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Amateurfußball
Die Basis fühlt sich allein gelassen

Welchen Wert besitzt das Ehrenamt im Amateurfußball für die Gesellschaft? Diese Frage hat der Deutsche Fußball-Bund in einer wissenschaftlichen Studie erstmals beantworten lassen. Dabei hat der Amateurfußball ganz andere Probleme, die beim Verband größtenteils außen vor bleiben.

Von Thorsten Poppe |
Ein Jugendspiel laeuft im Stadion am Wasserwerk (Sparda-Bank-Stadion) der Spvgg SV Weiden in Weiden in der Oberpfalz. Die erste Mannschaft spielt derzeit in der Landesliga Mitte.
Der Amateurfußball ächzt unter der Coronakrise - mit seinen Sorgen fühlt er sich zunehmend im Stich gelassen (picture alliance/dpa | Uwe Zucchi)
"Der wertvollste Kader der Welt: 1,6 Millionen Ehrenamtliche und 2,2 aktive Spielerinnen und Spieler im Amateurfußball erwirtschaften 13,9 Milliarden Euro für das Gemeinwohl in Deutschland."
So heißt es in einem Trailer des DFB zu einer wissenschaftlichen Studie, die der Verband in Auftrag gegeben hat, um die soziale und ökonomische Wertschöpfung durch den Amateurfußball zu ermitteln.

