Die erste Begegnung mit der Droge war für Bulod Dschamolow eine beiläufige Angelegenheit. Ein Bekannter hatte ihm eine Heroinprobe zugesteckt, und bat ihn, einen Kunden dafür aufzutreiben.
"Ich habe sie in mein Notizbuch gelegt, und habe sie dort ganz vergessen. Bestimmt zwei Monate lang bin ich mit dem Heroinbriefchen in der Tasche herumgefahren und habe nicht mehr daran gedacht."
1996: Seit vier Jahren herrscht in Tadschikistan Bürgerkrieg. Das Land ist gelähmt, die Wirtschaft zusammengebrochen, die öffentliche Ordnung auch.
"Heroin wurde damals überall verkauft. Nicht, dass die Leute Stände aufgestellt hätten, an denen stand: Heroin zu verkaufen. Aber es gab viele, die die Droge ins Land gebracht haben. Die Leute sind ins Grenzgebiet gefahren und haben etwas mitgebracht. Manche wussten gar nicht, was sie damit anfangen sollten und haben es dann an Bekannte weitergegeben, damit die es zu Geld machen. Und einige haben angefangen, es nach draußen zu schmuggeln, nach Russland vor allem."
Bulod Dschamolow ist damals Mitte zwanzig. Als er mit einem Freund unterwegs zum Bahnhof ist, kommt das Gespräch auf die Droge. Ihm fällt die Probe wieder ein. Der Freund will probieren. Er schnupft ein wenig von dem Pulver, dann verabschiedet er sich, um jemanden vom Bahnsteig abzuholen.
"Ich bin ihm dann hinterher. Der Arme stand da mit einer Flasche Wasser in der Hand und konnte sich nicht mehr bewegen. Wir sind dann anschließend in ein Cafe gegangen, da habe ich dann auch probiert. Ich wollte wissen, was dort am Bahnhof mit ihm passiert war."
Die Straße windet sich einen schroffen sandigen Abhang herab. Unten erstreckt sich eine Ebene, durch die sich der Pandsch-Fluss an dutzenden kleiner Inselchen vorbei windet. Irgendwo in dieser Insellandschaft verläuft unsichtbar die Grenze zu Afghanistan. Salomatscho Chuschwachtow deutet hinunter in die Ebene.
"Hier ist das Gestrüpp besonders dicht, deshalb kommen sie gerne hierhin. Von der afghanischen Seite kommen sie heran, sprechen sich mit dem Handy ab. Früher hatten sie Funkgeräte, heute benutzen sie Handys. Und wenn die Luft rein ist, wird die Ware ausgetauscht: Geld nach drüben und die Droge hierher. Sie haben verschiedene Mittel, um den Fluss zu überqueren, verwenden Autoreifen oder bauen Flöße."
Chuschwachtow hat sein Leben an dieser Grenze verbracht - ein Leben in den Sicherheitsapparaten von Armee, Polizei und KGB. Schon als in den siebziger Jahren der erste Drogenfund an der damals noch sowjetisch-afghanischen Grenze gemacht wurde, war Chuschwachtow als Grenzwächter dabei.
"Wir hatten die Information, dass an einem bestimmten Punkt der Grenze Kontakte bestanden zwischen unseren Schäfern und afghanischen Schäfern. Und dass sie Lebensmittel - Zucker, Mehl und so weiter - gegen Marihuana tauschen. Wir haben sie dann bei der Übergabe verhaftet. Das war 1972."
Heroin ist damals in der Gegend noch weitgehend unbekannt. Erst in den achtziger Jahren tauchen erste Berichte über die Droge in sowjetischen Großstädten auf. 1991 zerbricht die Sowjetunion. Tadschikistan wird unabhängige Republik. 1992 schlittert das Land in einen Bürgerkrieg zwischen Anhängern der postsowjetischen Regierung und einer Opposition aus Islamisten und Demokraten. Viele Bürger fliehen in die tadschikisch besiedelten Provinzen Nordafghanistans.
