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Bericht von Amnesty International
Zwangsarbeit bei Sicherheitsleuten für WM in Katar

Amnesty International berichtet von Menschenrechtsverletzungen und ausbeuterischer Arbeit bei privaten Sicherheitsfirmen in Katar. Beschuldigt werden auch Unternehmen, die an der Sicherheitsinfrastruktur für die WM 2022 beteiligt sind.

Von Marina Schweizer und Christian Mixa |
Eine Überwachungskamera unter dem Tribünendach im Al-Bayt Stadium in Doha
Überwachungskamera im Al-Bayt Stadium in Doha - Amnesty International beklagt ausbeuterische Arbeitsverhältnisse bei Sicherheitsfirmen in Katar (AFP)
Sicherheitsleute in Katar arbeiten unter Bedingungen, die Kriterien von Zwangsarbeit erfüllen - dies ist das Ergebnis eines am Donnerstag (07.04.2022) vorgelegten Berichts von Amnesty International. Betroffen von den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen sind laut Amnesty vor allem Arbeitsmigrantinnen und Migranten.
Unter den katarischen Firmen, denen Amnesty "schwerwiegende Menschenrechtsverstöße" vorwirft, befinden sich auch drei Firmen, die Sicherheitspersonal für Projekte in Verbindung mit der Fußball-Weltmeisterschaft und für Veranstaltungen der FIFA gestellt haben. Darunter auch die Klub-WM im vergangenen November in Katar. Auch dort seien einige der eingesetzten Wachleute Zwangsarbeit ausgesetzt gewesen, so der Vorwurf.

Viel Arbeit für Sicherheitsfirmen bei der WM in Katar

Bisher standen vor allem die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Je näher die Weltmeisterschaft rückt, gerate nun die Arbeit der Sicherheitsfirmen in Katar stärker in den Fokus - betonte Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International gegenüber dem Deutschlandfunk. Bei der WM werde eine hohe Anzahl von Sicherheitskräften im Einsatz sein: für Dienstleistungen rund um die Hotels, aber auch für die Durchführung der Spiele, Einlasskontrollen und die Sicherung der Stadien.

Amnesty dokumentiert Zwangsarbeit bei WM-Sicherheitsfirmen in Katar

In ihrem Bericht "They think that we're machines" hat die Menschenrechtsorganisation Anzeichen für Zwangsarbeit dokumentiert. Auf der Basis von Aussagen von Arbeitskräften, die bei sieben großen katarischen Sicherheitsfirmen beschäftigt waren. Untersucht wurden insgesamt 59 Fälle, davon 34 aus dem Zeitraum zwischen April 2021 und Februar 2022.
Es handele sich demnach nicht um eine repräsentative Studie, dies sei schon allein wegen des schwierigen Zugangs zu Arbeitsmigrant*innen schwierig, sagte Nahost-Expertin Müller-Fahlbusch. Die Ergebnisse deckten sich aber mit früheren Berichten aus anderen Arbeitsbereichen, bei denen ähnliche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert worden seien. Die Vermutung liege deshalb sehr nahe, dass es sich auch bei den Beschäftigten katarischer Sicherheitsfirmen tatsächlich "um strukturelle und systematische Menschenrechtsverletzungen" handele.

Arbeiten bis zu 12 Stunden täglich, ohne Ruhetag

Demnach mussten Beschäftigte gegen ihren Willen und unter Androhung von Strafen Arbeit verrichten. Manche von ihnen mussten bis zu 12 Stunden täglich arbeiten, sieben Tage in der Woche, zum Teil über Monate. "Wir arbeiten von Januar bis Januar, von Sonntag bis Sonntag, kein freier Tag", wird ein Wachmann aus Uganda im Amnesty-Bericht zitiert.
Den eigentlich auch nach katarischem Gesetz vorgeschriebenen Ruhetag hätten die Arbeitgeber verweigert, hieß es weiter. Anderen Mitarbeitern sei der Lohn gekürzt worden, wenn sie wegen Krankheit nicht arbeiten konnten.
Kommandozentrale für Sicherheit bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der Aspire Zone in der Nähe des Khalifa International Stadiums in Doha
"Arbeiten von Januar bis Januar, von Sonntag bis Sonntag" - Sicherheitszentrum in der Nähe des Khalifa International Stadiums in Doha (AFP)

Amnesty: Großes Machtgefälle zwischen Firmen und Arbeitsmigranten

Die von Amnesty beschriebene Ausbeutung sei Ausdruck des nach wie vor großen Machtgefälles zwischen katarischen Unternehmen und den Arbeitskräften aus ärmeren Ländern wie Bangladesch, Nepal oder Pakistan, sagte Stephen Cockburn, Leiter der Amnesty-Abteilung für Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit:
"Viele der Sicherheitsleute, mit denen wir gesprochen haben, waren sich bewusst, dass ihre Arbeitgeber gegen das Gesetz verstoßen. Aber ihnen fehlte die Handhabe, dagegen vorzugehen. Und vor allem die Unterstützung katarischer Behörden, die geltendes Arbeitsrecht durchsetzen müssten."
Die Betroffenen hätten daher weiter bis zur Erschöpfung und darüber hinaus gearbeitet. Aus Angst vor Gehaltseinbußen - oder den Job gleich ganz zu verlieren und abgeschoben zu werden.

Sicherheitsunternehmen bei der WM in Katar im Fokus

Im Anschluss an die wiederholte Kritik an den Zuständen auf den WM-Baustellen habe Katar zwar Fortschritte erzielt, hieß es vonseiten Amnestys. Dazu zählten vor allem die Einführung eines Mindestlohns und Reformen beim ausbeuterischen "Kafala"-System, das Arbeitsmigrant*innen in Katar der Abhängigkeit und Willkür ihrer Arbeitgeber ausgesetzt hat.
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Im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen gehe die Ausbeutung der Beschäftigten jedoch unverändert weiter, offensichtlich auch mit dem Wissen der katarischen Politik, betonte Amnesty.
"Unsere Erkenntnisse zeigen erneut, dass die katarische Regierung nicht ernsthaft darum bemüht ist, ihre eigenen Gesetze umzusetzen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sie brechen", sagte Amnesty-Expertin Müller-Fahlbusch.

Zwangsarbeits-Vorwürfe: Amnesty fordert von FIFA Entschädigung

Müller-Fahlbusch warf auch dem Fußball-Weltverband FIFA Untätigkeit vor. Die FIFA sei als WM-Ausrichter an die Leitprinzipien der Vereinten Nationen und Menschenrechte gebunden. Zwar habe der Weltverband in der Vergangenheit bereits einzelne Verträge mit Sicherheitsfirmen aufgelöst, so Müller-Fahlbusch im Dlf. "Allerdings viel zu spät", so die Amnesty-Expertin.
Die FIFA müsse bereits beim Abschließen von Dienstleisterverträgen gründlich und von unabhängiger Stelle prüfen, ob mögliche Risiken vorliegen. Bei Verstößen im Rahmen laufender Verträge müsse die FIFA sofort Abhilfe schaffen, forderte Müller-Fahlbusch. Was die FIFA bislang in dieser Hinsicht getan hat, reiche nicht aus: "Wenn Menschen schon Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, dann muss sie Entschädigungen zahlen."