Unterwegs durch Sur, der Altstadt von Diyarbakir. Unzählige kleinen Gassen. Ein Gewirr. Pflasterstein-versiegelt. Wäsche über dem Kopf, bunte Stoff-Fetzen, die entlang der Leinen tanzen. Gesang und Akkorde, die hinter mächtigen Mauern und relief-bestückten Holztüren das Ohr des Besuchers finden. Sur, die Altstadt von Diyarbakir. Oder besser gesagt: Was von Sur noch übrig ist, nach monatelangen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen PKK-treuen Kämpfern und dem türkischem Staat.
Ercan Ayboga, der alles miterlebt hat seit dem vergangenen Herbst, ist an meiner Seite. Wie ein Geschenk erscheint dieser hochgewachsene Mann mit seinem schütteren Haar für eine Stadtführung wie diese. Groß geworden und studiert in Deutschland, und jetzt seit ein paar Jahren wieder in Diyarbakir, arbeitet er für die Stadtverwaltung und den Erhalt der heimischen Kultur und Umwelt.
Seine Führung ist zunächst der Versuch einer Bilanz, wie könnte es anders sein,
über den aktuellen Zustand der Altstadt.
Seine Führung ist zunächst der Versuch einer Bilanz, wie könnte es anders sein,
über den aktuellen Zustand der Altstadt.
Nur noch 150 Zivilisten wohnen in der Altstadt
Autor: In welchem Zustand ist die Altstadt jetzt?
Ercan: In der Altstadt wohnen normalerweise 57.000 Menschen … noch 150 Zivilisten.
Ercan: In der Altstadt wohnen normalerweise 57.000 Menschen … noch 150 Zivilisten.
Die eine Hälfte der Altstadt steht uns offen beim Rundgang. Die andere ist gewissermaßen verbotene Stadt, trotz des offiziellen Endes der Kämpfe. Abgesperrt durch Polizei und Sicherheitsdienste.
Autor: In Kirchen … auch viele Einschusslöcher.
Neben der wuchtigen, mehrere Meter dicken Stadtmauer, die die Konflikte der letzten Jahrhunderte wie ein stummer Zeuge in sich aufnimmt, sind es zahlreiche Gotteshäuser, die das Bild der Altstadt unverändert prägen. Die Ulu Jami, die große Moschee, im Zentrum der Altstadt zählt den Büchern zufolge zum fünftwichtigsten Gebetshaus der islamischen Welt.
Diyarbakir und seine Altstadt vorerst im touristischen Abseits
Und wir treffen hier auf den Pfarrer der syrisch-orthodoxen Jungfrau-Maria-Kirche, einem vor rund zehn Jahren restaurierten christlichen Gotteshaus aus dem dritten Jahrhundert, das der Pfarrer in den vergangenen Monaten im Schweiß seines Angesichts verteidigt hat, damit der Bau keinen Schaden nimmt, so berichten Einheimische.
Ein paar Gassen weiter gibt es einen Tee, serviert von einer jungen Frau, die hinter einer Scheibe mit Einschusslöchern wartet. Noch im letzten Jahr seien zahlreiche Europäer und Amerikaner gekommen, erzählt die junge Frau vom Tourismus-Amt der Stadt. Jetzt bleiben Besucher ganz aus. So stehen Diyarbakir und seine Altstadt vorerst im touristischen Abseits und im Herzen eines politischen Konflikts, unklar wie lange noch.