"Manche haben dort Verwandte getroffen, haben Freundschaften geschlossen - und daraus haben sich dann später manchmal Verbindungen ergeben, die jetzt zum Drogenschmuggel genutzt werden."
Inzwischen ist aus den losen Verbindungen und den Gelegenheitsgeschäften der Nachkriegszeit eine organisierte Drogenmafia geworden - ein Gegner, dem der schwache und korruptionsgeplagte Staat kaum gewachsen ist. Dennoch ist die Regierung stolz darauf, das Problem anders als die Nachbarländer Usbekistan und Turkmenistan nicht zu verstecken. Mit internationaler Hilfe hat Tadschikistan eine Behörde zur Drogenbekämpfung gegründet. Beim Beschlagnahmen von Heroin rangiert das Land weltweit an dritter Stelle. Trotzdem gibt Dawlatali Dawlatsoda von der regierenden volksdemokratischen Partei unumwunden zu, dass Tadschikistan von einer wirksamen Kontrolle der Grenze weit entfernt ist.
"Wir hatten sehr darauf gehofft, dass die Koalitionstruppen, die heute in Afghanistan sind, helfen würden, das Problem zu lösen. Dass sie den Opium-Anbau einschränken würden oder ganz verhindern. Dort sind doch Truppen stationiert, auch aus Deutschland. Warum kann man die Truppen der Bundeswehr in Nordafghanistan nicht zur Vernichtung der Drogenproduktion einsetzen?"
Die Regierung schätzt, dass es zwischen 55 und 75 Tausend Drogenabhängige in Tadschikistan gibt. Bulod Dschamolow leitet heute eine Organisation, die Drogenabhängige und HIV-Positive betreut. "Spin Plus" stellt Drogenabhängigen Aufenthaltsräume zur Verfügung, vermittelt HIV-Tests und Behandlung. Außerdem berät die Organisation Abhängige bei der Therapie und begleitet sie mit Gesprächsangeboten.
"In den Kliniken wird nur die Entgiftung vorgenommen. Die Entzugserscheinungen werden mit Medikamenten behandelt und nach einer Woche oder etwas mehr wird der Patient entlassen. Aber Therapien, die sich mit der psychischen Abhängigkeit oder den sozialen Umständen der Sucht beschäftigen, gibt es bei uns nicht."
Acht Jahre lang war Dschamolow von der Droge abhängig. Nach seinem ersten Heroinrausch beginnt er zunächst unregelmäßig und bald darauf täglich Heroin zu schnupfen. Über die Folgen weiß er noch immer wenig.
"Als ich das erste Mal Entzugserscheinungen hatte, habe ich das gar nicht kapiert. Ich dachte ich sei krank, hätte eine fürchterliche Erkältung, alles tat mir weh. Bekannte haben mir dann gesagt: 'Du bist nicht krank, du hast den Turkey - hier, zieh etwas und dann geht's Dir wieder gut.' Ich habe dann etwas Heroin geschnupft, und alles war wieder gut."
Von da an rutscht er immer weiter ins Drogenelend, steigt vom Schnupfen auf Spritzen um, infiziert sich mit HIV. Dschamolow ist Anfang dreißig, wohnt bei seinen Eltern. Gäste kommen keine mehr, zu peinlich ist den Eltern der drogenabhängige Sohn. Mehrmals überreden sie ihn, einen Entzug zu machen, immer wieder wird er rückfällig. Bis irgendwann der Tag kommt, an dem beinahe alles vorbei gewesen wäre.
"Ich hatte mir eine Überdosis gesetzt, zuhause. Meine Eltern waren da, ich bin vor ihren Augen umgefallen, habe das Bewusstsein verloren. Ich glaube, in diesem Moment dachten sie, ich sei tot. Ich bin aufgewacht, und nach diesem Tag habe ich das Zeug nicht mehr genommen. Sie haben mich in die Notaufnahme gebracht, danach bin ich noch zwei Wochen im Krankenhaus geblieben, dann bin ich nach Hause. Der Moment war gekommen, wo ich aufgehört habe."
