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Altmaier: Mehr Bürgerbeteiligung als üblich

Das Bürgerforum zum Endlagersuchgesetz sei eine sinnvolle Ergänzung zum gesetzgeberischen Verfahren, findet Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Das Interesse an der auf Drängen der Grünen einberufenen Veranstaltung sei groß. Einzelne Umweltverbände kritisieren das Forum jedoch als Alibiveranstaltung.

Peter Altmaier im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Mehrere Umweltschutzorganisationen haben also ihre Teilnahme an dem Bürgerforum, das heute beginnt, abgesagt. Und ich konnte Bundesumweltminister Altmaier von der CDU selbst fragen, ob er die Kritik ernst nimmt!

    Peter Altmaier: Zunächst einmal: Es haben sehr viele Bürgerorganisationen auch zugesagt, und Umweltverbände. Wir haben eine sehr gute Beteiligung. Im Übrigen, dieses Bürgerforum war ein ausdrücklicher Wunsch der Opposition, insbesondere von Bündnis 90/Die Grünen. Ich bin diesem Wunsch nachgekommen. Und ich glaube, dass es richtig und notwendig ist, dass man den Menschen Gelegenheit gibt, sich einzubringen, Fragen zu stellen, ihre Auffassung zu sagen, Vorschläge zu machen. Das soll mit diesem Bürgerforum geschehen und deshalb ist es gut, dass es stattfindet.

    Klein: Sie haben aber noch kein Wort jetzt verloren über die Kritik, die von einigen ja nicht ganz unwichtigen Verbänden geäußert wurde. Man muss sich zum Beispiel bis Donnerstagnachmittag dort anmelden. Herausgekommen sind jetzt für jeden Teilnehmer fünf Minuten Redezeit. Halten Sie das für angemessen?

    Altmaier Die Kürze der Redezeit hängt damit zusammen, dass es sehr viele Teilnehmer gibt, die kommen. Das ist der beste Beleg, dass die Behauptung, die meisten Organisationen hätten abgesagt, nicht stimmt. Wir haben ein riesiges Interesse und wir müssen da natürlich mit der zur Verfügung stehenden Zeit so umgehen, dass möglichst alle zu Wort kommen. Denn ich fände es nicht gut, wenn wir Organisationen und Vertreter einladen, denen aber nicht die Möglichkeit geben, sich zu Wort zu melden. Im Übrigen, wir haben viele Debatten im Deutschen Bundestag, im Europäischen Parlament, wo die Redezeit auch nicht länger als fünf Minuten pro Abgeordneter ist. Im Europäischen Parlament ist die Redezeit grundsätzlich sogar nur drei Minuten. Das heißt, wir haben es immer damit zu tun, dass wir eine knappe Zeit so einteilen müssen, dass möglichst viele zu Wort kommen und sich einbringen können.

    Klein: Ein Argument lautet allerdings auch, zwei Jahre habe die Politik ohne Bürgerbeteiligung beraten. Nun bekommen die Verbände ungefähr 48 Stunden zur Kommentierung des Gesetzes und dürfen folgenlos ihre Meinung sagen. Ist das eventuell wirklich etwas zu wenig?

    Altmaier Nein, das ist polemisch und völlig unsachlich. Richtig ist, dass es anderthalb Jahre gedauert hat, bis wir den Gesetzentwurf vereinbart haben. Das lag aber daran, dass SPD und Grüne gebeten hatten, vor der Landtagswahl in Niedersachsen keine Entscheidung zu treffen. Es lag auch daran, dass nach der Landtagswahl Rot-Grün darum gebeten hatte, die Regierungsbildung in Niedersachsen abzuwarten. Wir haben dann unmittelbar nach dieser Regierungsbildung die letzten Gespräche geführt, wir haben einen überzeugenden, wie ich finde, Gesetzentwurf vorgelegt. Und der wird nun ausführlich beraten. Wir haben ein parlamentarisches Verfahren ohne Fristverkürzung. Es wird neben diesem Bürgerdialog auch noch alle vorgeschriebenen Anhörungen geben im Deutschen Bundestag, alle Ausschussberatungen werden stattfinden. Und dann, wenn das Gesetz verabschiedet ist, werden wir eine zweijährige Phase haben, wo eine gemeinsame Bund-Länder-Kommission zusätzlich öffentlich tagen wird und damit den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, sich einzubringen.

