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Amerikas Rückkehr ins All

Mehr als zwei Jahre nach dem Columbia-Unglück wollen die USA am 13. Juli 2005 wieder ein Space Shuttle ins All schicken. Seit dem Frühjahr 2003 hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA die verbliebenen drei Fähren zerlegt, generalüberholt und neu zusammengesetzt. Künftig gelten für Start und Landung sowie für den Missionsablauf im All verschärfte Sicherheitsvorkehrungen.

Von Guido Meyer |
    Am 1. Februar 2003 starben alle sieben Astronauten an Bord der Columbia, die Shuttle-Flotte erhielt Startverbot. Mehr als zwei Jahre lang hat die amerikanische Raumfahrtbehörde ihre drei verbliebenen Fähren überarbeitet. Jetzt hofft die NASA, dass die neu entwickelten, provisorischen Reparaturtechniken während der kommenden 28 Shuttle-Flüge nicht wirklich angewandt werden müssen.

    Das klang alles noch recht laut und ungefiltert beim ersten Start eines Space Shuttles vor mehr als 24 Jahren. Offensichtlich war auch der Sprecher der US-Raumfahrtbehörde NASA vom Krach überrascht und ging mit seinem Kommentar in den Vibrationen des Starts fast völlig unter. Am 12. April 1981 ritt die Raumfähre Columbia erstmals auf einem Feuerstrahl in den Himmel über Florida. An den Erschütterungen beim Lift-Off sollte sich jedoch auch knapp ein Vierteljahrhundert später nichts geändert haben, was beim 28. und letzten Start dieses Orbiters im Januar 2003 sein Verhängnis werden sollte.

    81 Sekunden nach dem Start löste sich ein Stück Schaumstoff vom großen braunen Außentank und prallte mit mehr als 700 Kilometer pro Stunde auf die Vorderkante des linken Flügels. Durch das so entstandene Leck strömten beim Landeanflug der Columbia am 1. Februar 2003 heiße Gase aus der Atmosphäre ins Innere des Raumschiffs, die seine Struktur zum schmelzen und die gesamte Fähre verglühen ließen. Alle sieben Astronauten an Bord starben; die Shuttle-Flotte erhielt Startverbot.

    "Es ist nur ehrlich zuzugeben, dass mit Sicherheit von nun an jeder Flug als experimenteller Flug und das Schiff als experimentelles Vehikel eingestuft wird. Die nächste Mission wird ein Test-Flug werden, und alle bisherigen einhundert-drei-zehn Einsätze waren ebenfalls Test-Flüge. Keine der Missionen war einer anderen vergleichbar, mit Ausnahme der Tatsache, dass sie alle gestartet sind. Keine zwei Flüge waren identisch, und ich sehe nicht voraus, dass sich das in Zukunft ändern wird. Es wird ein experimentelles Vehikel bleiben, wahrscheinlich bis zu dem Tag, an dem es stillgelegt wird. "

    Der bisherige Chef der NASA, Sean O’Keefe. Mehr als zwei Jahre lang hat die amerikanische Raumfahrtbehörde ihre drei verbliebenen Fähren überarbeitet. Dabei hat sie sich größtenteils auf Empfehlungen des Columbia Accident Investigation Boards (CAIB) berufen, das 2003 zahlreiche Verbesserungsvorschläge für die restlichen Shuttle-Missionen ausgearbeitet hatte. Zu diesem Komitee gehörten unter anderem die Amerikas erste Astronautin, Sally Ride, und der Direktor des Space Policy Instituts der George Washington University in Washington, D.C., John Logsdon.

    "Wird STS-114 ein Test-Flug werden? Jawohl. Werden wir den Inhalt der Mission ändern gegenüber unseren ursprünglichen Planungen? Ja, werden wir. Der Schwerpunkt wird eindeutig auf den Kachel- und Panel-Reparatur-Techniken liegen sowie auf dem Einsatz des Verlängerungsarms mit seinem Laser. All diese Dinge haben dazu beigetragen, dass von den ursprünglichen Missionszielen nicht mehr viel übrig bleibt. Dies ist wirklich ein reiner Experimentierflug, der sicherstellen soll, das wir danach die ISS vernünftig fertig stellen können."