"Ich habe sie in mein Notizbuch gelegt, und habe sie dort ganz vergessen. Bestimmt zwei Monate lang bin ich mit dem Heroinbriefchen in der Tasche herumgefahren und habe nicht mehr daran gedacht."
1996: Seit vier Jahren herrscht in Tadschikistan Bürgerkrieg. Das Land ist gelähmt, die Wirtschaft zusammengebrochen, die öffentliche Ordnung auch.
"Heroin wurde damals überall verkauft. Nicht, dass die Leute Stände aufgestellt hätten, an denen stand: Heroin zu verkaufen. Aber es gab viele, die die Droge ins Land gebracht haben. Die Leute sind ins Grenzgebiet gefahren und haben etwas mitgebracht. Manche wussten gar nicht, was sie damit anfangen sollten und haben es dann an Bekannte weitergegeben, damit die es zu Geld machen. Und einige haben angefangen, es nach draußen zu schmuggeln, nach Russland vor allem."
Bulod Dschamolow ist damals Mitte zwanzig. Als er mit einem Freund unterwegs zum Bahnhof ist, kommt das Gespräch auf die Droge. Ihm fällt die Probe wieder ein. Der Freund will probieren. Er schnupft ein wenig von dem Pulver, dann verabschiedet er sich, um jemanden vom Bahnsteig abzuholen.
"Ich bin ihm dann hinterher. Der Arme stand da mit einer Flasche Wasser in der Hand und konnte sich nicht mehr bewegen. Wir sind dann anschließend in ein Cafe gegangen, da habe ich dann auch probiert. Ich wollte wissen, was dort am Bahnhof mit ihm passiert war."
Die Straße windet sich einen schroffen sandigen Abhang herab. Unten erstreckt sich eine Ebene, durch die sich der Pandsch-Fluss an dutzenden kleiner Inselchen vorbei windet. Irgendwo in dieser Insellandschaft verläuft unsichtbar die Grenze zu Afghanistan. Salomatscho Chuschwachtow deutet hinunter in die Ebene.
"Hier ist das Gestrüpp besonders dicht, deshalb kommen sie gerne hierhin. Von der afghanischen Seite kommen sie heran, sprechen sich mit dem Handy ab. Früher hatten sie Funkgeräte, heute benutzen sie Handys. Und wenn die Luft rein ist, wird die Ware ausgetauscht: Geld nach drüben und die Droge hierher. Sie haben verschiedene Mittel, um den Fluss zu überqueren, verwenden Autoreifen oder bauen Flöße."
Chuschwachtow hat sein Leben an dieser Grenze verbracht - ein Leben in den Sicherheitsapparaten von Armee, Polizei und KGB. Schon als in den siebziger Jahren der erste Drogenfund an der damals noch sowjetisch-afghanischen Grenze gemacht wurde, war Chuschwachtow als Grenzwächter dabei.
"Wir hatten die Information, dass an einem bestimmten Punkt der Grenze Kontakte bestanden zwischen unseren Schäfern und afghanischen Schäfern. Und dass sie Lebensmittel - Zucker, Mehl und so weiter - gegen Marihuana tauschen. Wir haben sie dann bei der Übergabe verhaftet. Das war 1972."
Heroin ist damals in der Gegend noch weitgehend unbekannt. Erst in den achtziger Jahren tauchen erste Berichte über die Droge in sowjetischen Großstädten auf. 1991 zerbricht die Sowjetunion. Tadschikistan wird unabhängige Republik. 1992 schlittert das Land in einen Bürgerkrieg zwischen Anhängern der postsowjetischen Regierung und einer Opposition aus Islamisten und Demokraten. Viele Bürger fliehen in die tadschikisch besiedelten Provinzen Nordafghanistans.
