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Altmaier zu US-Sanktionen gegen Iran
Schadenbegrenzung für die deutsche Wirtschaft

Die Bundesregierung hält am Atom-Abkommen mit dem Iran fest. Die USA verhängen neue Sanktionen, die auch das Engagement deutscher Unternehmen im Iran betreffen könnten. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte im Dlf, man sei bereit, mit den Firmen zu beraten, wie sich negative Folgen begrenzen lassen.

Peter Altmaier im Gespräch mit Silvia Engels |
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) (imago / Thomas Trutschel)
    Silvia Engels: Das von US-Präsident Trump verlassene Atomabkommen mit dem Iran hat den Zweck, Teheran vom Bau einer Atombombe abzuhalten, das ist bekannt. Daneben schwingt aber auch gerade bei den Europäern der Versuch mit, den Iran per wirtschaftlicher Annäherung gegenüber dem Westen schrittweise von einem kooperativen Kurs zu überzeugen. Dieser Weg droht nun durch neue US-Sanktionen zu scheitern. Doch noch sind zahlreiche europäische Firmen im Iran tätig. Am Telefon ist nun Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister, und er gehört der CDU an. Guten Morgen, Herr Altmaier!
    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Engels!
    Engels: Ein gemeinsames Vorgehen der EU mit Russland und China, um die Rechtssicherheit zu stärken und die Wirtschaft im Iran zu halten: Ist das ein Weg, den Sie mitgehen?
    Altmaier: Es ist zunächst einmal so, dass dieses Abkommen, das von den USA gekündigt worden ist, ja von den Europäern, von Deutschland, Frankreich und Großbritannien, von Russland und China weiterhin Bestand hat. Wir haben zum Ausdruck gebracht, wir wollen dieses Abkommen fortsetzen, weil wir weiterhin wollen, dass der Iran keine Atomwaffen entwickelt. Ob der Iran dazu bereit ist, das wird in Gesprächen zu diskutieren sein. Ich glaube, es gibt ein Interesse auch für den Iran, die Zusammenarbeit und die Einbindung mit möglichst vielen anderen Ländern aufrechtzuerhalten. Und deshalb dürfen wir nicht voreilig dieses Abkommen für gescheitert erklären.
    "Negative Folgen für Arbeitsplätze in Deutschland vermeiden"
    Engels: Der Iran macht ja sehr konkrete Forderungen auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jedenfalls mit dem iranischen Präsidenten Rohani ja telefoniert, und laut iranischen Angaben hat Rohani darin konkret gefordert, die Probleme mit den europäischen Banken zu lösen, damit der iranische Öl- und Gasverkauf reibungslos verlaufen könne. Also, engere Finanzbeziehungen Richtung Teheran - sollen die deutschen Banken sich hier stärker engagieren?
    Altmaier: Es ist nicht meine Aufgabe, öffentlich Ratschläge zu geben. Wir befinden uns ja ganz am Anfang einer Diskussion darüber, was die wirtschaftlichen Auswirkungen sind, wie man negative Folgen für Arbeitsplätze in Deutschland vermeiden kann, und das hat zwei Aspekte. Das eine ist der Aspekt, den Sie angesprochen haben: Gibt es Bereiche, wo wir eine Zusammenarbeit so entwickeln können, dass sie unserem Ziel, den Iran von der Atomwaffenproduktion abzuhalten, näher kommen. Und die zweite Frage ist, welche Bereiche sind genau von amerikanischen Sanktionen betroffen , was bedeutet das für deutsche und europäische Unternehmen. Hier arbeiten wir gemeinsam mit der Europäischen Union und der Europäischen Kommission. Wir möchten gern Rechtssicherheit, soweit dies möglich ist. Wir sind bereit, mit allen betroffenen Unternehmen darüber zu reden, was wir tun können, um die negativen Folgen nach Möglichkeit zu begrenzen. Das heißt, es geht konkret um Schadensbegrenzung.
    "Negative Effekte auch für Entwicklung der Weltwirtschaft"
    Engels: Schadensbegrenzung – wir haben auf der anderen Seite aber auch diese sehr konkreten Forderungen ja gehört, auch zum Beispiel aus der deutschen Wirtschaft. Wir haben den stellvertretenden Geschäftsführer der DIHK gehört, der noch einmal deutlich macht, man sollte auch den USA deutlich machen, man könne sich auch mit Sanktionen, die WTO-kompatibel sein sollen, wehren, um eben diese Sanktionsdrohungen nicht einseitig stehen zu lassen.
