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Altmaier: Krise kann nur durch Stabilität überwunden werden

Eurobonds lenkten von der Notwendigkeit ab, dass die einzelnen Staaten ihre Haushalte konsolidieren müssten, so der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Peter Altmaier. Ziel sei eine Stabilitätsunion, und das müsse auch in den geplanten Änderungen der EU-Verträge festgeschrieben werden.

Peter Altmaier im Gespräch mit Christoph Heinemann | 02.12.2011
    Christoph Heinemann: Kein Zufall, dass sich der französische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin mit nur geringem zeitlichem Abstand zu Europa äußern: Angela Merkel heute in einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag, Nicolas Sarkozy gestern Abend in der Hafenstadt Toulon. Dort sprach er und erklärte seinen Zuhörern erst einmal den Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland.
    Am Telefon ist Peter Altmaier (CDU), der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Altmaier, Nicolas Sarkozy hat angekündigt, am Montag wolle er zusammen mit Angela Merkel Vorschläge für die Zukunft Europas vorstellen. Wohin geht die Reise?

    Altmaier: Aus unserer Sicht ist klar, dass wir ein deutliches Signal der Entschlossenheit der Europäer geben müssen, diese Krise zu überwinden, dass wir auch die Prinzipien benennen müssen, nämlich wir wollen endlich eine Stabilitätsunion in ganz Europa Wirklichkeit werden lassen. Das muss in den Vertragsänderungen, die wir anstreben, deutlich werden. Sie haben ja gesehen, dass auch der französische Präsident darüber mit seinen Zuhörern offen geredet hat. Das ist ein schwieriger Prozess. Wir glauben aber, es geht hier nicht um deutsche oder um französische Interessen, sondern darum, was die letzten 60 Jahre gezeigt haben, dass diejenigen Länder dauerhaft größeren wirtschaftlichen Erfolg haben, die sich an Stabilitätskriterien orientieren.

    Heinemann: Herr Altmaier, Sie haben gehört, was der Präsident gesagt hat: Alle stehen füreinander ein, Eurobonds ja, automatische Sanktionen nein. Da ist aber noch viel zu tun bis Montag!

    Altmaier: Nun, wir haben wiederholt klar gemacht, auch aus Sicht des Deutschen Bundestages, dass wir Eurobonds in der gegenwärtigen Integrationsphase nicht für die richtige Antwort halten, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie von der Notwendigkeit ablenken, dass wir in unseren Ländern die Hausaufgaben machen. Wir sind in Deutschland seit einigen Jahren dabei, unsere Haushalte zu konsolidieren. Nicolas Sarkozy hat gestern gesagt, wir müssen in Europa eine Entschuldung erreichen, und das geht natürlich nur mit eiserner Disziplin in den jeweiligen nationalen Haushalten. Da kann es keine leichten Lösungen geben. Deshalb glaube ich, dass die Diskussion sich sehr schnell darauf konzentrieren wird, wie wir es schaffen können, dass die Dinge, die jetzt schon in den Verträgen drinstehen, in Zukunft auch durchgesetzt werden können, wie der Europäische Gerichtshof mehr Kompetenzen bekommt, wie wir es erreichen, dass zu einem frühen Zeitpunkt klar wird, wenn ein Land in den Schuldenstaat marschiert, dass dies mit europäischen Regeln nicht vereinbar ist. Dass wir zur Solidarität bereit sind, haben wir übrigens in den letzten Monaten immer wieder und wiederholt gezeigt, und deshalb glaube ich, wir sollten jetzt nicht über Eurobonds reden, sondern wir sollten über die Dinge reden, die Europa voranbringen.

    Heinemann: Wer sagt’s Herrn Sarkozy?

    Altmaier: Wir sind in einem sehr guten Gespräch und wir haben es bisher immer geschafft, bei allen wesentlichen Entscheidungen auf europäischer Ebene in den letzten 15 Monaten zu deutsch-französischen Positionen zu kommen. Das ist ja mit eine der Erfolgsvoraussetzungen europäischer Politik. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, bis zum Gipfel in der nächsten Woche mit unseren französischen Freunden zu einer gemeinsamen Position zu finden. Wir sind ja auch auf Ebene des Bundestages in Gesprächen mit unseren französischen Partnern und ich glaube, es gibt sehr viel mehr, was uns eint, als das, was im Augenblick noch ausgeglichen werden muss.

    Heinemann: Vielleicht ist Ihr Optimismus berechtigt. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, Frau Merkel sei bereit, weitere Ankäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank hinzunehmen. Will sie?

    Altmaier: Das ist, glaube ich, ein falscher Akzent. Wir haben immer gesagt, wir wollen die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank respektieren. Das bedeutet, dass wir ihre Aktionen nicht kommentieren und kritisieren, sondern die Europäische Zentralbank muss im Rahmen ihrer Zuständigkeiten handeln und die Europäische Zentralbank ist durch die europäischen Regeln der Stabilität verpflichtet. Ich glaube, dass sie diese Balance bisher sehr eindrucksvoll auch hinbekommen hat, und ich bin zuversichtlich, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.

    Heinemann: Herr Altmaier, heißt das konkret, die EZB kann munter weiter Staatsanleihen kaufen?

    Altmaier: Um es ganz klar zum Ausdruck zu bringen: Wir haben ja in den letzten Wochen mit angelsächsischen Vorschlägen zu tun gehabt, die gesagt haben, ihr müsst die EZB dazu benutzen, neues Geld zu schöpfen und in großem Maßstab, ich sage mal, Geld zu drucken. Das war nicht unsere Position, das ist nicht unsere Position und ich glaube, dafür wird es auch in Deutschland keine Unterstützung geben.

    Heinemann: Da sagen Sie igitt?

