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American Football
Das Gladiatoren-Image bröckelt

Eine medizinische Studie belegt die schweren gesundheitlichen Langzeitschäden für die Gehirne von Footballspielern. Als vor hundert Jahren Akteure auf dem Rasen starben, mischte sich der damalige Präsident ein und sorgte dafür, dass die Sportart entschärft wurde. Anders der jetzige Amtsinhaber.

Von Jürgen Kalwa |
    Marion Barber (l.) von Dallas Cowboys und Al Harris (r.) von den Greenbay Packers
    American Football-Spieler leben gefährlich (picture alliance / dpa / epa Larry W. Smith)
    Auf dem Weg ins Weiße Haus hat Donald Trump so manche öffentliche Beschwerde vorgetragen, die bei seinen Anhängern auf große Sympathie stoßen. Seine Absicht: das Bild eines Landes in der Krise zu zeichnen. Notfalls mit Metaphern aus dem Sport. Amerikas populärste Mannschaftssportart sei sowas von weich geworden, sagte er vor einer Weile. So wie das ganze Land:
    "So I am watching the game yesterday. What used to be considered a great tackle, a violent head-on, a violent...and it was incredible to watch. Right? Football has become soft. Like our country has become soft. It's true, It's true."
    18 Todesopfer in einem Jahr waren nicht ungewöhnlich
    Für das, was hart ist und was weich, wieviel die Gladiatoren in den Arenen der Profis und College-Athleten jeden Herbst und Winter riskieren, gab es noch nie eine klare Linie. Vor etwas mehr als hundert Jahren etwa starben regelmäßig junge Spieler im Kampf ums Ei. Der damalige Präsident Theodore Roosevelt, selbst ein begeisterter Athlet und Football-Fan, bestellte damals die einflussreichsten Trainer ins Weiße Haus und bedrängte sie, so wörtlich, "speziell die Brutalität im Spiel" zu reduzieren.
    Stoff für ein ganzes Buch, das der amerikanische Journalist John Miller vor ein paar Jahren veröffentlichte: "So traurig es klingt, die Zahl von 18 Todesopfern im Jahr 1905 war nicht mal so ungewöhnlich. Das war der Normalzustand."
    Football-Spieler sind anfällig für Demenz und Depressionen
    Roosevelt rettete durch die Intervention, so lautet die Einschätzung der Historiker heute, die Sportart vor einem frühen Aus. Etwas anderes ist das Los der Hauptfiguren auf dem Rasen. Heute sterben viele ehemalige Fooballspieler einfach nur einen anderen Tod. Sie entwickeln früh Demenz, Depressionen und Selbstmordgedanken.
    Diese Entwicklung wird von einer Studie abgestützt, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Sie fasst den Stand der Untersuchungen an den Gehirnen verstorbene Football-Spieler zusammen und stellte fest: 99 Prozent von ihnen litten an CTE, einer chemischen Veränderung des Gehirns, die man früher als Boxerkrankheit bezeichnete. Ausgelöst von starken, aber auch weniger starken Gehirnerschütterungen. Resultat eines Spiels, in dem Gegner immer wieder brutal aufeinander prallen.
    Gewaltverherrlichung als Religion
    Die Nachricht produzierte ein starkes Echo, auch wenn die Forschungsergebnisse schon länger in diese Richtung weisen. Wie dies unlängst der vielbeachtete Hollywood-Film "Concussion" mit Will Smith thematisierte.
    Er entlarvt den perversen, tief in der amerikanischen Psyche verankerten Gladiatoren-Ethos der Sportart. Der wurde in einer Werbung für ein Videospiel mit dem von Donald Trump so verehrten Lawrence Taylor vor ein paar Jahren so angepriesen: "While they pray for salvation we play for survival. This is our cathedral. The game is our religion."
    NFL stellt Geld für medizinische Fürsorge bereit
    Gewaltverherrlichung als Religion. Das fällt der NFL allerdings immer schwerer. Sie willigte deshalb vor einer Weile in einen außergerichtlichen Vergleich mit tausenden von ehemaligen Profis ein. Die Liga stellt fast eine Milliarde Dollar bereit, um die medizinische Fürsorge der Betroffenen zu finanzieren.
    Ähnliche Quittungen könnten noch auf andere Sportarten zukommen. Die NHL etwa, die erfolgreichste Eishockey-Profi-Liga der Welt, kämpft vor Gericht gegen Schadenersatzforderungen im neunstelligen Bereich. Selbst das lange ignorante Rugby kommt langsam auf den Trichter.
    Auch im Rugby wacht man langsam auf
    Vor einiger Zeit machte sich die britische BBC an die Arbeit, um die Macho-Kultur des Spiels in Frage zu stellen. Im Interview erklärt der ehemalige englische Nationalspieler Andy Hazell, auf welche Weise seine Karriere frühzeitig endete: Aufgrund von mehreren Gehirnerschütterungen und angetrieben von der Sorge um Langzeitschäden.
    Die Befürchtungen seien groß, sagte er. Aber er versuche einfach, nicht darüber nachzudenken. "Wir werden sehen."
    Rückgang der Gehirnerschütterungen in der NFL, Anstieg im Rugby
    Was die Verantwortlichen der Sportart angesichts solcher Perspektiven tun werden, lässt sich nicht abschätzen. Während die angeblich weicher gewordene NFL dank der von Trump verhassten neuen Regeln einen Rückgang der Gehirnerschütterungen meldet, stiegen sie im Rugby in den letzten Jahren ungebremst weiter an. Was auch an einem neuen Spielertypus liegt: Der ist muskelbepackt, schwergewichtig und schnell unterwegs.
    Dabei sind Gehirnschäden gar nicht mal das einzige Problem. Am dramatischsten ist die Zahl der Wirbelsäulen- und Rückenmarksverletzungen. In Großbritannien leben derzeit mehr als hundert querschnittsgelähmte Rugby-Spieler.