    Altmaier: Ich glaube, alle Beteiligten wissen, welche Möglichkeiten es gibt. Wir haben die Gespräche auch mit den USA als Europäer selbstbewusst geführt. Es ist jetzt ja auch deutlich geworden, die Bundeskanzlerin, der französische Präsident, sie haben ja in ihren Gesprächen in Washington die europäische Position sehr klar und sehr deutlich vertreten. Trotzdem, das ist ähnlich wie bei dem Handelskonflikt, den wir haben im Hinblick auf die angekündigten Strafzölle für Stahl und für Aluminium. Ich halte wenig davon, sich jetzt mit Drohungen zu überziehen gegenseitig, weil wir auch vermeiden müssen, dass wir in eine Eskalationsspirale hineinzugeraten, die dann am Ende dazu führt, dass durch die Gegenseitigkeit sich hochschaukelnder Sanktionen entstehende Spannungen und Unsicherheiten negative Effekte entstehen, nicht nur politisch, sondern eben auch für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Wir befinden uns im Augenblick in einer Situation, wo die Weltwirtschaft wächst, wo wir mehr uns stabileres Wachstum haben als seit der Banken- und Börsenkrise. Und diese Situation sollten wir jedenfalls nicht leichtfertig gefährden. Und das heißt, wir werden weiterhin sehr offen, sehr ehrlich und auch sehr deutlich mit den amerikanischen Partnern und Freunden reden. Unser Ziel ist es, dieses Abkommen aufrechtzuerhalten. Und wie wir dann schrittweise vorgehen, das werden wir gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich und der EU diskutieren. Denn es ist ein multilaterales Abkommen, und deshalb, glaube ich, wäre es auch falsch, wenn der Bundeswirtschaftsminister einseitig Ankündigungen macht.
    Auch mit China und Russland Gespräche führen
    Engels: Aber Russland und China haben Sie da nicht erwähnt.
    Altmaier: Der Kollege Maas war ja gestern in Moskau zu Gesprächen, ich selbst werde am Montag und Dienstag in Moskau sein, die Bundeskanzlerin dann im weiteren Verlauf der Woche. Wir führen Gespräche mit Russland, wir führen auch Gespräche mit China, selbstverständlich auch über die Frage dieses Abkommens. Was ich allerdings für einen falschen Zungenschlag halte, ist, wenn einige sagen, wir sollten uns mit Russland und China gegen die USA verbünden. Die USA sind immer noch unser Bündnispartner in der NATO. Wir haben sehr enge und sehr gute Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA, Europa und Deutschland. Und deshalb, wir sollten nicht nur, wenn es um militärische Güter geht, wir sollten auch, wenn es um Rhetorik geht, nicht aufrüsten, sondern versuchen, mit allen Beteiligten Gespräche zu führen, und dazu gehören eben auch China und Russland.
    Gesprächsfaden über die Handelssanktionen
    Engels: Rhetorisch nicht aufrüsten, das ist Ihre Forderung. Haben Sie denn irgendwelche Signale aus den USA, dass man dort die harte Rhetorik, die ja auch schon die deutschen Unternehmen traf, bereit ist, abzurüsten?
    Altmaier: Nein. Wir haben im Hinblick auf die Iran-Sanktionen keinerlei Signale, jedenfalls keine, von denen der Bundeswirtschaftsminister weiß. Es ist ja alles versucht worden, um diese einseitige Aufkündigung zu verhindern. Im Augenblick sehe ich hier wenig Bewegung aufseiten der USA. Aber wir haben ja noch den zweiten Gesprächsfaden, und das ist der Gesprächsfaden über die Handelssanktionen für Aluminium und Stahl. Dort ist die zuständige Kommissarin Cäcilia Malmström im Gespräch mit den USA. Das wird von Deutschland und auch von mir persönlich sehr nachhaltig unterstützt. Und ich glaube, wenn es uns gelänge, in diesem Bereich deutlich zu machen, dass die Amerikaner und die Europäer mehr eint als trennt, dann hätten wir vielleicht auch einen Einstieg in Gespräche über andere Fragen. Es geht ja auch im Übrigen immer noch um die Russland-Sanktionen, die Präsident Trump verhängt hat und deren Problematik eben darin besteht, dass sie, genau wie die Iran-Sanktionen, nicht nur amerikanische Firmen treffen, sondern eben auch europäische und deutsche Firmen, die in Russland oder im Iran Geschäfte machen. Das ist eine Situation, die wir nicht für hilfreich erachten, und deshalb werden wir auch darüber weiter reden.
    "Mit Sanktionen muss man auch sehr vorsichtig umgehen"
    Engels: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie diese Themen auch ganz bewusst miteinander verknüpfen, der Handelskonflikt, der eh schon besteht, und jetzt das Thema Iran?
