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Firephone scannt Umgebung ab

Amazon-Chef Jeff Bezos hat auf einer großen Show in Seattle das konzerneigene Smartphone vorgestellt: das Firephone. Es hat ein imposantes 3D-Display und die App Firefly. Einzigartig ist die Einbindung des Gerätes in Marketing und Verkaufsaktivitäten des Online-Händlers. Zudem entstehen mithilfe des Smartphones detaillierte Nutzer-Profile.

Von Achim Killer |
    Nichts, aber auch gar nichts hat Jeff Bezos ausgelassen, als er das Amazon-Handy vorgestellt hat. Selbst seiner Mutter hat er gedankt - dafür, dass sie ihm als Kind ein Märchen vorgelesen habe, dessen Moral es war, man müsse es anders machen als die Anderen. Und das gelte auch für Smartphones.
    "Die Frage, die mir wahrscheinlich am häufigsten gestellt worden ist, lautet: Wird Amazon ein Telefon entwickeln? Aber wir bei Amazon haben uns eine andere Frage gestellt, nämlich: Können wir für unsere besten Kunden ein besseres Telefon entwickeln? Also, es freut mich, dass ich Ihnen sagen kann: Die Antwort ist: Ja."
    Die Einbindung des Firephone in Marketing und Verkaufsaktivitäten des Online-Händlers ist tatsächlich einzigartig. 3D-Grafik und Hardware sind vom Feinsten.
    "Was ist unter der Motorhaube? Wir machen heutzutage viel mit unseren Smartphones. Dazu braucht man viel Leistung unter der Haube: ein 2,2-Gigahertz-Prozessor mit vier Kernen, Grafik-Prozessor und zwei Gigabyte Arbeitsspeicher."
    App Firefly
    So etwas hätte man früher Server genannt und ins Rechenzentrum gestellt. Allerdings die größte Rechenarbeit erledigt nicht das Handy, sondern die Cloud, mit der Amazon seine Kundschaft über das Smartphone verbindet. Der Konzern ist schließlich auch der größte Anbieter von Cloud-Dienstleistungen. Mit der Mustererkennung - einer klassischen Supercomputer-Aufgabe - sind dort Tausende von Servern befasst. Firefly nennt sich die Funktion des Smartphones, die 100 Millionen gescannter oder fotografierter Dinge identifiziert und passende Amazon-Angebote dazu einblendet.
    "Firefly kann Kunstwerke erkennen. Versuchen wir es mit diesem: Mann mit rotem Hut. Bitte sehr! Informationen aus Wikipedia zum Gemälde und zum Künstler."
    Mann mit rotem Hut vom Renaissance-Maler Vittore Carpaccio - ein harmloses und nettes Beispiel. Jeff Bezos führt vor, wie Firefly eine von Lichtreflexionen überblendete Telefonnummer erkennt. Amazon schaut dazu in einer Datenbank nach, welche der möglichen Ziffernkombinationen der fragliche Telekommunikationsanbieter überhaupt vergeben hat. So etwas geht nicht auf dem Handy, sondern nur in der Cloud.
    "Das geschieht völlig vor dem Anwender verborgen. Der Anwender erfährt davon nichts. Aber er bekommt die richtige Telefonnummer. Wir haben uns viele Tricks ausgedacht, um schnell antworten zu können. Sie haben ja gesehen - das geht zack zack - wie schnell Firefly ist."
    Detaillierte Nutzer-Profile
    Und all die gescannten Telefonnummern, die aufgezeichneten Umgebungsgeräusche, die Ortsdaten und die Bilder speichert Amazon ebenfalls in seiner Cloud. So entstehen detaillierte Nutzer-Profile. Das Firephone ist das Frontend eines mächtigen verteilten Supercomputers, der herausfindet, was dem Anwender nützt, der aber vor allem auch das über den Anwender herausfindet, was Amazon nützt. Der Konzern ist einer der wichtigsten Anbieter von Big-Data-Dienstleistungen. Und Big Data zu eigenen Zwecken verarbeitet hat er schon, bevor dieser Begriff erfunden worden ist. Zur Datenerfassung beim Anwender dient die außergewöhnlich leistungsfähige Hardware des Geräts. Das Supercomputing findet dann im Rechenzentrum statt.
    Angriff auf die Privatsphäre?
    Das Firephone sei vielleicht der bislang größte Angriff auf die Privatsphäre, schreibt die US-amerikanische IT-Publikation Venture Beat. Sie hat denn auch prompt Zusatzinformationen von Amazon bekommen, wie Venture Beat euphemistisch schreibt. Nein, Amazon kombiniere nicht die vom Anwender in die Cloud hochgeladenen Privatfotos mit den Scans von Firefly. Und außerdem könne der Anwender auch jederzeit die Firefly-Daten löschen lassen. Venture Beat hat Amazons Angaben brav veröffentlicht, wie es sich gehört. Allerdings das ursprüngliche Fazit des Artikels hält die Redaktion aufrecht. In dem in einer sexualisierten Sprache geschriebenen Beitrag heißt es: So sehen die feuchten Träume der NSA aus.