    William Readdy, Chef der Abteilung für Bemannten Raumflug bei der NASA. Die Mission STS-114 mit der Discovery wird ein Testflug werden, der die zahlreichen Änderungen am System Space Shuttle erstmals einem Praxis-Test unterwerfen wird. Hauptneuerung ist einer der Kernpunkte der Empfehlungen des CAIBs, ein Verfahren nämlich, mit dem Lecks künftig im Weltraum provisorisch repariert werden sollen...

    "So klingen die einzelnen schwarzen Panele, die zusammengesetzt die Flügel der Raumfähren eigentlich vor den Belastungen des Wiedereintritts schützen sollten. Bei der Konzeption dieser kohlenstoffverstärkten Aluminiumsegmente hatten die Konstrukteure in den siebziger Jahren aber nur an die Reibungshitze gedacht, nicht an den Einschlag massiver Körper. Im Johnson Space Center der NASA in Houston, Texas, sind die übrigen drei Raumfähren Discovery, Atlantis und Endeavour in die letzten zwei Jahren fast völlig zerlegt und generalüberholt worden. Don Curry, System-Ingenieur der NASA. "

    "Das Hitzeschutzsystem der Shuttles besteht aus zwei Bestandteilen: zum einen den schwarzen und weißen Keramikkacheln und zum anderen der doppelt verstärkten Karbonaußenhaut an den Flügeln. Zwei-und-zwanzig dieser Panele liegen auf jeder Seite an den Kanten auf. Wenn man hier um die Fähre herumgeht, sieht man, dass die einzelnen Segmente alle verschieden groß und damit verschieden schwer sind. Sie wiegen im Schnitt rund zwanzig Kilogramm. "

    In eines dieser Panele ist beim letzten Start der Columbia ein Stück Schaumstoff eingeschlagen und hat ein Loch in die Flügelvorderseite gerissen. Damit haben sich gerade diese Aluminiumplatten als Schwachstelle der Außenhaut erwiesen. Der überwiegende Teil der äußeren Hülle jedes Orbiters ist mit speziell entwickelten Kacheln abgedeckt. Auch diese dienen primär der Isolierung beim Wiedereintritt, nicht dem Auffangen oder Abprallen harter Körper. John Kowal, NASA-Ingenieur für das Hitzeschutzsystem.

    "Nach jedem Flug kehrt der Orbiter mit kleineren Schäden an seinen Kacheln zurück. Normalerweise handelt es sich dabei um Risse von wenigen Zentimetern Länge, die wir später auf dem Boden abdichten können. Wenn es zu schlimm wird, ersetzen wir die Kacheln. Basierend auf diesen Erfahrungen haben wir Vorschriften für die Inspektion der Fähren im Weltraum entwickelt. Sollten die Astronauten künftig Risse entdecken, die länger sind als sieben bis acht Zentimeter, werden wir entscheiden, ob das Leck im All repariert werden muss oder das Shuttle mit diesem Schaden zurückkehren kann zur Erde. "

    Als 1981 erstmals eine Raumfähre abhob, lösten sich durch die Vibrationen beim Start bereits die ersten Kacheln. Nach diesen Erfahrungen wurde ein neuer Klebstoff entwickelt, der sich bis heute bewährt hat. Seitdem lösen sich Kacheln nur noch in Ausnahmefällen komplett, doch selbst dann ist der Orbiter durch die darunter liegende hitzeabweisende Isolationsschicht immer noch so gut geschützt, dass er in die Atmosphäre eintreten und landen kann. Auf diese Erfahrungen will sich die NASA aber nicht länger verlassen.

    "Die Roboterarme der Raumfähre und der Raumstation könnten beide mit Kameras die Unterseite der Fähren inspizieren. Der hintere Teil der Shuttles lässt sich damit jedoch nicht komplett abdecken. Auch wenn wir die Kameras an der Außenseite der ISS hinzunehmen, bleiben immer noch Lücken. Sie entstehen genau an den kritischen Stellen, den äußeren Flügelkanten. Um auch diese beobachten zu können, haben wir eine Verlängerung des Arms konstruiert, an deren Ende nun eine Kamera sitzt, die mögliche Schäden aufnehmen kann. Unter der Kamera wiederum sitzt ein Laser, der die Flügelkanten abtasten und nach Rissen suchen wird. Mit seiner Hilfe erhalten wir auch Informationen über die Tiefe möglicher Lecks. "