    Klein: Aber es bleibt ja dabei, dass den Verbänden und den Bürgern – um die geht es ja jetzt gerade, nicht so sehr um die Abgeordneten –, dass denen tatsächlich 48 Stunden zur Kommentierung und zum Einbringen ihrer Gedanken gegeben werden. Sie halten das für ausreichend?

    Altmaier Entschuldigen Sie, ich möchte auf Folgendes hinweisen: Dieses Bürgerforum findet statt, weil wir dieses Gesetz für so wichtig halten. Bei allen anderen Gesetzen gibt es solche Foren überhaupt gar nicht. Der Deutsche Bundestag verabschiedet viele Gesetze, der Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie beispielsweise ist verabschiedet worden ohne ein solches Bürgerforum. Die Bankenrettung, die EU-Rettungsprogramme - bei all diesen Gesetzgebungsverfahren gibt es die normalen Ausschussberatungen, die normalen Anhörungen. Die gibt es in diesem Fall auch, und zwar ohne Fristverkürzung. Und wir haben auf Wunsch von Bündnis 90/Die Grünen, ich sage es noch einmal, auf Wunsch von Jürgen Trittin gesagt, wir wollen dann zusätzlich noch, weil dieses Thema so stark umstritten war, ein Bürgerforum vorschalten. Das ist etwas, was es bei kaum einem anderen Gesetz bisher jemals gegeben hat. Und deshalb finde ich, dass es eine positive Veranstaltung ist, und das sollte man auch so zum Ausdruck bringen.

    Klein: Also, eine Kritik war ja eben: positive Veranstaltung, aber Alibiveranstaltung. Geben Sie uns ein Beispiel, Herr Altmaier, inwiefern haben denn die Bürgerinnen und Bürger, die teilnehmenden Verbände in diesen Tagen tatsächlich Gelegenheit für Mitsprache und dafür, tatsächlich an dem Gesetzentwurf noch etwas zu ändern?

    Altmaier Nun, der Gesetzentwurf ist ja in der letzten Sitzungswoche im Bundestag eingebracht worden von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen. Er wird parlamentarisch beraten, das habe ich eben schon gesagt, und dann müssen die Fraktionen, die ihn eingebracht haben, gemeinsam entscheiden, ob und welche Anregungen aus diesem Bürgerforum sie aufnehmen und in den Gesetzentwurf einfügen. Peter Struck hat mal gesagt, kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. Das wird dann aber nicht von der Bundesregierung entschieden, das wird nicht von mir entschieden, das wird von den Parteien des Deutschen Bundestages gemeinsam besprochen und gemeinsam entschieden.

    Klein: Den Bürgern bleibt im Grunde genommen die Hoffnung auf die Fraktionen im Deutschen Bundestag, dass die eine oder andere dann die eine oder andere Anregung aufgreifen wird, aber die Entscheidung liegt dort?

    Altmaier Die Entscheidung bei Gesetzgebungsvorverhandlungen liegt immer bei den Fraktionen des Deutschen Bundestages. In dem Augenblick, wo die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat, wird er von den Fraktionen des Deutschen Bundestages beraten. Und die Fraktionen des Deutschen Bundestages entscheiden, wie er verabschiedet wird. Das ist der Kern unserer parlamentarischen Demokratie, das war noch nie anders. Und deshalb bin ich verwundert, dass der Umstand, dass wir mehr Bürgerbeteiligung haben als üblich, nun dazu führt, dass von einigen Verbänden Kritik geübt wird. Man muss sehen, dass es einige Verbände gibt, die nicht wollen, dass ein Endlagersuchgesetz zustande kommt, die nicht wollen, dass es im parteipolitischen Konsens gelöst wird. Dann kann ich nachvollziehen, dass diese Verbände Kritik äußern. Verstehen, und billigen kann ich das nicht.

    Klein: Ein weiterer Diskussionspunkt, Sie hatten es gerade angedeutet: Es soll eine Bund-Länder-und-Experten-Kommission geben, beim Bundestag angesiedelt, und genau das hat Bundestagspräsident Lammert ja kürzlich kritisiert. Lammert, der Ihrer Partei, der CDU auch angehört. Er will keine neue Behörde beim Bundestag haben, er glaubt, dass es eine klare Ressortzuständigkeit da gibt. Haben Sie sich mit Ihm inzwischen geeinigt?

