Der Ramadan sei ein Monat der Eroberungen und Angriffe, erklärte ein Sprecher der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" kurz vor Beginn des Fastenmonats im Internet. Die Gläubigen sollten sicherstellen, dass sie bei den Angriffen auch mit dabei sind, besonders die im Westen. "Verbreitet Angst unter den Kreuzfahrern", rief Abu Muhammad al-Adnani.
In Europa und den USA wird befürchtet, dass Aufrufe dieser Art tatsächlich wirken. Yassin Musharbash, der Terrorexperte von der Wochenzeitung "Die Zeit", glaubt, dass die Sorge berechtigt ist:
"Diese Propaganda des IS, die sich an alle Sympathisanten auf der Welt richtet, in seinem Namen aktiv zu werden in der Form von simplen, meist amateurhaft geplanten Terroranschlägen, die verfängt und kommt an. Wir haben mittlerweile mehr als nur einen Anschlag erlebt, wo Täter von sich aus und ohne jede Verbindung zum IS zur Tat geschritten sind."
So etwa Larossi Abballa, der jüngst in Paris einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin ermordete. In einem Video schwor er kurz vor der Tat dem IS die Treue. Es war die Onlineplattform Amaq, die dieses Video unter die Leute brachte. Amaq wird oft als "Nachrichtenagentur" bezeichnet. Die Plattform ist aber nichts weiter als ein Sprachrohr des IS. Siegesmeldungen sollen die Kampfmoral heben. Videoreportagen vom Alltag im Kalifat sollen beweisen, dass die Medien der "Ungläubigen" Lügen darüber verbreiten.
Die Plattform muss ständig ihre Webanschrift ändern, weil sie immer wieder gesperrt wird. Im Moment besitzt Amaq eine deutsche Domain mit der Endung .de.
Unterweisungen, Gesänge und Talkrunden im Radio
Ebenfalls im Internet wird das Programm von Al-Bayan verbreitet. Der Radiosender des IS bietet Nachrichten und religiöse Unterweisungen, fromme Gesänge und Talkrunden. Er kommt mindestens so steif daher wie früher die "Aktuelle Kamera" des DDR-Fernsehens, er macht aber auch Schlagzeilen. So war es der Sender Al-Bayan, der den IS-Anhängern verkündet hat, dass sich der Attentäter von Orlando noch rasch vor seinem Tod auf die Terrormiliz berief.
Jeder , der will, kann sich also dem Kalifat anschließen, egal wo er sich aufhält, denn der IS ist auch ein Medienkalifat. Er wisse genau, wen er erreichen möchte, sagt Yassin Musharbash:
"Die Gruppe von Menschen, die er anspricht im Westen, sind Leute, die sich zu kurz gekommen, benachteiligt, diskriminiert fühlen und auf der Suche sind nach einer Ideologie, nach einer Gedankenwelt, die ihnen Sinn verspricht, vielleicht auch ein bisschen Ruhm und Ehre, Fame sozusagen, from Zero to Hero ist das Angebot des IS."
Lifestyle-Magazin für anspruchsvollen Extremisten
Vom Nichts zum Helden, Radikalisierung im Schnellverfahren. Um das zu erreichen, betreibt der IS einen enormen Aufwand. Er veröffentlicht "Dabiq", eine Art Lifestyle-Magazin im PDF-Format für den anspruchsvollen Extremisten. Und er inszeniert Filme so aufwändig, dass Experten ausrechneten, die Produktion eines besonders grausamem 16-Minuten-Videos, das die Enthauptung von syrischen Soldaten zeigt, hätte im Westen wegen der eingesetzten Hightech-Ausrüstung 200.000 US-Dollar gekostet.
Aber der IS gerät nicht nur am Boden, sondern auch medial in Bedrängnis.
"Mittlerweile sehen wir, dass die IS-Propaganda durch den zunehmenden militärischen Druck doch weniger imposant im Moment ist. Der IS hat offensichtlich damit zu kämpfen, diesen großen, breiten, tiefen Strom an Propaganda in dem Maße aufrecht zu erhalten, wie das vor einem Jahr noch der Fall war."
Die Video-, Audio- und PDF-Dateien liegen zwar weiterhin unbehelligt auf Servern weltweit, oft in den USA, aber dem IS fällt es immer schwerer, dorthin zu verlinken, weil die Betreiber sozialer Netzwerke inzwischen schnell reagieren. Seit Mitte 2015 hat Twitter über 125.000 Konten von IS-Anhängern gesperrt. Und auf YouTube gebe es fast keine IS-Propaganda mehr, sagt Yassin Musharbash:
"Andererseits, das Internet ist das Internet. Und für jedes Twitter-Account, das sie sperren, gibt es natürlich am nächsten Tag ein neues."