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Architektur-Ikone Alvar Aalto - 125. Geburtstag
Das Ziel, "die ganze technisch-strukturelle Welt zu vermenschlichen"

Traditionelle Holzbauweise und Bauhaus-Moderne hat Alvar Aalto in seinem Lebenswerk zusammengeführt. Neben Kirchen, Kulturhäusern und Wohnanlagen zählten dazu auch Möbeldesign und Städtebau. Vor 125 Jahren wurde der finnische Architekt geboren.

Von Jochen Stöckmann |
Die finnische Post widmete dem Architekten und Sesigner Alvar Aalto, 1976 eine Sonderbriefmarke.
Ehre für eine nationale Ikone - die finnische Post widmete dem Architekten und Designer Alvar Aalto eine Sonderbriefmarke (IMAGO / Yay Images rook)
„Er war nicht nur Architekt, hat viel Möbel gezeichnet und war sehr vielseitig interessiert an der Umwelt der Menschen.“:  Elissa Aalto, Witwe und Büropartnerin des finnischen Architekten Alvar Aalto, mag sich 1984 anlässlich einer Ausstellung in Wien auf einzelne Bauten gar nicht erst einlassen – zu umfangreich ist das Lebenswerk. Allein in Deutschland sind darunter ein achtgeschossiger Wohnblock für die Interbau 1957 in Berlin, Kirche und Kulturzentrum in Wolfsburg, 1959 der Entwurf für das Theater- und Operngebäude in Essen. Alvar Aalto, geboren am 3. Februar 1898, hat nach dem Studium Anschluss an die Avantgarde um Le Corbusier und Walter Gropius gefunden. Deren ausschließlich funktionalistische Architektur mag er aber nicht ohne weiteres übernehmen, so  Elissa Aalto: „Von seinen Zeitgenossen war er eigentlich ein wenig der Rebell. Er hat etwas anders gedacht als Bauhaus-Architekten oder dieser sogenannte Modern Style.“

Die traditionelle Holzbauweise als Leitbild einer humanen Moderne

Auf die Realisierung dieses „etwas anderen Denkens“ achtet Elissa Aalto, als sie nach Alvars Tod 1976 die Umsetzung seines Theaterentwurfs für Essen begleitet: Statt Gebäudemassen rational und platzsparend blockweise zu stapeln, werden sie in unterschiedliche Elemente aufgefächert. So strahlen Aaltos vielfältig gegliederte Häuser in die Umgebung aus. Dieses sinnliche Erleben, der körperliche „Umgang“ mit seiner Architektur ist ihm wichtig. Das zeigt sich exemplarisch 1937 im finnischen Pavillon der Pariser Weltausstellung, mit dem Aalto die traditionelle Holzbauweise zum Leitbild einer humanen Moderne erhebt:
„Holz ist ja ein Material, das nicht ewig besteht. Das finnische Bauernhaus ist ein lebendes Ding, das jedes Jahr gebaut wurde. Also, ein bestimmter Teil des Hauses wurde jedes Jahr erneuert. Das heißt, das Haus lebte mit.“

Was ist Alvar Aaltos „funktionalistischer Expressionismus“?

Im Radiointerview erläutert der international erfolgreiche Architekt 1958 seine Herangehensweise. Ob Holz, Beton oder Backstein, ob kantig-rechter Winkel oder sanft schwingende Kurve – jedes Material, jede Konstruktionstechnik oder ästhetische Form wird geprüft. Je nach Bauaufgabe treffen ausdrucksstark gemaserte Holzverschalungen auf weiß verputzte Wände, werden ineinander übergehende Räume durch Fliesen, Eichenparkett oder Pflastersteine markiert. Der Architekturtheorie gilt diese unorthodoxe Verbindung von rationaler Planung und intuitiver Gestaltung als „funktionalistischer Expressionismus“. Was das praktisch bedeutet, lässt sich am 1932 erbauten Tuberkulose-Sanatorium in Paimio ablesen. Die Zimmer der Patienten sind mit Balkon nach Süden ausgerichtet. Die Einrichtung hat Aalto selbst entworfen, zusammen mit seiner ersten Frau Aino. Eine Liege auf Kufen wird aus Bugholz produziert, das ergibt eine schnörkellose Wellenform, ideal zum Durchatmen.

"Fast alles ist rund und zugleich streng technisch funktionalistisch"

Der Kunsthistoriker Thomas Kellein hat Aaltos Inneneinrichtungen analysiert, darunter geräuschlose Waschbecken und blendfreie Nachttischlampen – und kommt zu dem Ergebnis:
„Diese Möbel versuchen, für den Patienten so eine Art Welt zu erzeugen: Heute würde man sagen ergonomisch, alles ist auf den menschlichen Körper zugeschnitten.“ – „Ab 1932 ist bei ihm fast alles rund und zugleich streng technisch funktionalistisch konstruiert. So sehr die 1920er-Jahre den Konstruktivismus erfunden haben, so sehr haben die 30er- Jahre ihn in Kreise und Schlaufen überführt, die Lebensfreude signalisieren sollen. Und das ist Aalto.“

"Nicht Sklave des Modernismus sein"

Sein Design soll sich im Alltag bewähren, ebenso wie die Architektur, von der Alvar Aalto als Baukünstler in einer Art Vermächtnis fordert:„Nicht Sklave einer Art von Modernismus sein, nicht historische Formen imitieren, sondern Formen und Funktionen im Bauen zu finden, vom Städtebau bis zum Interieur, um auch die ganze technisch-strukturelle Welt menschlich zu machen.“