    Andre Silvester, Manager des Ingenieurs-Teams am Johnson Space Center. Während dieser Inspektion wird der Roboterarm der Raumstation den Orbiter auch greifen und ihn so drehen, dass die Besatzung der ISS mögliche Schäden an seiner Unterseite erkennen kann. Dazu hat eine unbemannte, russische Progress-Kapsel bereits zwei Spezial-Kameras zur Internationalen Raumstation geflogen. Das Aufspüren kleinerer Risse bleibt dem Laser überlassen. Müssen Astronauten aussteigen, tragen sie ein neu entwickeltes Reparatur-Set auf den Lufttanks ihrer Weltraumanzüge. Laura Bailey, Chef-Ingenieurin für Reparaturen an Kacheln und Außenhaut.

    "Als Reservoir für die dickflüssige Flick-Masse dient eine Art Rucksack. Er ist über einen Schlauch mit einer Spritzkanone verbunden, die der Astronaut in der Hand hält. Wird ihr Abzug gedrückt, vermischen sich die beiden getrennt im Rucksack gelagerten Stoffe und kommen als Fertigmix aus dem Schlauch. "

    STA-54 nennt sich dieses dickflüssige, karminrote Gemisch aus zwei Silikon-Komponenten, das wie Baiser-Masse aussieht. Nach dem Auftragen wird es hart, sieht aus und fühlt sich an wie Radiergummi. Ob dies im Vakuum des Weltraums genauso funktionieren wird wie bei den Tests im Johnson Space Center, wird sich während der Discovery-Mission zeigen, auf der die Astronauten auch noch weitere Verfahren ausprobieren werden.

    Natürlich hofft die NASA, dass die neu entwickelten, provisorischen Reparaturtechniken während der kommenden 28 Shuttle-Flüge nicht wirklich angewandt werden müssen. Sollte wirklich beim Start erneut ein Leck entstehen, es aufgespürt und im All geflickt werden, bleibt trotz aller Bodentests und Versuche in Vakuumkammern unklar, in welchem Zustand das Schiff den Flug durch die Atmosphäre überstehen wird, denn dazu werden bis zu einem möglichen Ernstfall keine Erfahrungen vorliegen. Paul Hill, Flugdirektor der NASA.

    "Ursprünglich hatten wir vor, auszusteigen und eine Stelle mit dem Flickkit zu bearbeiten, um zu sehen, wie es funktioniert. Wird die Reparatur jedoch nicht hundertprozentig korrekt ausgeführt oder bleibt danach eine Delle zurück, können diese Unebenheiten beim Landeanflug Turbulenzen verursachen, die insgesamt die die Hitzeverteilung ungünstig beeinflussen. Stattdessen werden wir in der Ladebucht der Fähre mit Aluminiumplatten und Kacheln arbeiten, die identisch sind mit denen der Außenhaut des Orbiters. Nach der Rückkehr werden wir die Teile röntgen und die Kacheln in der Hitzekammer einem Temperaturtest unterziehen, der der thermischen Beanspruchung eines Wiedereintritts entspricht. "

    Abgesehen von den Nutzlasten in eigener Sache, den unterschiedlichen Reparatur-Materialen für das Shuttle selbst, wird Discovery auch Nachschub in Form von Nahrung, Wasser, Werkzeug und wissenschaftlichen Experimenten zur ISS liefern. Dazu ist einer der italienischer Raffaello-Container mit mehr als einer Tonne Nutzlast ausgerüstet worden. Dabei handelt es sich um ein unbemanntes Mehrzweck-Modul, das je nach Mission bestückt wird. Es ist in der Ladebucht der Raumfähre verankert, dockt an die ISS an und kann von dort aus entladen werden.

