Gewalttätige Ausschreitungen im Amateurfußball, in jedem 325. Spiel kommt es mittlerweile zu Gewalt:
- Eine blutige Schlägerei zwischen Spielern und Zuschauern in Krefeld führt unter anderem zu einem dreifachen Nasenbeinbruch.
- Im Berliner Amateurfußball kommt es zu einem tätlichen Übergriff im Kabinentrakt gegen den Schiedsrichter weit nach Spielende.
- Ein Spieler aus der Duisburger Kreisliga wird so übel zusammengeschlagen, dass er auf der Intensivstation landet.
- Im Berliner Amateurfußball kommt es zu einem tätlichen Übergriff im Kabinentrakt gegen den Schiedsrichter weit nach Spielende.
- Ein Spieler aus der Duisburger Kreisliga wird so übel zusammengeschlagen, dass er auf der Intensivstation landet.
Nur einige Meldungen über Gewalt im Amateurfußball aus dem September.
Großer Aufschrei im Jahr 2015
Einen großen Aufschrei deswegen gab es deutschlandweit erstmals 2015. Der BV Altenessen 06 ist damals von allen anderen Kreisliga-Mannschaften boykottiert worden, weil sich sein Team angeblich zu aggressiv verhielt. Vier Jahre später erzählt der Vorsitzende des Vereins, Bodo Hanenberg, immer noch betreten davon:
"Es gab einen Vorfall während eines Spiels. Ein Schiedsrichter ist von einem unserer Spieler angegangen worden. Es hieß erst, er sei niedergeschlagen worden. Aber es stellte sich hinterher heraus in der Revisionsverhandlung, in der die lebenslange Sperre für den Spieler, dann auch aufgehoben worden ist, hat der Schiedsrichter gesagt, er sei umgeschubst worden. Nichtsdestotrotz ein absolut unmögliches Verhalten. Ja, das war, glaube ich, der absolute Tiefpunkt in der Vereinsgeschichte."Die Konsequenzen waren verheerend. Ein halbes Jahr lang bestritt der Verein keine Spiele mehr, und viele der Sponsoren sprangen ab. Auch weil deutschlandweit über den Vorfall beim BV Altenessen berichtet wurde.
Dabei gab es nachweislich schon in den Jahren zuvor als auch danach erhebliche Gewaltauswüchse im Essener Amateurfußball. Als 2016 sogar ein Verein davon betroffen war, der den Boykott gegen den BV Altenessen kurz vorher mitunterzeichnet hatte, war das mediale Interesse bei weitem nicht so groß.
Auftrag an die Universität Duisburg-Essen
Um diese Auswüchse genauer zu beleuchten beauftragte die Stadt die Universität Duisburg-Essen ein gewaltpräventives Konzept zu entwickeln. Speziell ging es um sozial herausfordernde Milieus wie beim BV Altenessen, dessen 300 Mitglieder aus 30 verschiedenen Nationen kommen. Und um von Migranten geführte Klubs, die ähnliche Probleme hatten. Dafür zuständig zeichnete sich Prof. Ulf Gebken, der mit den Vereinsfunktionären das Gespräch suchte:
"Erstmal waren sie natürlich vorsichtig, warum kommt da jetzt ein Professor zu uns auf den Fußballplatz, und interessiert sich für uns. Aber wenn man kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum mit ihnen zusammenarbeitet, für mich sind das jetzt schon drei Jahre, das hat Vertrauen geschaffen. Und so denke ich mal, bin ich auch in der Lage, dem Verein deutliche Anweisungen auch mal zu erteilen. Aber so dass man sagt, ihr müsst jetzt diesen Spieler mal 4, 5, 6 Wochen nicht einsetzen, weil er gefährdet Eurer Renommee in der Stadt."
Ulf Gebken stieß in den Vereinen vor allem auf unqualifizierte Übungsleiter. Deren Anteil ist mittlerweile deutlich gesenkt worden. Dazu begleiten jetzt offizielle Beobachter mögliche Risikospiele. Auch die Konkurrenzsituation bei den Nutzungszeiten der Sportanlagen soll zukünftig entzerrt werden. Kein Migrantenverein nutzt zum Beispiel zurzeit eine Sportstätte eigenverantwortlich. Dazu komme der neu gewonnene Austausch untereinander, der vorher gänzlich fehlte, erklärt Ulf Gebken:
"Es kann jede Woche etwas passieren. Das ist mir auch völlig klar, und es wird auch immer wieder was passieren. Aber dass man gleich deseskaliert antwortet, also dass man den Kreisvorsitzenden anruft: Mensch hier ist was passiert, wir regeln das erst einmal selber, in dem wir diesen Spieler nicht mehr mitspielen lassen. Selbstverständlich muss der vor die Spruchkammer gestellt werden. Aber wir sind nicht die Feindbilder des Essener Fußballs, sondern wir sind ein Teil von Euch."
Er fügt noch hinzu, dass die Gewalt im Essener Amateurfußball in Vergleich von 2017 zu 2018 um mehr als die Hälfte zurückgegangen sei. Ulf Gebken hat dafür das Gespräch gesucht, und ist auf offene Ohren gestoßen. Egal ob in sozialen Brennpunkten oder bei Migrantenvereinen, die sich überwiegend um ihre Community kümmern.
Besserung in den letzten zwei Jahren
Für Harun Kazoglu ist das nicht überraschend. Er ist selbst ehemaliger Fußballspieler und Mitglied im Essener Integrationsrat und im Sportausschuss der Stadt. Seit 2006 versucht er, die Verantwortlichen aus Sport und Politik davon zu überzeugen, genau diesen Weg einzuschlagen:
"Und dann stehen wir jetzt eigentlich da, wo wir auch schon vor 2006 standen, dass die Themen eigentlich klar sind. Also das ist jetzt noch nicht abgehandelt, es ist zwar besser geworden in den letzten zwei Jahren. Die Frage ist jetzt nur, diese Studie wird ja nicht weitergeführt, welche Institution übernimmt diese Organisation von Netzwerken, die Kommunikation auf Augenhöhe? Gibt es einen Ansprechpartner, der das Ganze bei der Stadt Essen oder Essener Sportbund händelt?"
Das Beispiel Essen macht deutlich, dass die Not im Amateurfußball groß ist. Der Fußballkreis Krefeld bringt mittlerweile jede Gewaltandrohung gegen Schiedsrichter direkt zur Anzeige. Der Fußball-Verband Niederrhein arbeitet mit Kreiskonfliktbeauftragten - jede der 13 Kreisligen besitzt einen. Das zeigt: Ohne Ansprechpartner und Unterstützung seitens der Verbände und der Politik geht es nicht mehr. Das weiß auch Bodo Hanenberg, der Vorsitzende des BV Altenessen 06:
"Ja, weil im Grunde genommen jeder mit diesem Problem konfrontiert sein kann, und darauf vorbereitet sein muss. Weil absolute Zahlen sehen ein verschwindend geringes Problem, ich glaube, über 99 Prozent aller Spiele laufen friedfertig ab. Aber hier und da bricht es halt aus dem einen oder anderen heraus!"