Archiv

Kommentar zur Ampelklausur in Meseberg
Auf dem Weg zum schweren Imageschaden

In der Bundesregierung regiert der Streit. Vor allem FDP und Grüne beharken sich. Bei der Kabinettsklausur in Meseberg wurden die heißen Eisen nun umschifft. Sie müssten aber angepackt werden, um Vertrauen zurückzugewinnen, meint Dirk-Oliver Heckmann.

Heckmann, Dirk-Oliver |
    Finanzminister Lindner und Außenministerin Baerbock laufen nebeneinander her und machen genervte Gesichter.
    Es läuft schon länger nicht mehr rund zwischen FDP und Grünen: Finanzminister Lindner und Außenministerin Baerbock in Meseberg. (Imago / Political-Moments)
    Die Bundesregierung habe viel vor, um das Land in die Zukunft zu führen. Deshalb sei es auch völlig normal, dass darüber sehr intensiv diskutiert werde, so Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg. Finanzminister Christian Lindner sekundierte in einem Interview, man solle sich um das Koalitionsklima keine Sorgen machen. Also alles gut in der Ampel? Mitnichten.
    Seit Wochen, seit Monaten streiten sich SPD, Grüne und FDP auch öffentlich wie die Kesselflicker. Da werden Briefe ausgetauscht, die sofort das Licht der Öffentlichkeit erreichen. Da schreibt Wirtschaftsminister Habeck Finanzminister Lindner ins Stammbuch, öffentliche Vorfestlegungen in den Haushaltsberatungen zu unterlassen. Der Ministerkollege keilt nicht weniger deutlich zurück.

    Durchstechereien und verlorenes Vertrauen

    Der letzte Vertrauensvorschuss sei verbraucht – so soll sich der grüne Vizekanzler hinter verschlossenen Türen nach der jüngsten Durchstecherei geäußert haben. Es ist ein denkbar harscher Kontrast zu den Bildern, die die selbst ernannte „Fortschrittskoalition“ zu Beginn ihrer Amtszeit von sich zu verbreiten suchte. Und: ein Alarmsignal.
    Denn es verfestigt sich in der Öffentlichkeit der Eindruck eines heillos zerstrittenen Haufens – einer Konstellation, in der niemand dem anderen etwas gönnt und in Wahrheit nichts zusammenpasst. Wie schwierig es wird, ein solches Image wieder loszuwerden, hat die schwarz-gelbe Koalition unter Kanzlerin Merkel erfahren müssen. Die Ampel-Koalition ist auf dem besten Weg, alte Fehler zu wiederholen.
    Die Liste der Streitpunkte wird täglich länger. Zeigten sich in der Corona-Politik bereits Risse, traten sie bei der Energiepolitik massiv zutage. Es ging um die Frage: Sollen die noch laufenden Atomkraftwerke angesichts der Energiekrise länger laufen oder nicht? Kanzler Scholz musste seine Richtlinienkompetenz in die Waagschale werfen, um den Streit zu beenden.

    Wahlerfolge für Dauer-Krakeeler?

    Vor allem die Liberalen stecken in einem Dilemma: Nach herben Niederlagen bei den letzten Landtagswahlen sehen sie sich gezwungen, sich noch lautstärker zu Wort zu melden. Dabei laufen sie Gefahr, als Dauer-Krakeeler wahrgenommen zu werden. Auch nicht unbedingt ein Garant für künftige Wahlerfolge. Vor einseitigen Schuldzuweisungen allerdings sollte man sich hüten.
    In Meseberg hat man sich an die heißen Eisen der vergangenen Wochen nicht rangemacht – hier wurden Entscheidungen verschoben. Die Ampel steht umso mehr vor der Aufgabe, Vertrauen wieder zurückzugewinnen – auch bei den jetzt anstehenden schwierigen Haushaltsgesprächen. Denn der Vertrauens-Vorschuss scheint nicht nur unter den Ampel-Partnern längst aufgebraucht – sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.