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Altmaier in Kiew und Moskau
Die Pipeline als Politikum

Die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2 ist längst nicht mehr nur ein unternehmerisches Großprojekt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist aktuell in Kiew und ab Dienstag in Moskau, um über ein politisches Gesamtkonzept für die Pipeline zu beraten. Keine leichte Aufgabe.

Von Theo Geers |
    Peter Altmaier spricht im Mai 2016 in Berlin.
    Es gibt viele Bedenken gegen die geplante Gaspipelien Nord Stream 2, die Peter Altmaier bei seiner Reise nach Kiew und Moskau durch ein Gesamtkonzept lösen möchte (imago / Xinhua)
    Peter Altmaier will heute in Kiew und ab Dienstag in Moskau vor allem eins: Kompromisse ausloten. Kompromisse, die Wladimir Putin und Angela Merkel dann Ende der Woche bei ihrem Treffen in Sotchi verkünden könnten. Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Pipeline-Projekt Nordstream 2. Die Gaspipeline soll wie ihre Vorgängerin Nord Stream 1 von Sankt Petersburg durch die Ostsee nach Greifswald führen und ab 2020 jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren können. Lange hatte die Bundesregierung gebetsmühlenhaft betont, die neue Pipeline sei ein unternehmerisches Vorhaben, in das die Politik sich nicht einmische. Das aber hat sich zuletzt geändert, die politische Dimension von Nord Stream 2 lässt sich nicht länger ausblenden. Deshalb geht es nun um ein Gesamtkonzept, das unterschiedlichste Interessen miteinander in Einklang bringen soll, so Peter Altmaier vor dem Abflug nach Kiew.
    "Es geht mir darum, dass wir in den energiepolitischen Umbrüchen, vor denen wir stehen, ein Gesamtkonzept finden, mit dem alle Staaten in der EU, mit dem Russland und die Ukraine, leben können."
    Ukraine-Konflikt könnte eskalieren
    In Kiew geht es bei der Suche nach einem Gesamtkonzept zunächst darum, die Sorgen der Ukraine aufzugreifen. Das Land fürchtet, abgehängt zu werden. Wenn Nord Stream 1 und 2 in Betrieb sind, könnten die bisher genutzten Pipelines, die über ukrainisches Territorium führen, nicht mehr oder kaum noch gebraucht werden. So hatte es aus Moskau auch immer wieder geklungen. Der mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfenden Ukraine entgingen so Transitgebühren von jährlich zwei Milliarden Dollar. Dazu die politische Dimension: Eine Eskalation des Konflikts mit Russland um die Krim und die Ostukraine wird derzeit aus Sicht der Regierung in Kiew auch dadurch verhindert, dass Russland noch vom Gastransit durch die Ukraine abhängig ist. Fiele das nach Fertigstellung der Ostseepipeline weg, könnte dies auch den Konflikt in der Ostukraine weiter anheizen.
    Keine einfache Mission
    Nach dieser Lesart bleibt nur noch ein kleines Zeitfenster bis zur Fertigstellung von Nord Stream 2, um eine für die Ukraine erträgliche Lösung zu finden. Die müsste allerdings auch in Moskau, der zweiten Station auf Altmaiers Reise, Gefallen finden. Keine einfache Mission für den Bundeswirtschaftsminister, zumal weitere Aspekte zu berücksichtigen sind. An dem Milliarden-Projekt des russischen Gazprom-Konzerns sind über die Finanzierung auch deutsche Konzerne wie Wintershall und Uniper beteiligt. Die Röhren sind bereits produziert, aber der Baubeginn verzögert sich; die EU-Kommission lehnt das Projekt weiterhin ab unter anderem aus Furcht vor einer zu großen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Daneben spaltet Nord Stream die EU-Staaten in Länder wie Deutschland, die das Projekt de facto wollen, und Länder wie Polen oder die baltischen Länder, die sich umgangen fühlen. Auch den USA ist die Röhre ein Dorn im Auge, weil die Europäer und allen voran die Deutschen neue Geschäfte mit Putins Russland eingehen, während die USA gerade neue Sanktionen verhindern. Wie damit umgehen – auch das will Altmaier in Moskau klären.
    "Es geht darum, die Energieversorgung Europas zu sichern, dazu gehört eben auch, die Sicherung der Interessen der Ukraine, dazu gehört, jenseits von Meinungsverschiedenheiten, die es gibt, mit Russland Vereinbarungen zu schließen, wie wir die nächsten Schritte in den nächsten Jahren machen."
    Heißt übersetzt: Deutschland will mit Russland im Geschäft bleiben – da wo es möglich ist, ohne dabei politische Differenzen unter den Tisch kehren.