    Altmaier Nein, es geht nicht darum, ob ich mich mit dem Bundestagspräsidenten einige. Ich hatte seinerzeit vorgeschlagen, dass wir es anbinden beim Bundesinnenministerium, weil wir gerne helfen, diese Kommission arbeitsfähig zu machen. Es war aber der Wunsch der Bundesländer, der Wunsch der übrigen Bundestagsfraktion, insbesondere von SPD und Grünen, es beim Deutschen Bundestag anzubinden. Wir haben den Gesetzentwurf so eingebracht, wie er ist, und auch hier gilt: Wie er am Ende verabschiedet wird, entscheiden die Fraktionen im Konsens. Und deshalb wird der Bundestagspräsident sicherlich die Gelegenheit nutzen, seine Auffassung den übrigen Fraktionen vorzustellen und vorzulegen. Die müssen dann entscheiden, wie sie damit umgehen.

    Klein: Auch die Länder, die ja noch bis zur Sommerpause zustimmen sollen, sehen da Redebedarf. Und es ist nicht der einzige Streitpunkt, der noch gelöst werden muss, bevor das Endlagersuchgesetz vom Bundesrat tatsächlich verabschiedet wird: Niedersachsen etwa kritisiert zum Beispiel, um bei diesem Punkt zu bleiben, die Zusammensetzung der Kommission. Zu viele unkritische Wissenschaftler, sagt die rot-grüne Landesregierung dort. Sind Sie bereit, wären Sie bereit, der Aufforderung der niedersächsischen rot-grünen Landesregierung zuzugehen, um einen Streitpunkt auszuräumen?

    Altmaier Ich weiß nicht, was der niedersächsischen Landesregierung im Einzelnen missfällt. Denn wir hatten die Zusammensetzung dieser Kommission einvernehmlich auf Wunsch von Niedersachsen mit den 16 Bundesländern am 9. April diskutiert und beschlossen. Wenn Niedersachsen das in der einen oder anderen Richtung verändern möchte, dann muss man darüber sprechen. Aber ich hatte damals diesen Vorschlag gemeinsam mit Herrn Weil und Herrn Wenzel von Niedersachsen ausgearbeitet und es kommt mir darauf an, dass die niedersächsische Regierung in dieser Frage mit ihren Auffassungen Berücksichtigung findet. Deshalb werde ich mir anschauen, wenn es Vorschläge gibt, was die im Einzelnen sind. Aber das sind, soweit ich weiß, im Augenblick Initiativen im Bundesrat. An mich persönlich sind sie nicht herangetragen worden.

    Klein: Und es geht auch noch mal um erhebliche Summen: Zwei Milliarden, so die Schätzung für die Endlagersuche, dann die Baukosten. Die Frage ist, wer übernimmt die? Die Atomkonzerne haben da mit Verweis auf ihre bisherigen Investitionen bereits abgewunken, zumindest teilweise abgewunken. Gibt es in dieser Frage schon Bewegung?

    Altmaier Es gibt eine Einigung zwischen allen beteiligten Bundesländern und Fraktionen, dass die Kosten für die Endlagersuche, so wie das gesetzlich vorgesehen ist, von den Betreibern der Kernkraftwerke zu übernehmen sind.

    Klein: Abschließend, Herr Altmaier: Die Einigung soll bis 13. Juni stehen, bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin. Gehen Sie davon aus, dass der Termin gehalten wird und Anfang Juli der Bundesrat über das Gesetz abstimmen wird?

    Altmaier Wir haben noch einige wichtige Fragen, die endgültig gelöst werden müssen. Ich gehe aber davon aus, dass bei allen Beteiligten der Wille zur Lösung eindeutig vorhanden ist. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir in den nächsten 14 Tagen mit ernsthaften Gesprächen erreichen können, dass insbesondere die Frage der endgültigen Lagerung der 26 Castortransporte, die nicht mehr nach Gorleben gehen sollen, und einige damit zusammenhängende Fragen so geklärt werden, dass wir das Gesetz mit breiter Mehrheit verabschieden können.

    Klein: Bundesumweltminister Peter Altmaier von der CDU im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Das Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.