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Amateurfußball in Zeiten von Corona
Abbruch versus Fortsetzung der Saison

Während die deutschen Profis die Fußball-Saison fortsetzen, wird bei den Amateurfußballern über den Saisonabbruch heftig diskutiert. Bayern will weiter spielen, Westfalen dagegen die Saison abbrechen. Weil jeder der 21 DFB-Landesverbände alleine entscheidet, droht ein Flickenteppich.

Von Thorsten Poppe |
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Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen FLVW will die Saison abbrechen, Bayern dagegen will die Saison zu ende spielen (imago/Sebastian Wells)
Frankreich, Belgien, die Niederlande, England, und Schottland haben es schon frühzeitig erklärt. Vor Kurzem sind auch Österreich und die Schweiz gefolgt: Saisonabbruch für die Amateurklassen im Fußball. Eine notwendige Entscheidung, meint der Generalsekretär des Schweizerischen Fußballverbands, Robert Breiter:
"Wir sind uns bewusst, dass dieser Entscheid mit sehr großen Enttäuschungen verbunden ist. Bei vielen Klubs, Spielern, und Trainern. Allerdings hatten wir auch keine andere Wahl. Es sind bereits Zehntausende Spiele verschoben, der Kalender drückt, die nächste Saison wartet. Wir haben Probleme mit der Infrastruktur, es sind nicht genügend Schiedsrichter verfügbar. Die Spieler können im Amateurbereich nicht zweimal pro Woche spielen, und letzten Endes geht es ganz besonders um die Gesundheit, und unseren Beitrag an das Gemeinwohl."
Landesverbände haben sich nicht geeinigt
Hierzulande ist eine solche zentrale Entscheidung seitens des Deutschen Fußball Bundes DFB nicht mehr vorstellbar. Dafür hätten sich die 21 Landesverbände, die eigenständig unter dem Dach des DFB agieren, auf einen gemeinsamen Fahrplan einigen müssen. Doch dazu ist es unter den Verbandspräsidenten nicht gekommen, wie Gundolf Walaschewski vom zweitgrößten DFB-Landesverband "Westfalen" erklärt:
"Klar hätten wir gerne eine bundeseinheitliche Regelung gehabt. Das hatten wir auch angestrebt in der Konferenz der Verbandspräsidenten, aber es ist dann nicht dazu gekommen, und jetzt muss eben jeder Landesverband seine eigene Regelung treffen, sodass es also tatsächlich einen bunten Fleckenteppich geben wird. Das hat natürlich mit den unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern zu tun, mit den Ferienregelungen und ähnlichen Dingen."
Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen FLVW wird zum Beispiel empfehlen, die Saison abzubrechen. Dafür hat der Verband eine Abfrage unter den mehr als tausend Vereinen seines Einzugsgebietes durchgeführt. Fast 90 Prozent haben sich gegen eine Saisonfortsetzung ausgesprochen. Auch unter der Annahme, dass Fußballspiele frühestens wieder ab dem 1. September möglich wären. Doch unter der Woche hat die Wirklichkeit die westfälischen Amateurvereine eingeholt, Kontaktsport soll schon wieder ab Ende Mai in NRW durchgeführt werden können. Da hatte der FLVW aber schon bekannt gegeben, welche Regelung bei einem Saisonabbruch gelten sollen: Der aktuelle Tabellenstand wird mit einem Quotienten hochgerechnet, es gibt nur Auf-, aber keine Absteiger. Möglichen Klagen gegen dieses Vorgehen sieht Walaschewski gelassen entgegen.
Bayerische Fußball-Verband BFV will Saison ab September fortsetzen
Anders ist es dagegen im größten Landesverband des DFB, in Bayern. Der Bayerische Fußball-Verband BFV will die Saison ab September fortsetzen, falls die Politik in dem Bundesland dann wieder Großveranstaltungen erlaubt beziehungsweise die Kontaktsperren aufgehoben sind. Der Geschäftsführer des BFV Jürgen Igelspacher will somit auch rechtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen, die bei einem etwaigen Saisonabbruch drohen:
"Wir halten die Fortführung der Saison ab 1. September 2020 für den sportlich fairsten und auch den rechtssicheren Weg. Dann werden die sportlichen Fragen dort geklärt, wo das aus unserer Sicht richtig ist. Nämlich auf dem grünen Rasen und nicht am Richtertisch. So sehen nicht nur wir das, sondern auch mehr als zwei Drittel der bayerischen Vereine, die das in einem Meinungsbild zum Ausdruck gebracht haben."
