Archiv

Jahresbericht
Amnesty prangert angesichts des Kriegs in der Ukraine westliche Doppelmoral an

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Amnesty International dem Westen Doppelmoral vorgeworfen. Seine entschlossene Reaktion auf Russlands Aggression stehe in scharfem Kontrast zu einem "beklagenswerten Mangel" an sinnvollen Maßnahmen gegen schwerwiegende Verletzungen durch einige Verbündete, "darunter Israel, Saudi-Arabien und Ägypten", kritisiert die Menschenrechtsorganisation in ihrem neuen Jahresbericht.

    Callamard sitzt an einem Konferenztisch.
    Agnes Callamard, Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. (picture alliance/AP Photo/Denis Farrell)
    Scharfe Kritik gibt es auch am brutalen Vorgehen der iranischen Regierung gegen Demonstranten sowie an Einschüchterungsversuchen mit Gewalt und Drohungen aus China.
    Generalsekretärin Callamard meinte, dass der Westen mit zweierlei Maß messe, habe es etwa China, Ägypten und Saudi-Arabien ermöglicht, Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz zu umgehen. Doppelmoral und unangemessene Reaktionen auf Menschenrechtsverletzungen hätten auf der ganzen Welt zu Straflosigkeit und Instabilität geführt. Russlands Invasion in der Ukraine sei ein erschreckendes Beispiel dafür, was passieren könne, wenn Staaten glaubten, sie könnten internationales Recht missachten und Menschenrechte ohne Konsequenzen verletzen. Die Reaktionen auf Russlands Invasion in der Ukraine habe aber gezeigt, was getan werden könne, wenn der politische Wille vorhanden sei. Diese Maßnahmen mit harten Sanktionen müssten eine Blaupause sein für den Umgang mit anderen Menschenrechtsverletzungen.

    Scharfe Kritik an Amnesty von Roth (SPD)

    Amnesty hatte zuletzt auch selbst scharfe Kritik auf sich gezogen. Der Organisation werden antisemitische Haltungen vorgehalten, weil sie Israel immer wieder Apartheid vorwirft. Diesen Vorwurf bekräftigte Amnesty auch jetzt wieder, indem von der "Weigerung, dem israelischen System der Apartheid gegen die Palästinenser entgegenzutreten", gesprochen wird. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Roth, teilte mit, im Umgang mit Israel seien Amnesty - Zitat - "alle Maßstäbe verrutscht". Erst werde das Land als Apartheidsregime diskreditiert und jetzt in eine Reihe mit autoritären Regimen wie Saudi-Arabien und Ägypten gerückt. Der SPD-Politiker fügte hinzu, dass er selbst seit vielen Jahren finanzieller Förderer von Amnesty sei.
    Ähnlich hatte sich der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Beck, geäußert. Amnesty sei einstmals eine renommierte Menschenrechtsorganisation gewesen, inzwischen sei sie ein "korrupter Honigtopf für Antisemit:innen", führte der frühere Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen aus.
    Mit Anstand kann man dort nicht mehr Mitglied sein.

    Zunahme von Hassverbrechen und Rassismus in Deutschland beklagt

    Unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums vom vergangenen Mai verweisen die Menschenrechtler auch auf die gestiegene Zahl der Übergriffe im Zusammenhang mit Antisemitismus, sexueller Orientierung, Geschlecht und Behinderung. In absoluten Zahlen seien fremdenfeindliche Hassverbrechen am häufigsten gewesen. Der Generalsekretär der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation, Beeko, erklärte, man blicke auch mit Sorge auf die Versammlungsfreiheit. Neue Gesetze wie in Nordrhein-Westfalen weiteten staatliche Befugnisse unangemessen aus und schränkten die Versammlungsfreiheit weiter ein. Das sei auch in Bayern und Hessen zu beobachten.

    Menschenrechte weltweit zunehmend eingeschränkt

    Besonders erschreckend sei indes die gewaltsame Niederschlagung von Protesten weltweit. Für den Jahresbericht wurde die Lage der Menschenrechte in 156 Ländern untersucht. Demnach haben Sicherheitskräfte in 85 Staaten im vergangenen Jahr unrechtmäßige Gewalt gegen Demonstrierende angewendet. Außer im Iran hat sich auch in Afghanistan die Menschenrechtslage den Angaben zufolge seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 massiv verschlechtert.
    Erstmals enthält der Bericht auch eine Statistik zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie wurden in 20 der 156 untersuchten Ländern dokumentiert - darunter in der Ukraine.
    Diese Nachricht wurde am 28.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.