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Amazon-Serie "Beat"
Nightlife im Berghain

Ein gewagter, furios inszenierter Genre-Mix aus Szeneportrait, Thriller und philosophischem Moralstück: Die deutsche Amazon-Serie "Beat" erzählt von einem Techno-Promoter, der von einem europäischen Geheimdienst angeworben wird, um eine globale Verbrecherorganisation auszuspionieren.

Von Eric Leimann |
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    "Beat" - keine Serie über Techno, sondern über eine Figur, die im Nachtleben in Berlin verwurzelt ist. (Amazon.com, Inc. or its affiliates)
    "Ein Flug weit über alle Grenzen. Ein Leben auf einem Lichtstrahl. Das bin ich – Beat."
    Ein mit Drogen vollgepumpter Hedonist als Held einer ernst gemeinten deutschen Serie - das gab es auch noch nicht. Gleich die Eröffnungsszene von "Beat" zeigt die Qualitäten dieser wuchtigen Erzählung.
    Während draußen in Berlin die Sonne aufgeht und sich Kinder auf den Weg zur Schule machen, kehrt der von Jannis Niewöhner gespielte Held in die Katakomben seines Clubs zurück. Über die Kamera, die ihm folgt, wird der Zuschauer mit hineingezogen in die Tiefen dieses Tanz-Tempels, der ein bisschen an den Club Moka Efti aus der Serie "Babylon Berlin" erinnert. Nur eben 90 Jahre Berliner Ekstase später.
    Techno als Trigger für den Crime-Plot
    Der 41-jährige, hochgelobte Regisseur Marco Kreuzpaintner hat sich die Serie ausgedacht.
    "Eigentlich geht es in "Beat" um mein Lebensgefühl, das ich in den vergangenen 15 Jahren, die ich in Berlin gelebt habe - jetzt tu ich es nicht mehr - habe, was das Nachtleben in Berlin betrifft und wie ich das erlebt habe. Und das ist eigentlich nur der Trigger für den Crime Plot. Das heißt, das ist keine Serie über Techno, aber es ist eine Serie über eine Figur, die im Nachtleben in Berlin verwurzelt ist."
    "Beat ist ein Wunscherfüller. Jemand, der andere über die Schwelle tragen kann, von der Wirklichkeit zum Traum. Er weiß genau, was jemand braucht und er weiß, wie er es bekommt."
    Christian Berkel spielt den Task Force-Leiter eines europäischen Geheimdienstes, der Beat anwerben lässt, um ein skrupelloses Verbrechersyndikat auszuspionieren, das finanziell neuerdings am Techno-Club beteiligt ist. So kommen nicht nur die Welten Techno und Agententhriller zusammen, sondern auch zwei spannend konzipierte Gegenspieler.
    Neben dem stark aufspielenden Jannis Niewöhner als Feier- und Drogenbiest, der jedoch auch die Technowerte Gemeinschaft und kollektive Liebe hochhält, ist das Philipp Vossberg, gespielt von Alexander Fehling. Kühl aber nicht fleischlos gibt er den jungen, smarten Chef des Verbechersyndikats, ein asketisch lebender Controlfreak ohne echte Beziehungen.
    Zwei Lebenshaltungen, die um die Wahrheit ringen
    "Der eine ist ein Geber, der sein letztes Hemd für seinen Mitbewohner, seine Umgebung, seine Familie ausziehen würde. Und der andere kennt das Prinzip von Geben gar nicht, sondern der fragt ganz klar immer: 'What is in it for me?' Für denjenigen, der ein Nehmer ist, dem kommt natürlich dieses ewig Gebende von Beat auch absurd vor. Es sind einfach zwei komplett unterschiedliche Ansätze, die um die Wahrheit batteln miteinander."
    erläutert Marco Kreuzpaintner. Vor allem der Gegensatz zwischen diesen beiden Figuren machen den Techno-Thriller "Beat" auf subtile Weise zu einem philosophischen Denkstück. Der Drogenkonsument als Moralist, der smarte Businessmann, der ebenfalls gern über Werte beziehungsweise ihre Abwesenheit referiert, als Promoter eines bösartigen Existenzialismus.
    Trotz philosophischer Monologe oder zum Diskurs anregenden Szenen, in denen man Techno-Tänzer, Flüchtlingsströme und Waffengeschäfte in der Parallel-Montage verfolgt, ist "Beat" vor allem spannende Unterhaltung in kinoreifen Bildern. Sogar die Clubszenen wirken authentisch - kein Wunder, es wurde ein echter Club gebaut und echte Partys darin gefeiert.
    Fünfte deutsche Amazon-Serie
    Der amerikanische Streamingdienst Amazon, so heißt es, will mit seiner mittlerweile fünften deutschen Serie vor allem das hiesige Publikum erobern. Trotzdem soll "Beat" natürlich auch international auf Interesse stoßen. Für Schauspieler Christian Berkel ist das Setting der Serie daher wohl auch nicht zufällig gewählt …
    "Berlin steht im Moment international in der Wahrnehmung hauptsächlich für diese Subkultur und auch Techno-Szene, dieses Nachtleben. Wenn Sie nach New York gehen und nach Berlin fragen, dann haben die Leute eher schon mal "Berghain" gehört als Bode-Museum, ja! (lacht) Obwohl vielleicht die Museumsinsel in Berlin insgesamt viel mehr mit unserer Geschichte zu tun hat, aber die jüngere Geschichte ist eben diese."