    Altmaier: Ich sage, das ist etwas, was beispielsweise in den USA dazu geführt hat, dass der Dollar über die letzten Jahre sehr viel von seinem Außenwert verloren hat, und das ist etwas, was mit unseren deutschen Stabilitätsvorstellungen nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Im Übrigen hat Nicolas Sarkozy gestern darauf hingewiesen, dass das Erlebnis der großen Inflation nach dem Ersten Weltkrieg sehr nachhaltig in unserem kollektiven Gedächtnis verankert ist und dass wir deshalb sehr vorsichtig mit solchen Vorschlägen umgehen und dass es dafür bei uns keine Unterstützung gibt.

    Heinemann: Nun ist das eine deutsche und nicht unbedingt eine französische Befindlichkeit. Die Methode lautet einmal mehr deutsch-französischer Alleingang, friss Europa oder stirb?

    Altmaier: Es ist so, dass immer von Deutschland und Frankreich Führung eingefordert wird. Wenn wir diese Führung dann an den Tag legen, dann gibt es natürlich auch wieder welche, die das nicht in allen Punkten für richtig und wünschenswert finden. Ich glaube, wir sind im Augenblick in einem schwierigen Prozess, wo Europa seine Ausgangspositionen bestimmt für die Vertragsänderungen und für die großen Veränderungen, die wir brauchen. Wir werden im Deutschen Bundestag heute deutlich machen, dass wir den Kurs von Angela Merkel unterstützen. Wir werden deutlich machen, dass dieser Kurs die konsequente Fortsetzung ist dessen, was sie in den letzten Monaten in ihrer Politik getan hat. Und wir hoffen im Übrigen, dass die positiven Signale, die von den Märkten gestern gekommen sind, sich verstetigen und fortsetzen. Mein Eindruck ist, wir dürfen nicht jede Woche ein neues Thema hochziehen, wir dürfen nicht immer nach der großen Lösung mit der Bazooka rufen, sondern wir müssen auch mal als Politiker den Mut haben, konsequent und beharrlich das zu tun, was wir für richtig halten. Das wird seinen Eindruck auf die Märkte nicht verfehlen.

    Heinemann: Und dies, Herr Altmaier, erfordert ja ein gewisses Fingerspitzengefühl. Nicht nur in Griechenland, auch in anderen traditionell freundlich gesinnten Staaten wie Portugal und anderen werden die Deutschen zunehmend als angriffslustig und hochnäsig empfunden. Verspielt Angela Merkel das Vertrauen, das Helmut Kohl aufgebaut hat?

    Altmaier: Ich war ja schon im Deutschen Bundestag, als wir damals den Vertrag von Maastricht umgesetzt hatten, und es gab exakt die gleichen Debatten, als Theo Waigel und Helmut Kohl auf dem Stabilitätspakt bestanden haben, weil es eben historisch gesehen in Europa unterschiedliche Vorstellungen gegeben hat. Die Deutschen standen dabei übrigens nie alleine, es gab immer eine Reihe von anderen Ländern, die das ganz ähnlich gesehen haben. Aber es war ein Ringen um die grundlegenden Prinzipien. Das ist eigentlich in einer Europäischen Union, wo unterschiedliche Parteien, unterschiedliche Strömungen Politik gestalten, ganz normal. Entscheidend ist, dass Europa am Ende die Kraft hat, sich zu einem deutlichen Signal durchzuringen. Das ist die große Herausforderung für die nächste Woche und davon wird natürlich auch abhängen, wie die Märkte dann reagieren und ob sie Vertrauen in unsere Handlungsfähigkeit finden.

    Heinemann: Bleiben wir noch mal beim Stil. "Europa spricht Deutsch!" – so was hätte Helmut Kohl nie im Leben gesagt, nie im Leben.

    Altmaier: In vielen Veranstaltungen Mitte der 90er-Jahre auf die Frage, ob der Euro ein Deutscher oder ein Italiener ist, habe ich gesagt, der Euro ist ein Europäer und er spricht auch Deutsch. Ich glaube, dass wir diese Debatten so nehmen müssen wie sie sind, nämlich als Versuche, auch Politik im Inland und vor einem Publikum zu erklären. Wir müssen manchmal auch deutliche und einprägsame Bilder wählen. Aber klar ist: Deutschland steht zu seiner europäischen Verpflichtung, und das wird von niemandem in unserer Partei und Fraktion infrage gestellt.

    Heinemann: Ihr Parteifreund Karl Lamers, der Co-Autor des Lamers-Schäuble-Papiers über Kerneuropa, hat einmal formuliert, "Wir müssen führen, aber ohne, dass es jemand merkt". Angela Merkel ist sehr deutsch und im Moment sehr laut.

    Altmaier: Diese Debatte finde ich theoretisch und auch nicht sehr zielführend. Es gab Monate …

    Heinemann: Sie müssen die anderen Staaten ja mitnehmen, Herr Altmaier. Darum geht es doch.

    Altmaier: …, in denen gesagt wurde, die Deutschen müssen mehr führen, die Deutschen führen zu wenig. Wenn wir Vorschläge auf den Tisch legen, dann heißt es, die Deutschen führen zu stark und zu deutlich. Es ist einfach so, dass wir uns in einer entscheidenden Phase befinden, dass im Augenblick die Weichen gestellt werden. Mein Eindruck ist, Angela Merkel ist in der Europäischen Union akzeptiert als jemand, der einen glaubwürdigen Kurs fährt zwischen Solidarität und Eigenverantwortlichkeit, und genau das ist die Herausforderung für die nächsten Tage.

    Heinemann: Peter Altmaier, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Altmaier: Ich danke Ihnen, Herr Heinemann.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Linktipp:
    Sammelportal dradio.de: Euro in der Krise