    "Wir haben uns dagegen entschieden, wie ursprünglich geplant, die Mannschaft der ISS auswechseln. Wir hatten erwogen, die jetzige Zwei-Mann-Not-Besatzung gegen eine volle Dreier-Crew auszutauschen. Diesmal werden wir uns aber nur auf Nachschub und Reparatur-Arbeiten konzentrieren und die ISS-Mannschaft bei der nächsten Mission auswechseln. "

    Flugdirektor Paul Hill. Und so werden der Russe Sergei Krikaljow und der Amerikaner John Phillips vorerst den Betrieb der Raumstation aufrechterhalten, bis zum Flug STS-121 der Atlantis, der für Juli vorgesehen ist. Außerdem wird ein zweites Human Research Facility Rack in der großen Tonne zur ISS befördert werden und seine Heimat im amerikanischen Labor Destiny finden. Mit seiner Hilfe sollen biomedizinische Forschungsarbeiten in der Umlaufbahn durchgeführt werden.

    Eine weitere wichtige Aufgabe des Discovery-Fluges ist der Austausch eines von vier Gyroksopen, die die Station zur Lagestabilisierung im All benötigt. Mindestens zwei müssen funktionieren, damit die ISS sich im All ausrichten kann und damit amerikanische Shuttles oder russische Raumkapseln sicher andocken können. Erst im März war zum wiederholten Mal ein solcher Steuerkreisel ausgefallen.

    Sollte künftig beim Start einer Raumfähre etwas schief gehen und der Schaden für eine sichere Rückkehr zu riskant sein, soll der Orbiter zur Raumstation fliegen und dort angedockt blieben, bis Rettung naht – in welcher Form auch immer. Die ISS als "Safe Haven". Das Schlagwort vom "Sicheren Hafen" hatte die NASA wenige Monate nach dem Shuttle-Unglück als erstes Zugeständnis an die Columbia-Kommission ausgegeben. Mittlerweile aber hat sich herausgestellt, dass es künftig ausschließlich Flüge zur Orbitalstation geben wird, nachdem die Raumfahrtbehörde aus angeblichen Sicherheitsgründen auch die einzige Ausnahme gestrichen hat, die Reparaturmission zum Weltraumteleskop Hubble. Michael Kostelnik, Vize-Chef des Raumfähren- und Raumstationsprogramms bei der NASA.

    "Für den Ernstfall werden wir in Zukunft bei jeder Mission ein zweites Vehikel vorbereiten. Es wird zwar nicht auf der Abschlussrampe stehen, aber im Prinzip startklar sein. Wir werden Discovery starten und Atlantis so weit vorbereiten, dass sie notfalls binnen dreißig Tagen zur ISS fliegen und die dort gestrandete Besatzung aufnehmen könnte. Sauerstoff, Treibstoff und Nahrung an Bord der Raumstation würden für eine größere Mannschaft solange reichen. "

    Per Fernsteuerung müsste die Discovery dann von der ISS weggelenkt und zum Verglühen in der Erdatmosphäre gebracht werden, damit der Andockknoten an der Raumstation für eine Rettungsmission frei wird, die mit STS-300 bezeichnet ist. Anfang der siebziger Jahren waren war eine aus dem Mondprogramm übriggebliebene Apollo-Kapsel so umgebaut worden, dass sie fünf statt drei Astronauten in einem Notfall zurück von der Raumstation Skylab hätte bringen können. Es ist seitdem das erste Mal, dass die NASA zusätzlich zum eigentlichen Flug eine Rettungsmission plant.

    Doch auch wenn – wovon die NASA natürlich ausgeht – Discovery und ihre Schwesterschiffe bei der kommenden und allen folgenden Missionen selbständig zur Erde zurückkehren kann, wird der Landeanflug nicht mehr der gleiche sein wie der letzte von Columbia. Greg Oliver, Chef der Abteilung Start und Landung.

    "Ändern wird sich die Route, die zurückkehrende Shuttles künftig nehmen werden. Wir haben eine Analyse durchgeführt, inwieweit die Öffentlichkeit durch den Überflug des Raumschiffs nach seinem Wiedereintritt gefährdet ist. Bei allen drei möglichen Landepunkten ergeben sich jedoch Risiken für die Bevölkerung, allein durch den regionalen Luftfahrtverkehr, so dass es wenig Sinn macht, generell auf andere Orte auszuweichen. "

