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Amanda Gorman: "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf"
Hymne auf die amerikanische Tradition

Es ist wahrscheinlich das zurzeit berühmteste Gedicht der Welt: "The Hill We Climb" der US-amerikanischen Autorin und Aktivistin Amanda Gorman. Nun liegt eine zweisprachige Ausgabe vor, übertragen von einem dreiköpfigen Übersetzerinnen-Team. Die Kritikerin Daniela Strigl lässt kein gutes Haar daran.

Daniela Strigl im Gespräch mit Angela Gutzeit |
Amanda Gorman: "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf" Zu sehen sind die Autorin und das Cover des Buches
Eine Hymne auf die amerikanische Tradition (Cover: Verlag Hoffmann und Campe / Foto: Kelia Anne)
Die 23-jährige Amanda Gorman hatte Furore gemacht mit dem Vortrag dieses von ihr leidenschaftlich intonierten Gedichts "The Hill We Climb" im Rahmen der Amtseinführung Joe Bidens am 20. Januar 2021, womit sie alle anderen Redner in den Schatten stellte. Ihre Verse beschwören die Einheit der Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund jahrhundertelanger Rassendiskriminierung und gesellschaftlicher Spaltung, zuletzt noch einmal vertieft durch die verhängnisvolle Trump-Präsidentschaft. Für die deutschsprachige Ausgabe hatte der Verlag Hoffmann und Campe ein diverses Übersetzer-Team engagiert - wohl auch um dem vorzubeugen, was in den Niederlanden passiert war: Die Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld hatte nach Protesten den Übersetzungsauftrag für Gormans Gedicht zurückgegeben. Sie sei weder schwarz noch von ihrer sexuellen Orientierung geeignet, so - kurz gefasst - die Kritik. Für die deutsche Ausgabe waren nun tätig: Uda Strätling, die seit gut 20 Jahren englischsprachige Lyrik übersetzt, die Autorin und muslimische Feministin Kübra Gümüşay, sowie Hadija Haruna-Oelker, die als Politikwissenschaftlerin in der Rassismus-Forschung tätig ist. Nur Uda Strätling ist dabei ausgewiesene Übersetzerin.
Die US-amerikanische Dichterin Amanda Gorman während der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden.
Wie übersetzt man "The Hill We Climb"?
Wer soll Amanda Gormans "The Hill We Climb" ins Niederländische übertragen? Die Frage sorgte für Wirbel, wurde schnell zur Identitätsdebatte ausgeweitet. Hierzulande haben drei Frauen das Gedicht übersetzt. Im Deutschlandfunk Kultur erzählen sie von der Arbeit.

Ein Medienphänomen

Die österreichische Literaturwissenschaftlerin und Kritikerin Daniela Strigl stellte gleich zu Beginn des Gesprächs mit Angela Gutzeit klar, dass sie, wäre sie selbst Dichterin, sich auch eine Dichterin als Übersetzerin wünschen würde und keine Rassismusforscherin. "Hier scheint es so, als hätte der Verlag versucht, sich in alle Richtungen abzusichern." Und weiter: "Das ist natürlich auch ein Medienphänomen, in dem die Debatte aufgeheizt ist, wobei ich die Debatte selbst für durchaus fruchtbar halte. Nur die Folgen oder die Art, wie sie geführt wurde, ist mehr als problematisch, weil hier eigentlich nichts anderes passiert als ein Rassismus mit umgekehrten Vorzeichen."

Absolut unmusikalisch

Von der nun vorgelegten Übersetzung hält die Literaturkritikerin nichts. Es sei ein Mittelding zwischen Leitartikel, Hirtenbrief und interdisziplinärem Seminar. "Also, es klingt auf Deutsch vollkommen verfehlt", so Strigl, "ein uninspirierter Text, kleinmütig, stellenweise unbeholfen und sogar manchmal grammatikalisch falsch. Und davon abgesehen, absolut unmusikalisch", so ihr vernichtendes Urteil.
Auf die Frage, ob sie der ganzen Aufregung um Marieke Lucas Rijneveld in den Niederlanden, der Debatte um das Übersetzer-Team in Deutschland sowie der aufgeheizten Identitätsdebatten überhaupt vielleicht auch etwas Gutes abgewinnen könnte, meinte Daniela Strigl, positiv sei, dass überhaupt darüber gesprochen werde, da Minderheiten generell viel zu wenig im Übersetzungsgeschäft präsent seien. "Aber", so die Literaturwissenschaftlerin, "das Ziel wäre natürlich, dass alle alles übersetzen sollten. Das würde auch heißen, dass man hier kein Getto für Minderheiten einrichtet. Normalität wäre erst hergestellt, wenn Übersetzerinnen und Übersetzer, die sich einer Minderheit zugehörig fühlten, zum Beispiel auch "Moby Dick" übersetzen könnten.
Amanda Gorman: "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf"
Aus dem Englischen von Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 63 Seiten, 10 Euro