    Altmaier: Ich verknüpfe diese Themen nicht im Sinne eines formellen juristischen Junktims, aber sie haben alle einen gemeinsamen Kern, nämlich ob wir grundsätzlich einen freien und offenen Welthandel möchten, der möglichst wenig von politischen Entscheidungen beeinträchtigt wird – und das bedeutet dann, dass man mit Sanktionen auch sehr vorsichtig umgehen muss. Wir haben beispielsweise nach der russischen Annexion der Krim gemeinsam als Europäer und Amerikaner Sanktionen verhängt, und die werden auch fortbestehen, solange der Anlass andauert. Aber wir sollten uns sehr gut überlegen, ob wir Sanktionen verhängen beispielsweise im Fall des Iran, wo überhaupt gar nicht feststeht, ob dieses Abkommen verletzt worden ist. Wir Europäer haben dafür jedenfalls bislang keine nachvollziehbaren Beweise. Und deshalb raten wir dazu, in Handelsfragen grundsätzlich Zölle eher zu senken, Sanktionen nicht voreilig zu verhängen und bilaterale und multilaterale Gespräche an die Stelle von einseitigen Aktionen zu setzen.
    "Letztendliche Entscheidung müssen Unternehmer selbst treffen"
    Engels: Kommen wir noch mal auf die Sorgen und Nöte der deutschen Firmen zurück, die jetzt im Iran engagiert sind. Viele sagen ja, wenn sie sich zwischen dem US-Geschäft und dem Iran-Geschäft ihrer Firma entscheiden müssten, dann werden sie es zwangsläufig des viel umfangreicheren US-Geschäfts tun. Raten Sie ihnen dazu?
    Altmaier: Ich halte es als Bundeswirtschaftsminister, der in seinem Vorgehen immer auch versucht, zu lernen von großen Vorbildern, die es gegeben hat, für richtig, dass wir uns nicht einmischen in betriebswirtschaftliche Entscheidungen von Unternehmen. Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen, vor allen Dingen dann nicht, wenn es um Zusammenarbeit mit amerikanischen Firmen in den USA geht. Deshalb müssen diese Unternehmen abwägen, welche Entscheidung für sie im Einzelfall die richtige ist. Was wir tun, ist allerdings, diesen Unternehmen, die im Iran Geschäfte getätigt haben, die im Iran Geschäfte tätigen wollen, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, sie zu beraten auch juristisch, so gut wir das können. Die letztendliche Entscheidung müssen die Unternehmer selbst treffen.
    Sanktionsausgleich könnte für viele Länder ein "Anreiz" sein
    Engels: Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken riet vor einer halben Stunde deutschen Unternehmen hier im Deutschlandfunk, ihr Iran-Geschäft fortzusetzen, und er schlug einen staatlichen Fonds vor. Der könne ja Schäden für diese Firmen ausgleichen, wenn sie im Gegenzug im US-Geschäft Einbußen erleiden würden. Was sagen Sie dazu?
    Altmaier: Das deutsche Recht hat das bisher jedenfalls nicht vorgesehen.
    Engels: Kann man ja machen.
    Altmaier: Ja, wir haben das System der Hermesbürgschaften, das aber nicht auf staatliche Eingriffe ausgerichtet ist. Und wir haben, glaube ich, allen Grund, zu überlegen, wie wir vorgehen, denn wenn wir beispielsweise grundsätzlich erklären würden, wir gleichen deutsche Nachteile aus, dann könnte es für viele Länder in der Welt auch ein Anreiz sein, einseitig Maßnahmen und Sanktionen zu verhängen. Deshalb warne ich davor, voreilig Vorschlage ins Gespräch zu bringen. Die Sanktionen der USA werden scharfgestellt in einigen Tagen erst, in zwei bis drei Monaten. Diese Zeit sollten wir nutzen, um alle Möglichkeiten zu prüfen. Den Vorschlag von Herrn Bartsch sehe ich dabei zum jetzigen Zeitpunkt nicht als realistisch.
    Kein Anlass, "sofort wieder nach dem Staat zu rufen"
    Engels: Aber Sie würden ihn auch nicht völlig ausschließen?
    Altmaier: Im Augenblick ja, gibt es dafür keinen Grund, das bewährte System der Hermesbürgschaften zu ändern. Sie wissen, dass wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon öfter ähnliche Situationen hatten. Es ist uns immer gelungen, sie anders zu lösen. Wenn Herr Bartsch jetzt sofort wieder nach dem Staat ruft und nach staatlichen Geldern, dann bin ich nicht nur zurückhaltend, sondern sehe dafür im Augenblick überhaupt keinen Anlass.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.