Zur Fortsetzung der Saison setzt der bayerische Fußballverband nun fünf so genannte "Lösungsarbeitsgruppen" ein, die alle noch zu klärenden Fragen für die Saisonverlängerung beantworten sollen, zum Beispiel, wann Spieler ihren Verein wechseln dürfen und wie der Spielbetrieb sicher organisiert werden kann.
Um zu dieser Entscheidung zu kommen, hat der BFV über 100 Videokonferenzen mit den Klubs durchgeführt, an denen über 10.000 Vereinsvertreter teilgenommen hatten. Sogar das Wort "Fußball" ist dabei gezählt worden, wie oft es gefallen ist: Laut dem BFV mehr als 1.100 Mal!
Harsche Kritik kommt aus Westfalen
Am Ende ist das Meinungsbild eindeutig gewesen. Mehr als 2.100 Vereine haben für die Fortsetzung gestimmt. Mit diesen knapp 70 Prozent Befürwortung ist das Ergebnis quasi umgekehrt zu dem im Fußballverband Westfalen, wo fast 90 Prozent für den Saisonabbruch gestimmt haben. Deshalb kritisiert der Präsident des Fußballverbandes Westfalen, Gundolf Walaschewski, das Verfahren in Bayern.
"Also im Bayerischen Fußballverband war ja schon seit langer Zeit klar, dass die Verbandsspitze gerne die Saison zu Ende gespielt haben würde. Dementsprechend sind auch die Fragestellungen bei den Vereinen gewesen. Also das war sozusagen die Wahl zwischen einem leichten Schnupfen, und einer veritablen Lungenentzündung. Einerseits eben Abbruch der Saison mit Annullierung der gesamten Saison. Und auf der anderen Seite eben weiterspielen. Damit kann man natürlich schon eine Abstimmung in eine gewisse Richtung lenken."
Die harsche Kritik aus Westfalen an Bayern zeigt die Uneinigkeit im deutschen Amateurfußball, und dass die einzelnen Landesverbände des DFB unter diesen Voraussetzungen gar nicht zu einer einheitlichen Lösung kommen konnten. Anders, als es beispielsweise Österreich und die Schweiz vorgemacht haben. Obwohl dort die Struktur der Verbände ähnlich der des DFB sind. Allerdings muss man dabei auch berücksichtigen, dass die Schweiz und Österreich bei der Anzahl der Amateurkicker nicht mit Deutschland mithalten können. Der Bayerische Fußballverband ist jedenfalls davon überzeugt, mit seiner Entscheidung auf dem richtigen Weg zu sein, wie BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher noch einmal deutlich macht:
"Alle, die nun die Saison abbrechen wollen, gehen aus meiner Sicht davon aus, dass wir im Sommer ohne jegliche Einschränkung wie gewohnt weiterspielen können. Was ist aber, wenn dies aufgrund des Pandemieverlaufs nicht möglich ist? Dann ist die laufende Saison abgebrochen mit den ganzen Streitigkeiten, und die kommende neue Saison muss vielleicht ebenfalls abgebrochen werden, weil es dafür nicht genügend Zeit gibt. Wir sind deshalb gemeinsam mit den Vereinen zur Entscheidung gekommen, vor allem unter Berücksichtigung der sportlichen Aspekte, dass wir zu mindestens eine Saison gesichert beenden wollen."
Alle anderen Landesverbände setzen sich zurzeit ebenfalls mit der Entscheidung Saisonfortsetzung oder Abbruch auseinander. Der DFB wird sich zum Flickenteppich "Amateurfußball" in der nächsten Woche äußern, und erklären, wie er damit umgeht.