Luise Neubauer, Dunja Hayali, Sawsan Chebli, Renate Künast. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Frauen in Deutschland, die Hass im Internet erlebt haben. Frauen, die - so wie die genannten - auch sonst in der Öffentlichkeit stehen. Und Frauen, die das nicht tun, sich aber am Diskurs in sozialen Netzwerken beteiligen – und dort dafür auch Beleidigungen, verbale Erniedrigungen oder sogar Morddrohungen erfahren.
Das Problem ist nicht neu. Und die Unternehmen aus dem Silicon Valley kündigen regelmäßig an, etwas gegen die Hassrede bei sich unternehmen zu wollen; beispielsweise hat Twitter bei seinen Kommentaren eingeführt, dass Userinnen und User selbst entscheiden können, wer auf ihre Tweets antworten kann.
Amnesty: Twitter tut nicht genug
Doch die bisher erfolgten Maßnahmen reichen nicht aus, stellt Amnesty International nun fest. Zwar gebe es einen gewissen Fortschritt, doch tue Twitter immer noch nicht genug, um den vielfachen Missbrauch zu bekämpfen, heißt es in einer aktuellen Untersuchung der Menschenrechtsorganisation. Dies führe dazu, dass viele Frauen auf der Plattform schwiegen oder sich selbst zensierten.
Überdurchschnittlich oft betroffen seien Frauen, die zu ethnischen oder religiösen Minderheiten gehörten oder lesbisch, bisexuell oder transgeschlechtlich seien.
Als mögliche Erklärung für diese Form des "radikalen Antifeminismus" sprach die Diplom-Psychologin (und @mediasres-Kolumnistin) Marina Weisband jüngst im Wissenschaftsportal spektrum.de von einer "übergeordneten Erzählung". Diese laute: "Frauen und Ausländer wollen euch was wegnehmen" - ein "rechtes Narrativ", so Weisband.
Forderung nach mehr Aufklärung und Transparenz
Und wie kann sich das ändern? Wie könnten Frauen besser geschützt werden? Twitter müsse transparenter sein und zeigen, wie es Technologien entwickele und anwende, um Missbrauch zu identifizieren, fordert Amnesty. Die Menschenrechtler haben bereits 2018 in einem ersten Report ("Toxisches Twitter") auf das Thema geblickt.
Damals sei der Kurznachrichtendienst ein "wirklich ein gefährlicher Ort für Frauen" gewesen, habe dieses Problem aber bis dahin "völlig ignoriert", sagte Anna-Lena von Hodenberg gegenüber dem Deutschlandfunk. Von Hodenberg ist Geschäftsführerin von HateAid, einer Organisation, die Opfer von Online-Hass berät und unterstützt.
Damals habe Twitter verstanden, "dass es etwas getan werden muss", so von Hodenberg. Doch die seitdem gegangenen "kleinen Schritte" reichten insgesamt nicht aus. Zwar seien Möglichkeiten geschaffen worden, mit denen Userinnen sich schützen könnten.
Doch die Plattform müsse noch mehr tun, um sich "gegen Hass und die Täter zu positionieren", fordert die HateAid-Geschäftsführerin: "Es muss Kampagnen geben, in denen einfach aufgeklärt wird, was man tun kann." Das betreffe auch andere Social-Media-Unternehmen wie etwa Facebook.
Journalistin Diekmann: Lasse mich nicht einschüchtern
Die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann ist bekannt dafür, sich Angriffen auf Twitter zu stellen – auch gerne mal mit Humor. So entgegnete sie vor Kurzem der Frage eines Users "Was ist das für ne Tussi?" den Tweet "Mein Name ist Nicole Diekmann. Angenehm" und ergänzte "Kill them with kindness".
Sie erfahre jeden Tag in Auseinandersetzungen, "dass man als Frau noch mal anders herabgesetzt wird", sagte Diekmann im Deutschlandfunk. Die Beschimpfungen reichten von "Tussi bis hin zu unaussprechlichen Wörtern". Wenn Frauen gedroht werde, gehe es darum, sie "mundtot zu machen".
Im Kampf gegen den Hass im Netz seien auch die Strafverfolgungsbehörden gefragt, so Diekmann. Lange Zeit hätte die Politik das Problem verschlafen.
Auch sie selbst überlege inzwischen genau, zu welchen Themen sie sich äußere. Ganz wolle sie sich aber nicht zurückziehen, unterstreicht die Journalistin, "weil ich es nicht einsehe, mich einschüchtern zu lassen von Menschen, die nicht bereit sind, vernünftig zu diskutieren".