    Columbia war nach ihrem Wiedereintritt in die Atmosphäre auf ihrem Weg von West nach Ost, von Kalifornien nach Florida, sechzehn Minuten vor der geplanten Landung am Kennedy Space Center, über den US-Bundesstaaten Louisiana und Texas zerbrochen. Neben dem Startort Cape Canaveral hat die amerikanische Raumfahrtbehörde ihre Shuttles aber auch schon auf der Edwards Air Force Base in der kalifornischen Wüste und in einem ausgetrockneten Salzsee in New Mexiko landen lassen. Sollte die sichere Rückkehr einer Raumfähre bei einem der kommenden Flüge nicht hundertprozentig gewährleistet sein, würde die NASA das Shuttle erneut umlenken zur Militärbasis White Sands nach New Mexiko, wo bisher erst einmal, neunzehnhundert-zwei-und-achtzig, ein Schiff gelandet ist. Jim Halsell, Planungschef des Unternehmens Return to Flight, ist einer der NASA-Verantwortlichen, die die Empfehlungen des CAIBs umsetzen.

    "Ein gewisses Risiko ist bei allen drei Landeorten vorhanden, egal welche Route wir auch wählen. Wir definieren eine Landemöglichkeit immer als eine Kombination aus der auf dem Boden vorhandenen Infrastruktur und der Flugroute, die zu dieser Stelle führt. Und die somit vorhandenen Risiken rechtfertigen es unserer Meinung nach nicht, einen der Zielflughäfen komplett zu streichen. "

    In den Anfangsjahren, als die Fähren noch neu waren und keine Erfahrungen mit horizontal und auf Rädern landenden Raumschiffen vorlagen, war der Luftwaffenstützpunkt Edwards schlicht aus Platzgründen prädestiniert. Hätte das Shuttle mitten in der flachen Wüste die Landebahn verfehlt, wäre nicht viel passiert. Am Kennedy Space Center, mit nur einer einzigen, kürzeren Landebahn, die zudem mitten in einer Sumpflandschaft liegt, muss die Landung präzise erfolgen, zumal die Fähren nur einen einzigen Versuch haben. Da die Orbiter gleitend aus dem All zurückkehren, können sie nicht durchstarten, sollte der erste Anflug fehlschlagen. Eine Landung in Cape Canaveral erspart der NASA jedoch den aufwendigen und teuren Rücktransport huckepack der Fähren auf einem Jumbo-Jet quer über den nordamerikanischen Kontinent.

    Die kommende Landung der Discovery am Kennedy Space Center, am Ende ihrer zwölftägigen Mission, wird die bislang best dokumentierte sein. Auf diese Weise erhofft die NASA sich eine lückenlose Überwachung der Systeme, um Fehler so zu erkennen, bevor Schaden verursacht wird. Auch dies war eine der Bedingungen der Untersuchungskommission, bevor die Flüge wieder aufgenommen werden. Erstmals sollen nicht nur stationäre Bodenkameras eingesetzt werden, sondern auch mobile. John Muratore, Manager der Space-Shuttle-System-Integration.

    "Ein Problem ist, dass sich die Erde unter der Raumfähre wegbewegt. Bei jeder Umdrehung verschiebt sich der Orbit des Shuttles um 22,5 Grad nach Westen. Ein Flugzeug oder ein Schiff, das sich für einen bestimmten Landeanflug zum Kennedy Space Center positioniert hätte, wäre also nicht notwendigerweise noch hilfreich, wenn die Rückkehr zur Erde verschoben wird und die Landung ein oder mehrere Erdumläufe später stattfindet. Flugzeuge können da wiederum zwischen den möglichen Routen hin- und herpendeln. Schiffe können wir so platzieren, dass sie sich jeweils zwischen zwei möglichen Flugstrecken aufhalten."

    Zwei WB-57-Jets werden die kommenden beiden Return-to-Flight-Missionen der Discovery und der Atlantis bei ihren Starts und bei ihren Landeanflügen aus einer Höhe von knapp zwanzig Kilometern beobachten. Auf dem Boden werden künftig an doppelt so vielen Standpunkten wie bislang Kameras das Abheben des Raumschiffs aufzeichnen, das ergibt 75 verschiedene Blickwinkel. Die Luft- und Raumfahrt-Ingenieurin Christine Boykin, bei der NASA für die Integration des Space-Shuttle-Sytems zuständig.

