat seinerzeit zu viele kostenlose Zertifikate an die Unternehmen ausgegeben. Das hat dazu geführt, dass der Preis in den Keller gefallen ist, und das wiederum hat zur Folge, dass es keinen Anreiz gibt, CO2 einzusparen. Wir wollten ja gerade erreichen, dass Unternehmen vor allen Dingen im Kraftwerksbereich von sich aus weniger CO2 produzieren, und das wird nun eindeutig mit dem jetzigen System so nicht erreicht.

    Engels: Kommt in Europa der Klimaschutz nicht voran, weil die Bundesregierung im Vergleich zu früher deutlich weniger Druck macht?

    Altmaier: Nein, überhaupt gar nicht. Das Europäische Parlament ist ein eigenständiges Parlament. Wir haben zum Beispiel gesehen, dass die britische Regierung sich eindeutig hinter den Vorschlag der Kommission gestellt hat. Trotzdem hat ein Großteil der britischen Abgeordneten den Emissionshandel abgelehnt gestern, das sogenannte Backloading. Das Europäische Parlament ist längst kein Parlament mehr, das auf Knopfdruck funktioniert, wo man sagt, bitte entscheidet so oder so. Die diskutieren das in Brüssel vor Ort. Natürlich beteiligen wir uns daran und deshalb habe ich mit insgesamt sechs Kollegen einen Brief geschrieben an alle Abgeordneten. Der ist sehr positiv aufgenommen worden. Einige haben auch daraufhin ihr Stimmverhalten überprüft und geändert. Es hat am Ende allerdings knapp nicht gereicht, es waren wenige Stimmen, die gefehlt haben. Deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten Monaten noch zu einer anderen Entscheidung kommen können.

    Engels: Sie sagen, Sie können dem Europäischen Parlament nichts diktieren. Aber die Bundesregierung selbst ist sich ja nicht einig. Beispielsweise hat Wirtschaftsminister Rösler von der FDP begrüßt, dass das Europäische Parlament diesen Vorschlag gestern abgelehnt hat.

    Altmaier: Ja, da ist er nicht der Einzige. Es gibt auch Minister in Polen und in anderen Ländern, die das begrüßt haben. Ich bin wiederum ebenfalls nicht isoliert. Die Linien verlaufen hier nicht nach Parteipolitik, sondern es gibt ganz unterschiedliche Auffassungen, wie man mit diesem Ergebnis umgeht.

    Engels: Aber im Endeffekt blockiert sich die Bundesregierung selbst?

    Altmaier: Die Bundesregierung, um das noch mal zu sagen, hat bisher noch keine gemeinsame Auffassung. Die ist allerdings auch erst dann gefordert, wenn das Europäische Parlament sich festgelegt hat, weil erst dann die europäischen Regierungen ins Spiel kommen und sich eine eigene Meinung für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament bilden müssen.

    Engels: Wann rechnen Sie denn nun mit einem Beschluss im Europäischen Parlament, wenn Sie so optimistisch sind, dass das noch kommt?

    Altmaier: Wir haben in der nächsten Woche einen Ministerrat der Umweltminister in Irland. Dort werde ich gemeinsam mit meinen Kollegen über das weitere Vorgehen diskutieren. Für mich steht fest, dass wir auf jeden Fall den europäischen Klimaschutz stärken müssen. Es geht darum, dass wir gegenüber Ländern wie China, Indonesien, Indien und vielen anderen deutlich machen, dass man nicht Wirtschaftswachstum auf Kosten der Umwelt erreichen kann, sondern dass die Wirtschaft insbesondere auch dort gut wächst, wo der Umweltschutz und der Klimaschutz in guten Händen sind. Das haben wir in Deutschland oft genug gesehen und deshalb muss Europa in dieser Frage vorangehen und darf gegenüber anderen Regionen in der Welt nicht die falschen Signale aussenden.

    Engels: Der Beschluss gestern kann auch sehr konkrete Folgen für Deutschland haben, denn hierzulande wird das Geld, das mit dem Emissionshandel eingenommen wird, ja dafür verwendet, höhere Kosten für den Ökostrom zu drücken. Erwartete Zusatzeinnahmen fallen nun aus. Wird deshalb die Ökostromumlage, die ja die Verbraucher über den Strompreis zahlen müssen, noch weiter steigen?

    Altmaier: Nein, das ist so nicht richtig. Man muss unterscheiden. Durch die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel haben wir in Deutschland viele wichtige Umwelt- und Klimaprojekte finanziert. Dieses Geld hat in diesem Jahr gefehlt. Wir haben aber im Haushalt, im laufenden Bundeshaushalt dafür eine Lösung gefunden, sodass alle die Projekte, die bis in der letzten Woche noch fraglich schienen, wie geplant finanziert werden können. Das gilt insbesondere für das wichtige Projekt einer Speicherförderung für Fotovoltaik-Anlagen. Das wird ab 1. Mai wie geplant geschehen.

    Engels: Die Projekte kommen also in Gang. Schließen Sie aber aus, dass mittelfristig nicht auch die Ökostromumlage weiter steigt, weil da einfach Gelder nicht hereinkommen?

    Altmaier: Das hat mit diesem Backloading wenig zu tun. Ich habe im Januar eine Strompreisbremse vorgeschlagen, um die Bürgerinnen und Bürger vor genau diesem Anstieg zu schützen. Das ist leider bislang am Widerstand von SPD und Grünen in den Bundesländern gescheitert. Ich halte das für hoch problematisch, weil ich glaube, dass wir auch eine Verantwortung als Politiker dafür haben, dass die Erhöhungen der Strompreise durch die Energiewende in einem erträglichen Ausmaß bleiben.

    Engels: Viele Experten sagen, dass der Emissionshandel generell in einer Sackgasse steckt und Europa nicht mehr vorangeht, was den Klimaschutz angeht. Was halten Sie ihnen entgegen?

    Altmaier: Ich sage zunächst einmal, dass wir in den letzten Jahren viel erreicht haben. Wir sind allerdings seit etwa vier Jahren, seit dem großen Klimagipfel in Kopenhagen, der seinerzeit gescheitert ist, an vielen Stellen nicht wirklich vorangekommen. Das hängt damit zusammen, dass es in vielen Ländern der Welt Konjunktur- und Wirtschaftskrisen gegeben hat. Es hängt auch damit zusammen, dass der internationale Konkurrenzkampf härter geworden ist. Ich kann aber nur davor warnen, diesen internationalen Konkurrenzkampf so zu führen, dass man mehr CO2 produziert, das Klima weniger schützt. Das wäre eine kurzsichtige Politik, für die wir alle in den nächsten Jahren dann einen hohen Preis bezahlen müssten.

    Engels: Und Herr Rösler ist da Ihrer Meinung?

    Altmaier: Ich bin mir mit Philipp Rösler einig, dass wir Klimaschutz wollen. Wir streiten manchmal über den richtigen Weg. Aber auch hier werde ich als Umweltminister weiter dafür eintreten, dass die Bundesregierung bei den Ländern ist, die vorangehen beim Klimaschutz, und nicht bei denen, die hinterherhinken.

    Engels: Peter Altmaier, der Bundesumweltminister von der CDU, im Gespräch im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch.

    Altmaier: Ich danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.