Am 8. Dezember 2021 ist Olaf Scholz (SPD) im Bundestag zum neuen Kanzler gewählt worden. Er steht an der Spitze der ersten Ampelkoalition aus Sozialdemokraten, Bündnisgrünen und Freien Demokraten im Bund. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP neben den Inhalten auch auf die Ressortverteilung verständigt.
Einschließlich Kanzler und Kanzleramtsminister gibt es 17 Ressorts - 8 für die SPD, 5 für die Grünen und 4 für die FDP.
Insgesamt gehören dem Kabinett mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz neun Männer und acht Frauen an. Die FDP hat drei Männer und eine Frau für die Regierung nominiert, die Grünen drei Frauen und zwei Männer, die SPD vier Männer und vier Frauen. Scholz hatte bereits lange vor der Bundestagswahl eine paritätisch besetzte Bundesregierung angekündigt. "Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt", hatte er schon vor einem Jahr getwittert.
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Ampel verteilt Zuständigkeiten der Ministerien neu
Um ihre großen Ziele zu erreichen, verändert die Ampelkoalition den Zuschnitt mehrere Ministerien zum Teil erheblich. Teile der klimapolitischen Zuständigkeiten sind nun im Wirtschafts- und Außenministerium verankert. Beide Themenfelder wurden zuvor im Umweltministerium verantwortet. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) erhält deutlich mehr Kompetenzen für Digitales als sein Vorgänger. Neben der digitalen Infrastruktur erhält er auch die Zuständigkeit für nationale und internationale Digitalpolitik. Das bisherige Amt der Staatsministerin für Digitalisierung, das Dorothee Beer (CSU) in der Großen Koalition inne hatte, entfällt.
Als ersten Schritt der Regierungsorganisation beschloss das Bundeskabinett in seiner konstituierenden Sitzung am 8. Dezember einen Organisationserlass, mit dem unter anderem auch der Zuschnitt des neuen Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen geregelt wird.
Wer welches Ministerium übernimmt
Die Ressorts der SPD
Bundeskanzleramt
Traditionell stellt die stärkste Partei einer Koalition den Regierungschef. Olaf Scholz ist nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte sozialdemokratische Bundeskanzler in der Geschichte der Republik. Der bisherige Bundesfinanzminister war von 2011 - 2018 Hamburgs Erster Bürgermeister.
Der Chef des Bundeskanzleramtes im Rang eines Bundesministers wird ebenfalls von der SPD gestellt. Wolfgang Schmidt, ein langjähriger Vertrauter von Scholz, wird es führen. Seine Karriere ist eng mit Scholz verbunden. Als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat er bereits eng mit Scholz zusammengearbeitet. Zuvor war der Jurist für Scholz in verschiedenen Funktionen tätig, zunächst als persönlicher Referent und später als Büroleiter.
Innen und Heimat
Das Innenministerium wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik von einer Frau geleitet: Die hessische SPD-Politikerin Nancy Faeser war für viele eine Überraschung. Im Vorfeld war die bisherige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht als aussichtsreiche Kandidatin für das Amt gehandelt worden.
Faeser legte bei ihrer Vorstellung besonderes Augenmerk auf den Kampf gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Sie war bisher SPD-Landes- und Fraktionschefin in Hessen und Obfrau des hessischen Untersuchungsausschusses zu Ermittlungspannen im Umgang mit der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Ihr Ministerium wird auf den Zusatz Wohnen, der vor vier Jahren mit der Amtsübernahme von Horst Seehofer hinzugefügt wurde, künftig zugunsten des neuen Ministeriums für Bauen und Wohnen verzichten.
Arbeit und Soziales
Wie bisher stellen die Sozialdemokraten den Bundesarbeitsminister. Der bisherige Ressortchef Hubertus Heil wird weitermachen. Er will unter anderem eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sowie die Umwandlung von Hartz IV in ein Bürgergeld in Angriff nehmen. Der Politikwissenschaftler trat 1988 in die SPD ein und ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.
Verteidigung
Verteidigungsministerin wird die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht. Damit übernehmen erstmals seit der Legislaturperiode 2002 bis 2005 (Peter Struck) wieder die Sozialdemokraten das Verteidigungsressort. Lambrecht, seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages, kündigte an, sich um eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr zu kümmern. Auslandseinsätze bräuchten künftig eine regelmäßige Evaluation und eine Exitstrategie, so die Juristin.
Gesundheit
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist neuer Gesundheitsminister - und mit ihm einer der eindringlichsten Mahner in der Coronakrise. Angesichts der Pandemie galt die Benennung eines Nachfolgers für Jens Spahn (CDU) als eine der spannendsten Fragen. Lauterbach kündigte an, er wolle das Gesundheitswesen robuster machen und Deutschland besser für weitere Pandemien rüsten.