    "Was flugbasierte Kameras betrifft, werden wir künftig eine auf dem Außentank befestigen und jeweils zwei auf den seitlichen Zusatzraketen. Diese beiden werden nach innen gerichtet sein und sowohl auf den Tank blicken als auch die Flügelkanten des Orbiters beobachten. "

    Des Weiteren wird eine Kamera an der Unterseite der Discovery befestigt werden, die ebenfalls die Trennung des Tanks filmen soll. Die Auswertung der einzelnen Filmdokumente wird zu unterschiedlichen Stadien des Fluges erfolgen. So wie die stationären Instrumente sowohl Live-Beobachtung ermöglichen als auch eine spätere Auswertung in Zeitlupe, werden auch die fliegenden Kameras zu jeweils anderen Stadien der Mission ausgewertet.

    "Die Kamera auf dem externen Tank überträgt live, weil wir diesen nicht zurückbekommen, sondern er in der Atmosphäre verglüht. Die Kameras auf den Feststoffraketen zeichnen auf und werden gemeinsam mit den Boostern nach dem Ausbrennen und Absprengen aus dem Atlantik geborgen und nach drei bis vier Tagen ausgewertet."

    Das gesamte Szenario der möglichst lückenlosen visuellen Protokollierung eines Take Offs ist auf Tageslicht ausgelegt. Nachtstarts und –landungen hat die NASA vorerst ad acta gelegt, kann und will sie aber nicht völlig ausschließen. Die neuen Sicherheitsvorkehrungen haben die möglichen Zeitfenster, innerhalb derer ein Shuttle die Raumstation erreichen kann, drastisch eingeschränkt, so dass sich früher oder später die Notwendigkeit zu einem Lift Off bei Dunkelheit ergeben könnte.

    "Wie wir zu einem Nachtstart kommen, haben wir noch nicht abschließend geklärt. Eine Möglichkeit, auch in Dunkelheit Kameraüberwachung zu gewährleisten, wäre aber die folgende: Die Bodenkameras werden durch die brennenden Triebwerke der Zusatzraketen geblendet. Gegen dieses gleißende Licht käme bei Dunkelheit kein Objektiv an. Könnten wir jedoch aus einem Flugzeug heraus von oben das startende Space Shuttle beobachten, würden die Kameras auf einen relativ dunklen Orbiter mit dem Licht im Rücken blicken. Dies wäre die ersten dreißig, vierzig Sekunden nach dem Lift Off möglich, bis zu einer Höhe von vielleicht fünf Kilometern. Wir könnten auch Radar einsetzen, dass die Fähre mit Radiowellen abtastet statt sich des Lichtes und damit optischer Aufzeichnungen zu bedienen. "

    Egal ob die Raumfähren bei Dunkelheit oder bei Tageslicht abheben, egal wie lückenlos die Eins-zu-Eins-Überwachung durch Kameras sein wird – die Live-Übertragung scheint für die NASA doch eher eine psychologische Absicherung zu sein. Wäre der Einschlag des herabstürzenden Schaumstoffs auf die Columbia in Echtzeit und nicht erst einen Tag später entdeckt worden, hätte sie ihre Reise ins All wahrscheinlich trotzdem fortgesetzt. Flugdirektor Paul Hill.

    "Wir werden nicht anhand der Live-Bilder unmittelbare Entscheidungen treffen, falls also irgendjemand irgendetwas den Orbiter treffen sieht. Deswegen werden wir nicht den Start abbrechen und zurück zum Kennedy Space Center fliegen, ohne eine Umlaufbahn erreicht zu haben. Das wäre eine sehr gefährliche Alternative. Das ist ein Grund, warum wir uns darauf fokusieren, das Hitzeschutzsystem robuster und weniger anfällig für Schäden zu machen sowie darauf, unbedingt die Raumstation zu erreichen, wo die Crew dann erst einmal sicher ist. Wenn wir einmal gestartet sind, wollen wir auch ins All. Das ist sicherer, als umzudrehen und sofort zum Startplatz zurückzukehren."