"Manche haben dort Verwandte getroffen, haben Freundschaften geschlossen - und daraus haben sich dann später manchmal Verbindungen ergeben, die jetzt zum Drogenschmuggel genutzt werden."
Inzwischen ist aus den losen Verbindungen und den Gelegenheitsgeschäften der Nachkriegszeit eine organisierte Drogenmafia geworden - ein Gegner, dem der schwache und korruptionsgeplagte Staat kaum gewachsen ist. Dennoch ist die Regierung stolz darauf, das Problem anders als die Nachbarländer Usbekistan und Turkmenistan nicht zu verstecken. Mit internationaler Hilfe hat Tadschikistan eine Behörde zur Drogenbekämpfung gegründet. Beim Beschlagnahmen von Heroin rangiert das Land weltweit an dritter Stelle. Trotzdem gibt Dawlatali Dawlatsoda von der regierenden volksdemokratischen Partei unumwunden zu, dass Tadschikistan von einer wirksamen Kontrolle der Grenze weit entfernt ist.
"Wir hatten sehr darauf gehofft, dass die Koalitionstruppen, die heute in Afghanistan sind, helfen würden, das Problem zu lösen. Dass sie den Opium-Anbau einschränken würden oder ganz verhindern. Dort sind doch Truppen stationiert, auch aus Deutschland. Warum kann man die Truppen der Bundeswehr in Nordafghanistan nicht zur Vernichtung der Drogenproduktion einsetzen?"
Die Regierung schätzt, dass es zwischen 55 und 75 Tausend Drogenabhängige in Tadschikistan gibt. Bulod Dschamolow leitet heute eine Organisation, die Drogenabhängige und HIV-Positive betreut. "Spin Plus" stellt Drogenabhängigen Aufenthaltsräume zur Verfügung, vermittelt HIV-Tests und Behandlung. Außerdem berät die Organisation Abhängige bei der Therapie und begleitet sie mit Gesprächsangeboten.
"In den Kliniken wird nur die Entgiftung vorgenommen. Die Entzugserscheinungen werden mit Medikamenten behandelt und nach einer Woche oder etwas mehr wird der Patient entlassen. Aber Therapien, die sich mit der psychischen Abhängigkeit oder den sozialen Umständen der Sucht beschäftigen, gibt es bei uns nicht."
Acht Jahre lang war Dschamolow von der Droge abhängig. Nach seinem ersten Heroinrausch beginnt er zunächst unregelmäßig und bald darauf täglich Heroin zu schnupfen. Über die Folgen weiß er noch immer wenig.
"Als ich das erste Mal Entzugserscheinungen hatte, habe ich das gar nicht kapiert. Ich dachte ich sei krank, hätte eine fürchterliche Erkältung, alles tat mir weh. Bekannte haben mir dann gesagt: 'Du bist nicht krank, du hast den Turkey - hier, zieh etwas und dann geht's Dir wieder gut.' Ich habe dann etwas Heroin geschnupft, und alles war wieder gut."
Von da an rutscht er immer weiter ins Drogenelend, steigt vom Schnupfen auf Spritzen um, infiziert sich mit HIV. Dschamolow ist Anfang dreißig, wohnt bei seinen Eltern. Gäste kommen keine mehr, zu peinlich ist den Eltern der drogenabhängige Sohn. Mehrmals überreden sie ihn, einen Entzug zu machen, immer wieder wird er rückfällig. Bis irgendwann der Tag kommt, an dem beinahe alles vorbei gewesen wäre.
"Ich hatte mir eine Überdosis gesetzt, zuhause. Meine Eltern waren da, ich bin vor ihren Augen umgefallen, habe das Bewusstsein verloren. Ich glaube, in diesem Moment dachten sie, ich sei tot. Ich bin aufgewacht, und nach diesem Tag habe ich das Zeug nicht mehr genommen. Sie haben mich in die Notaufnahme gebracht, danach bin ich noch zwei Wochen im Krankenhaus geblieben, dann bin ich nach Hause. Der Moment war gekommen, wo ich aufgehört habe."