Eine Gruppe von rund 20 Personen besucht ein Kreisliga-Spiel im Raum Greifswald. Höhnisch singen sie davon, dass sie nicht rechtsradikal seien. Ihre kahlen Köpfe, Abzeichen oder gängige Kleidung in der rechtsradikalen Szene sprechen eine andere Sprache. Ganz vorne am Spielfeldrand trägt sogar eine Person martialisch einen Schweinskopf auf dem Kopf.
Eine der beiden Mannschaften auf dem Platz ist der FC Al Karama. Der Klub besteht aus syrischen Flüchtlingen und ist seit seiner Gründung 2018 immer wieder von fremdenfeindlichen Anfeindungen während der Spiele begleitet worden.
Der Vereinsvorsitzende Ibrahim Al Najjar hat sich wegen dieser und ähnlicher Ereignisse zum Rückzug der Mannschaft aus der Kreisliga entschlossen: "Der Verein hat sich aus dem Spielbetrieb der Kreisliga zurückgezogen, da die Spieler sehr schlechte Erfahrungen im Sport erlebt haben: Rassismus, Diskriminierung, Beleidigung, Hass! Nur weil sie Migrationshintergrund haben. Also Beschimpfung und Angriffe, ‚ab nach Hause’, Affengeräusche. Das ist einfach Beleidigung!"
Fremdenfeindliche Übergriffe schon 2016
Organisiert worden sind diese Anfeindungen zum Beispiel über die Facebook-Gruppe "Fußball im Kreis bleibt weiss", die sich mittlerweile offenbar aufgelöst hat oder gelöscht wurde. In Suchmaschinen findet sich allerdings immer noch die Selbst-Beschreibung zu der Gruppe, wörtlich: "Wir sind eine Seite die gegen eine Asyl-Mannschaft im Amateurfußball sind".
Ibrahim Al Najjar sagt: "Einfach Hetze und Rassismus. Und wenn man in die Facebook-Gruppe "Fußball im Kreis bleibt weiss" guckt, dann sieht man Hetze gegen Migranten. Normalerweise darf es das im Fußball, im Sport nicht geben."
Auch das Ministerium für Inneres und Europa in Mecklenburg-Vorpommern kennt diese Facebook-Gruppe. Allerdings seien Reaktionen der rechtsextremistischen Szene auf diese Seite derzeit nicht bekannt, erklärt das Ministerium auf Deutschlandfunk-Anfrage. Es bestätigt aber, dass im Nachgang eines Kreisliga-Spiels mit den Rufen "Wir sind nicht rechtsradikal" zwei Strafanzeigen wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und eine Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen worden sei.
Eine bereits existierende Handreichung mit 100 Hinweisen für die Präventionsarbeit "Gegen Gewalt und Rassismus im Fußball" wolle man genau prüfen und gegebenenfalls aktualisieren. Diese soll dann an den Landesfußballbund, die Kreis-Fußballverbände und an die kommunalen Präventionsräte verteilt werden.
Doch ob eine Broschüre solche Vorfälle letztendlich verhindern kann, erscheint eher fraglich. Denn schon als die syrischen Kicker eine dritte Mannschaft beim Greifswalder FC bildeten, kam es zu fremdenfeindlichen Auswüchsen, berichtet der Pressesprecher des Vereins Philipp Weickert:
"Es gab bei uns schon Vorfälle fremdenfeindlicher Natur. Das müsste ungefähr im Jahr 2016 gewesen sein. Da gab es die Aktion hier "Unser Kreis bleibt weiss". Da gab es dann ein Auswärtsspiel unserer dritten Mannschaft damals noch, in der viele Syrer auch gespielt haben. Und da wurde die Aktion ganz heiß gemacht, und groß, und jeder soll doch kommen. Ja, fanden wir überhaupt nicht gut, weil es gehört überhaupt nicht zum Fußball."
#weareallmonkeys in Greifswald
Philipp Weickert ergänzt noch, dass sein Verein auch wegen der Verpflichtung eines schwarzen Spielers solche fremdenfeindlichen Erfahrungen machen musste, unter anderem wurden bei Facebook Bananen unter der Transfermeldung gepostet. Auch deshalb trete sein Verein solchen Vorfällen offensiv entgegen:
"Wir haben eine Aktion dagegen gestartet, die Dani Alves glaube ich irgendwann, als er noch Spieler beim FC Barcelona war, ins Leben gerufen hat. Unsere ganze Mannschaft hat dann Bananen gegessen, und diese ganz Aktion haben wir dann unter dem hashtag #weareallmonkeys laufen lassen."
Das Ministerium für Inneres und Europa bestätigt, dass sich in der Fußballfanszene des Landes auch Rechtsextremisten bewegen. Auf Dauer angelegte rechtsextremistische Strukturen seien hier jedoch gegenwärtig nicht erkennbar. Der zuständige Fußballverband Vorpommern-Greifswald äußert sich auf Deutschlandfunk-Anfrage nicht zu den Vorfällen rund um den FC Al Karama.
Unterstützung aus der Politik aber keine Angebote aus dem Fußball
Doch der Rückzug des Vereins sorgt aktuell bis in die höchsten politischen Kreise für Aufmerksamkeit. Unter der Woche besuchte die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken den Klub und auch die Integrationsbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Reem Alabali-Radovan, äußert sich gegenüber dem Deutschlandfunk dazu:
"Im Sport hat Rassismus wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen keinen Platz. Wir verurteilen die rassistischen Anfeindungen auf den Fußballklub Al Karama. Sport ist der Integrationsmotor, und nirgendwo sonst, ist es so leicht, Begegnung zu schaffen, und Vielfalt zu leben. Ich bin im engen Austausch mit dem Vereinsvorstand Ibrahim Al Najjar."
Solche Rückmeldungen machten ihm Mut, sagt der Vorsitzende des FC Al Karama. Ibrahim Al Najjar und sein Verein wollen den Trainingsbetrieb weiter aufrechterhalten und auch Freundschaftsspiele austragen. Den Weg in den organisierten Spielbetrieb zurück, zum Beispiel zur Saison 21/22, will er nicht ausschließen. Das sei aber noch ein langer Weg, der ohne weitere Unterstützung kaum zu bewältigen sei:
"Also bis jetzt haben wir keine Angebote bekommen. Also weder vom Fußballverband noch vom Landessportbund."