    Für den Abbruch eines Shuttle-Starts gibt es drei Möglichkeiten. Erreicht die Fähre funktionierend eine Umlaufbahn, kann die Mission aber aufgrund eines schwerwiegenden Fehlers trotzdem nicht fortführen, könnte sie nach der Mindestverweildauer im All – nämlich einer Erdumdrehung – wieder in die Atmosphäre eintreten und einen gewöhnlichen Rückflug einleiten.

    Schafft es das Shuttle wegen einer Fehlfunktion seiner Triebwerke oder der Zusatzraketen nicht ganz bis ins All, kann es nach einem teilweisen Orbit auf verschiedenen Flughäfen in Europa, Afrika, Amerika, Australien und im Pazifik landen, abhängig von der erreichten Höhe und dem zurückgelegten Erdumlauf. Dies ist ein Grund, warum bei Raumfährenstarts in Cape Canaveral auch stets zum Beispiel über Hawaii die Sonne scheinen muss, falls ein Shuttle auf dem dortigen Militärstützpunkt notlandet.

    Der heikelste Fall ist die Rückkehr zum Startplatz, die – wie auch die anderen beiden Varianten – praktisch noch nie erprobt wurde. Sie erfordert das Abschalten der drei Haupttriebwerke der Raumfähre und das darauffolgende Drehen des Fahrzeuges im Flug. Danach muss es gleitend zu Cape Canaveral zurückdirigiert werden.

    "Es sind schön früher Dinge gleich beim Start schiefgelaufen. Wir hatten Ausfälle elektrischer Systeme und Probleme mit den Haupttriebwerken. Teilsweise traten diese Defekte noch auf der Startrampe auf, aber nachdem die Zusatzraketen bereits gezündet waren, also gab es kein zurück mehr. Wir haben später deren Abtrennung problemlos geschafft und den Orbit erreicht, so dass den meisten Menschen die Panne gar nicht aufgefallen war. Tritt jedoch ein direktes Antriebsproblem auf, müssen wir warten, bis die Feststoffraketen ausgebrannt sind, bevor wir einen Abbruch einleiten können. "

    Die beiden dünnen weißen Raketen zu beiden Seiten des braunen Treibstofftanks liefern den eigentlichen Schub, der den Gesamtkomplex Space Shuttle gegen die Erdanziehungskraft ins All schießt. Sie zünden etwa sechs Sekunden nach den Haupttriebwerken der Fähre, die selbst zu schwach sind, um das Shuttle von der Startrampe zu lösen. Diese können jedoch wieder abgestellt werden, sollte der Computer nach dem Zünden einen Fehler feststellen, da sie mit flüssigem Treibstoff betrieben werden, dessen Zufuhr unterbrochen werden kann. Die beiden Booster hingegen funktionieren wie gigantische Silvesterraketen: Einmal gezündet, brennen sie ab. Bevor sie nach rund zwei Minuten verbraucht ist, können sie nicht abgetrennt werden, kann die Fähre keinen Startabbruch durchführen und kann die Besatzung nicht vorzeitig aussteigen.

    Neben den Zusatzraketen bleibt auch der große braune Außentank eine Schwachstelle des Space-Shuttle-Konzeptes. Das Abbröckeln braunen Schaumstoffs von der Außenhülle führte vor zwei Jahren zum Columbia-Unglück. William Readdy, Chef der Abteilung für Bemannten Raumflug bei der NASA.

    "Der Grund, warum der Schaumstoff überhaupt da ist, ist seine Isolierfunktion. Er verhindert, dass sich Eis auf der Hülle des Außentanks bildet, solange das Shuttle auf der Startplattform steht. Der Tank ist mit tiefgekühltem flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff gefüllt, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit am Kennedy Space Center Eisklumpen bilden würden. Sich lösendes massives Eis wäre beim Start noch wesentlich gefährlicher als Schaumstoff, so dass wir Eisbildung auf der Außenhaut auf jeden Fall verhindern müssen. "

    Bei den ersten Raumfähren-Starts Anfang der 80er Jahre war der Tank noch weiß, aber nicht etwa, weil er keine Schaumstoffverkleidung besaß, sondern weil die NASA es für ihr neues Raumschiff schöner fand, alles – also Orbiter, Zusatzraketen und Außentank – in einem schicken Weiß zu halten. Also wurde der braune Tank weiß gestrichen, was aber wiederum das Startgewicht erhöhte, so dass die Raumfahrtbehörde auf dieses ästhetische Moment bald verzichtete. Ohne abdeckende Farbschicht jedoch bröckelte die Isolierung.