Bauen und Wohnen
Erstmals seit den 1990er-Jahren gibt es ein eigenes Bundesbauministerium. An der Spitze des Hauses steht die Brandenburgerin Klara Geywitz. Für sie bedeute dieses Ressort unter anderem auch Bauforschung, mehr Energiesparen und Barrierefreiheit, sagte sie bei der Vorstellung der SPD-Regierungsmannschaft. Geywitz war von 2004 bis 2019 als direkt gewählte Abgeordnete Mitglied des brandenburgischen Landtags. Im Dezember 2019 war sie zu einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gewählt worden. Den Kern des neuen Ministeriums dürften zwei Abteilungen aus dem Bundesinnenministerium mit bislang fünf Untertabeilungen und 30 Referaten bilden.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze erhält das Entwicklungsressort. Im Vorfeld war sie aufgrund ihrer Erfahrung als bisherige Umweltministerin auch für das Bauressort gehandelt worden. Schulze war zuvor Abgeordnete im NRW-Landtag und von 2010 - 2017 Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen.
Die Ressorts der Grünen
Wirtschaft und Klimaschutz
Bislang gehörte die Klimaschutzpolitik zu den Aufgaben von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Nun gibt es ein neu zusammengesetztes Wirtschafts- und Klimaschutzministerium unter der Leitung des Grünen-Co-Vorsitzenden Robert Habeck. Seine große Aufgabe: die "Transformation" der Wirtschaft zur Klimaneutralität, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Damit das gelingen kann, übernimmt er aus dem Umweltministerium Teile der klimapolitischen Zuständigkeiten. Habeck kann auf Erfahrungen von sechs Jahren als schleswig-holsteinischer Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung zurückgreifen.
Das grüne Kabinettsteam steht
Außenministerium
Wie bereits von 1998 bis 2005 - damals war es Joschka Fischer - übernehmen die Grünen wieder den Top-Posten in der deutschen Diplomatie. Bundesaußenministerin ist Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock. Neuland ist die internationale Politik für sie nicht: Baerbock studierte unter anderem Völkerrecht. Eine große Rolle wird in Zukunft auch die Klimaaußenpolitik spielen. Baerbock ist künftig für die internationalen Aspekte der Klimapolitik zuständig und wird Deutschland auf der UN-Klimakonferenz vertreten.
Ernährung und Landwirtschaft
Der Grünen-Politiker Cem Özedmir ist Bundeslandwirtschaftsminister. Zuvor hatte es darüber heftige parteiinterne Auseinandersetzungen gegeben. Der frühere Parteichef galt bisher nicht als Experte für dieses Fachgebiet. Zuvor war das Agrarressort seit 2005 von der Union besetzt worden.
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Anne Spiegel ist neue Bundesfamilienministerin. Sie war seit 2016 Ministerin in Rheinland-Pfalz: Zunächst hatte sie das Familienressort im Kabinett von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) inne. Anfang dieses Jahres übernahm sie das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität. Sie war zudem stellvertretende Ministerpräsidentin.
Umwelt
Das für die Grünen ebenfalls wichtige Ressort besetzt Steffi Lemke. Die Agraringenieurin bringt allemal Kompetenz für ihr neues Amt mit, im Bundestag hat sie sich immer wieder zu Umwelt- und Naturschutz geäußert. Ins Parlament wurde sie erstmals 1994 gewählt, 2002 übernahm Lemke dann den Posten der Bundesgeschäftsführerin in der Bundespartei. Den hatte sie bis 2013 - ungewöhnlich lange - inne.
Die Ressorts der FDP
Finanzen
Schon im Wahlkampf hatte FDP-Chef Christian Lindner mehrfach erklärt, dass er Bundesfinanzminister werden wolle. Nach wochenlangen Diskussionen und Rangeleien zwischen FDP und Grünen, die ebenfalls Ambitionen auf das Ressort hatten, ist im Koalitionsvertrag nun aufgeschrieben: Die Liberalen stellen den Bundesfinanzminister. FDP-Chef Lindner übernimmt demnach also die Verantwortung für die Staatsfinanzen. Zudem reiht er sich als Vize-Vize Kanzler hinter Robert Habeck ein.
Justiz
Dieses Ressort übernimmt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann. Der studierte Jurist war ein Kritiker von Corona-Maßnahmen, die am Bundestag vorbei verfügt wurden. Buschmann kommt wie Parteichef Lindner aus dem Landesverband NRW.
Digitales und Verkehr
Volker Wissing, bisher Generalsekretär der Freien Demokraten, ist neuer Bundesverkehrsminister - und soll gleichzeitig das liberale Kernversprechen der Digitalisierung umsetzen. Wohl um diese Ausrichtung zu betonen, hat Wissing sein Haus umbenannt zu Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Von 2016 bis 2021 war Wissing Landesminister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz. Er lehnte im Wahlkampf unter anderem ein generelles Tempolimit auf Straßen ab und gab zuletzt den Anwalt der Diesel-Fahrer.
Bildung und Forschung
Bildungsministerin ist die bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger. Sie ist die einzige Frau in der FDP-Ministerriege und bundesweit das am wohl wenigsten bekannte Gesicht. 2017 zog sie für die FDP in den Bundestag ein. Im Mai wurde sie mit 91 Prozent als Beisitzerin in das FDP-Präsidium gewählt - mit nur knapp weniger Zustimmung als Christian Lindner.
(Detjen, Reuters, dpa, AFP, epd,)