DFB-Präsident Fritz Keller hat unter der Woche diese sogenannte Sozialrendite erläutert: "Die Leistungen wurden erbracht mit 2,61 Milliarden im sozialen Bereich. 5,73 Milliarden direkte Beiträge in die Wirtschaft. 5,6 Milliarden Einsparungen im Gesundheitswesen, mit einer gigantischen Summe von 13,9 Milliarden insgesamt. Und das sind einfach Zahlen, die haben mich praktisch vom Hocker gerissen."
Positive Sozialeffekte
Neu sind diese Erkenntnisse, die der DFB präsentiert hat, allerdings nicht, neu ist die Höhe der Summe. Diese vor Corona erhobenen Zahlen aus der Saison 2018/2019 sollen also zeigen, wie sehr der Amateurfußball nicht nur direkte wirtschaftliche Effekte hatte, sondern darüber hinaus Kosten sparte als Folge positiver Sozialeffekte und durch die Stärkung der Gesundheit in der Gesamtbevölkerung.
Billiger als Rasen: In den Amateurligen wird Fußball auch auf Asche gespielt.
Fußball in der Coronakrise - Unzufriedenheit und Uneinigkeit bei den Amateuren
Die Amateurfußballer müssen wegen des Lockdowns pausieren, während Bundesliga und Nationalteams weiterspielen. Das führt zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit, auch, weil sich viele Amateure mittlerweile Schlupflöcher suchen.
Wissenschaftlich begleitet hat diese Studie Pamela Wicker. Die Sportwissenschaftlerin von der Universität Bielefeld betont, "dass Sport und Fußball eine positive Wirkung auf den Bildungserfolg haben, und auch auf die Arbeitsmarktsituation. Aspekte wie ein strukturierter Tag, systematisches Training auf ein Ziel, Teamarbeit, Ausdauer, weitermachen und aufstehen nach Niederlagen, und auch sich konzentrieren können, die eben nicht nur im Sport und im Fußball von Bedeutung sind. Sondern diese Fähigkeiten helfen auch in der Bildungsschiene und auf dem Arbeitsmarkt."
"Wir schicken regelmäßig Kinder weg"
Ehrenamtlich aktiv sind im Amateurfußball über 1,5 Millionen Menschen. Gerade die rund 150.000 Vereinsvorsitzenden tragen viele Probleme mit sich rum, die sich vor allem um die finanzielle Ausstattung der Vereine drehen. Wie zum Beispiel beim FT Gern aus München, dem Heimatverein Philipp Lahms. Der ehrenamtliche Vorsitzende Michael Franke hat schon vor zwei Jahren im ARD-Magazin "Plusminus" Alarm geschlagen.
"Wir schicken regelmäßig Kinder weg, und das ist was, was einem wirklich weh tut. Wenn man sich vorstellt ein kleines Kind, was Fußball spielen möchte, was sich überhaupt bewegen möchte, was ja schon mal positiv ist. Und wir müssen sagen, geht leider nicht. Und wir können nicht mal sagen, geh zu einem anderen Verein nebenan, weil die die gleiche Situation haben!"
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Finaltag der Amateure - Wie Corona altbekannte Probleme im Amateurfußball aufzeigt
Am Finaltag der Amateure steht nur ein kleiner Teil der über sieben Millionen Menschen auf dem Platz, die in Deutschland Mitglied in einem Fußballverein sind. Doch viele Amateurvereine fühlen sich vom Deutschen Fußball-Bund allein gelassen.
Schon lange knirscht es gewaltig zwischen den Amateuren und dem DFB. Viele fühlen sich vom Verband mit ihren Problemen allein gelassen. Durch die Coronakrise hat sich dies noch einmal verstärkt, denn die Amateurvereine kämpfen zurzeit wie so viele ums Überleben.
"Momentan ist es leider Gottes so, dass es dem Verein nicht gut geht. Und das Ziel der Vorstandschaft und von uns allen ist, dass einfach der Fortbestand des Vereins fortgeführt wird", Erzählt Christian Tremel vom VfL Fronlach, dessen Verein erst im letzten Jahr 100 Jahre alt wurde.
"Es wäre eine Sünde und eine Schande, wenn man den einfach so vor die Hunde gehen lassen würde. Letztendlich wenn man sich hier umsieht, ist ja auch eine Anlage da, die sehenswert ist. Die muss allerdings erhalten und gepflegt werden, und das sind viele Bereiche wo letztendlich Kosten notwendig sind. Und dafür ist das Geld natürlich dringend notwendig."
Sorgen und Nöten bleiben außen vor
Geld, das eigentlich durch den so genannten Grundlagenvertag zugesichert wird, durch den der Profi- den Amateurfußball eigentlich finanziell unterstützt. Doch der ist schon lange in der Kritik, vor allem durch diverse Nebenabsprachen zwischen Deutscher Fußball-Liga DFL für die Profis, und dem DFB, der den Amateurfußball dabei vertritt. Diese Zusatzvereinbarung zum Vertrag müsse eindeutig als Förderung der Profis und zu Lasten des Amateurfußballs eingeordnet werden, schrieb die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in einem bemerkenswerten Fazit, als sie sich mit einer Strafanzeige zum Vertrag beschäftigen musste.
Für den ehrenamtlichen Vorstand Michael Franke vom FT Gern ist klar, dass sich die Amateurvereine um solche Fragen nicht auch noch kümmern können, und andere in der Pflicht sind: "Wir befassen uns damit, ob die Wasserhähne noch funktionieren. Ob die Heizung funktioniert. Ob die Flutlichtlampe ausgetauscht werden muss. Und darüber hinaus sich noch Gedanken über Verbandsthemen zu machen, ist schlichtweg nicht möglich."
Aber wie kann auf der einen Seite der Wert der Amateure so in den Himmel gelobt werden und auf der anderen Seite kein Bewusstsein für diese Nöte vorherrschen? Direkte Finanzspritzen des Verbands an die Clubs lehnt DFB-Präsident Keller mit Blick auf das Steuerrecht ab. Der DFB, selbst eingetragener Verein, will seine Gemeinnützigkeit nicht riskieren:
"Wir haben ein Steuerrecht, in der Gemeinnützigkeit sind einfach solche Geschenke nicht erlaubt. Ganz einfach, das ist so. Und ich glaube, wir müssen Lobbyarbeit für die machen. Das ist nicht schön und gut, das ist äußerst wichtig."
Der DFB hat nun mit Hilfe seiner eigenen Studie den Wert des Amateurfußballs erkannt. Dessen Sorgen und Nöten bleiben für den Verband aber weiterhin größtenteils außen vor.