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Am Rande der Regeln

Die Abschiebung illegaler Roma und die Zerstörung der Romalager wird von der französischen Regierung trotz Kritik weiter vorangetrieben. Eine Zwischenbilanz.

Von Burkhard Birke |
    "Es stimmt, dass Frankreich mit Entschlossenheit vorgeht - aber auch menschlich. Wir sind die Einzigen in Europa, die den Rumänen und Bulgaren - ich mag den Ausdruck Roma nicht - ohne Aufenthaltsrecht eine Rückkehrhilfe gewähren."

    Immigrationsminister Eric Besson wird nicht müde die Politik der Rückführung illegaler Roma aus Frankreich auch gegenüber der EU zu verteidigen. Entschieden in der Sache, im Ton mittlerweile etwas konzilianter. Denn der Ton macht bekanntlich die Musik. Dirigent Sarkozy gab ihn mit seiner legendären Rede in Grenoble im Juli vor. Seither hüllt sich der Präsident selbst in Schweigen, überlässt das Reden und Handeln Innenminister Hortefeux und Immigrationsminister Besson.
    Beide haben die Botschaft ihres Herrn verstanden, sind treue Erfüllungsgehilfen. 128 wilde Romalager wurden seit dem Gipfeltreffen zur Lage des fahrenden Volkes Ende Juli schon aufgelöst. Mindestens ebenso viele sollen noch zerstört werden. Rund 8500 Roma sind dieses Jahr nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben worden, 1000 von ihnen allein in den letzten paar Wochen. Letztes Jahr waren es knapp 10.000.

    Das gesamte fahrende Volk in Frankreich, es wird auf nahezu 400.000 Personen fast alle mit französischem Pass geschätzt, fühlt sich stigmatisiert. Nur weil einige von ihnen nach dem Tod eines jungen Zigeuners durch Gendarmen gewalttätig geworden waren, wurde lauthals eine Kampagne gegen Roma, Zigeuner und illegale Lager eingeläutet.

    "Natürlich könne Frankreich nicht sämtliche Roma aufnehmen, meinte der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz Kardinal Vingt Trois, aber diese Menschen kommen doch aus Not zu uns. Dass man nicht immer ihre Erwartungen alle erfüllen kann, ist eine Sache, aber die Maßnahmen zur Lösung der Situation müssen human sein und die individuelle Verantwortung der Menschen respektieren."

    Dass die Kirche sich im laizistischen Frankreich in der politischen Debatte zu Wort meldet, ist beachtenswert, auch wenn ein Gros der Bürger das nicht unbedingt begrüßt hat. Die Mehrheit der Bevölkerung hält verschiedenen Meinungsumfragen zu Folge, die Romapolitik der Regierung ohnehin für gerechtfertigt! Grund genug, auch für den Papst den menschlichen Umgang mit Personen verschiedensten Ursprungs anzumahnen, was ihm prompt die Kritik des Intellektuellen und Sarkozy Beraters Alain Minc einbrachte:

    "Man kann über die Roma diskutieren, wie man will, aber nicht als deutscher Papst, Johannes Paul II vielleicht, aber nicht dieser Papst!"

    Weil Benedikt Erbe, wenn auch nicht Schuldiger der Nazi Geschichte sei!

    "Man ist nicht zum Schweigen verurteilt, weil man Erbe einer langen Tradition ist, Alain Minc ist Franzose - denkt er, Frankreich habe sich in der Vergangenheit nichts vorzuwerfen?"

    Konterte Kardinal Vingt Trois. Die Debatte wird weiter heftig geführt. Der Kardinal traf sich mit dem Innenminister zum klärenden Gespräch. Eine Politikänderung scheint nicht in Sicht. Romalager sollen weiter aufgelöst und illegale Roma abgeschoben werden. Konzilianter ist nur der Ton geworden. Premierminister Fillon übt sich im Spagat zwischen Attacke und Beschwichtigung vor allem der eigenen Reihen. Denn viele konservative Politiker dachten, was Ex Premier de Villepin ausdrückte, indem er von einem Schandfleck auf Frankreichs Fahne sprach.

    Sozialistenchefin Aubry prägte das Bild vom Sommer der Schande. Sie und andere werden morgen dem Aufruf von 50 Organisationen folgen und in 130 Städten gegen Rassismus und Diskriminierung demonstrieren. Die Auflösung der Romalager hat die Bürgermeisterin von Lille beim Präfekten mittlerweile dort aussetzen lassen. Wegen Doppelzüngigkeit war sie von der Regierung attackiert worden. Man könne nicht einerseits wilde Lager auflösen lassen und andererseits die Abschiebung kritisieren. Nun ist Aubry wenigstens konsequent: Keine Lagerauflösung und keine Abschiebungen, die hatte sie kritisiert und die sind häufig nicht so freiwillig, wie die Regierung Glauben macht! Häufig sind sie sogar illegal, wie das Gericht in Lille in mittlerweile elf Fällen festgestellt hat!