    "Wir dachten, wir hätten das Sich-Lösen des Schaumstoffs verstanden, spätestens seit der Mission STS-50 mit der Columbia neunzehn-hundert-zwei-und-neunzig. Damals hatten wir Kameras auf den Feststoffraketen angebracht, die während des Starts Videoaufnahmen von der Innenseite des Tanks machten. Was wir sahen, war eine Art Popcorn-Phänomen: Der Schaum heizte sich beim Start auf und heiße Gase, die unter der äußeren Isolierschicht gefangen waren, sprengten einzelne Fetzen des Schaums ab, die teilweise die Ausmaße einer größeren Münze erreichten. Wir haben eine Technik entwickelt, diese Isolierschicht von unten zu belüften, so dass sich seitdem nur noch wesentlich kleinere Teile lösen können. "

    Das Schaumstoffteil, das beim letzten Flug der Columbia ihren linken Flügel traf, hatte sich genau von der Stelle gelöst, an der der Außentank mittels einer kleinen Rampe mit der Unterseite des Orbiters verbunden ist. Diese Erhebung fällt beim neuen Design der Tanks nun weg. Auch andere Soll-Bruchstellen, - Unebenheiten, die die Gefahr abbrechender Trümmer erhöhen - wurden beseitigt. Statt von innen belüftet zu werden, wird die Isolierschicht nun durchgehend beheizt.

    Diese und alle andere Verbesserungsmaßnahmen der letzten beiden Jahre führen dazu, dass der kommende Flug der Discovery der bislang sicherste Shuttle-Flug wird – jedenfalls nach den Worten der US-Raumfahrtbehörde NASA. Garantien gibt es jedoch keine. Derzeit steht die zusammenmontierte Startfiguration bereits auf der Rampe am Kennedy Space Center. Erst im April jedoch, beim Roll Out, auf dem Weg von der Montagehalle zur Startplattform, waren wieder winzige Risse in der Außenhaut des Tanks entdeckt worden. Zu künftigen Risiken trägt bei, dass die NASA nicht alle Ratschläge der Columbia-Kommission konsequent umgesetzt hat. So lässt sich die Mannschaftskabine nach wie vor nicht absprengen, um in einem Notfall an einem Fallschirm separat zu landen. Dies hätte eine komplette Neukonstruktion der Fähren erfordert, die jedoch zeit- und geldaufwendig gewesen wäre.

    28 Mal noch werden Raumfähren ins All starten, werden amerikanische Astronauten die ISS ansteuern und sie zuende bauen. Dies soll bis 2010 passiert sein. Nach einer mehr als zehnjährigen Bauzeit ist die Station dann fertig und werden die Raumfähren, nach drei jahrzehntelangem Einsatz, eingemottet. Ein neues Raumschiff soll erst ab 2014 bereitstehen.

    Der neue NASA-Chef Michael Griffin hat in den letzten Wochen bereits angedeutet, dass ihm die Entwicklung des derzeit mit Crew Exploration Vehicle (CEV) bezeichneten Shuttle-Nachfolgers zu lange dauert. Ohne Raumfähren und ohne CEV hätte Amerika ansonsten für mindestens vier Jahre keinen Zugang ins All. Da die USA zugunsten der von Präsident Bush ausgerufenen Explorationspläne zu Mond und Mars auch ihre Beteiligung an der Internationalen Raumstation nach ihrer Vollendung zurückfahren wollen, könnte für die Neue Welt so eine ungewohnte Zwangspause anbrechen. Erstmals seit den siebziger Jahren hätten die Vereinigten Staaten somit weder eigene Astronauten im All noch überhaupt ein selbständiges Transportmittel für die Reise in die Umlaufbahn. Da die Russen jedoch derzeit sowohl neue Module für die ISS als auch größere Mannschaftskapseln entwickeln und auch China seine Anstrengungen in der bemannten Raumfahrt mit einem zweiten Flug von Taikonauten noch in diesem Jahr verstärkt, droht Amerika seine Rolle als führende Raumfahrtnation durch eigene Fehlplanung zu verspielen.