Bei der Vorstellung des Verhandlungsergebnisses sagte Scholz, man investiere unter anderem in eine starke Bundeswehr. Das NATO-Ziel der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung solle künftig in jedem Jahr erreicht werden. Gleichwohl wird Verteidigungsminister Pistorius mit weniger Geld auskommen müssen als gefordert: Der Verteidigungshaushalt soll von derzeit rund 52 Milliarden Euro nur um etwa 1,2 Milliarden Euro aufwachsen, wie es aus Koalitionskreisen hieß. Pistorius hatte deutlich mehr Geld gefordert.
Wachstumspaket für sozialen Wohnungsbau und Wirtschaft
Der Haushaltsentwurf sieht auch mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung vor. Zudem würde im Rahmen des Wachstumspakets innerhalb des Haushalts unter anderem in Schienen und Brücken investiert. Die Regierung will in ihrem Etat für das kommende Jahr auch berücksichtigen, dass in 2024 in Deutschland lediglich ein Mini-Wachstum erwartet wird und Unternehmen sich mit Investitionen zurückhalten. Scholz, Lindner und Habeck wollen gegensteuern und planen umfassende Entlastungsmaßnahmen. Von denen erwarten sie eine Ankurbelung der Wirtschaft, die zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen könne, was einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung von 26 Milliarden Euro entspreche.
Punktsieg für die FDP bei Schuldenbremse
Beim Ringen um die Schuldenbremse hat die FDP sich weitgehend durchgesetzt. Nun sind in einem begrenzten Umfang neue Schulden erlaubt. Damit konnte die FDP alle Forderungen vor allem der SPD abwehren, wegen finanzieller Belastungen durch den Ukraine-Krieg die Ausnahmeregel bei der Schuldenbremse zu ziehen.
Um den Spardruck auf Ressorts zu verringern, fand die Ampel zudem Wege, um zusätzlichen Spielraum zu gewinnen. In Regierungskreisen genannt wurde etwa eine "realistischere Schätzung" von EU-Beiträgen. Dazu kommen zum Beispiel geringere Zinszahlungen, außerdem könnten Verbuchungen einzelner Haushaltsposten geschoben werden. In der Koalition ist darüber hinaus von einer sogenannten globalen Minderausgabe die Rede. Das sind nicht näher bezifferte Sparvorgaben. Die Koalition setzt darauf, dass Ressorts weniger Geld brauchen werden.
Weniger Bürokratie für Unternehmen
Der Haushaltsentwurf sieht für Unternehmen beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine verbesserte Forschungszulage vor. Außerdem will die Ampel Bürokratie abbauen. In allen Ministerien sollen verbindlich Praxischecks eingeführt werden. Für gewerblich genutzte E-Autos soll es Sonderabschreibungen geben. Die europäische Lieferkettenrichtlinie soll schnell in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem darum, Berichtspflichten zu verringern, denn ein deutsches Gesetz gibt es schon.
Überstunden für Arbeitnehmer steuerfrei
Angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels enthält der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr auch Anreize für mehr Beschäftigung, weil dadurch auch die Sozialkassen entlastet würden. Für viele Arbeitnehmer dürfte die Idee interessant sein, dass eine Steuerfreiheit für Überstunden eingeführt werden soll. Wie das konkret aussehen soll, ist aber noch offen.
Als Anreiz für Rentner, länger zu arbeiten, sollen ihnen künftig Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung direkt als Lohn ausgezahlt werden. Und im Bürgergeld soll eine "Anschubfinanzierung" eingeführt werden, die dafür sorgen soll, dass Langzeitarbeitslose im ersten Jahr nach dem Bürgergeldbezug deutlich mehr von ihrem Verdienst behalten können, ohne dass dies etwa auf das Wohngeld angerechnet wird.
Mehr Kindergeld für Familien ab Januar
Der Kindersofortzuschlag für bedürftige Familien im Bürgergeld und das Kindergeld sollen unmittelbar mit Beginn des neuen Jahres um jeweils fünf Euro erhöht werden. Das kündigte Finanzminister Lindner in Berlin an. Damit steigt der Kindersofortzuschlag auf 25 Euro, das Kindergeld auf 255 Euro. Änderungen gibt es auch beim Kinderfreibetrag. Der soll den Plänen zufolge noch in diesem Jahr um 228 Euro auf 9540 Euro angehoben werden. Im kommenden Jahr steigt er dann um weitere 60 Euro auf 9600 Euro. Der Freibetrag wird vom zu versteuernden Einkommen abgezogen und wirkt sich deshalb für Familien steuermindernd aus.
Nachtragshaushalt geplant
Für dieses Jahr ist ein Nachtragshaushalt in Höhe von 11 Milliarden Euro geplant. In Regierungskreisen wurde auf geringere Steuereinnahmen verwiesen sowie höhere Ausgaben beim Bürgergeld. Dazu kommen Milliarden-Mehrkosten bei der staatlichen Förderung der erneuerbaren Energien.
Nach Informationen des "Handelsblatts" sollen die Gesamtausgaben im kommenden Jahr bei 470 Milliarden Euro liegen, das wären knapp sieben Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr.
Ob der Etat am Ende aber wirklich so aussieht, ist alles andere als sicher. Das Kabinett soll Mitte Juli den Haushaltsentwurf beschließen - dann liegen auch die vielen Details zu den einzelnen Ressorts vor. Mitte September ist die erste Beratung im Bundestag geplant, beschlossen werden soll der Etat dann im November oder Dezember.
Nächtliche Verhandlungen
Bundeskanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck waren gestern Nachmittag zusammengekommen und hatten bis in die Nacht hinein verhandelt. Am Morgen kamen die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen zu Sitzungen zusammen, um die Ergebnisse der Beratungen zu erörtern. Grünen-Fraktionschefin Dröge sagte im Deutschlandfunk, es sei gut, dass es nun ein Ergebnis gebe. Der Haushalt sei unter sehr schwierigen Bedingungen zustande gekommen. Jetzt sei es die Aufgabe des Bundestages, diesen zu verhandeln und noch Verbesserungen durchzusetzen, betonte Dröge. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Meyer erklärte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, der Sozialstaat bekomme ein - Zitat - "Effizienz-Update". Dies sei ein Erfolg seiner Partei. SPD-Fraktionsvize Post sagte im Deutschlandfunk, unterm Strich könne man sehr zufrieden sein mit dem Ergebnis.
Merz begrüßt Schuldenbremse
Der CDU-Vorsitzende Merz begrüßte, dass die Schuldenbremse künftig wieder gelten soll. Auch mit ihr gebe es viele finanzielle Spielräume, sagte er im ARD-Fernsehen. CSU-Chef Söder meinte in Berlin, die Einigung reiche nicht zu einer grundlegenden Wende. Deutschland brauche eine "umfassende Fitnesskur, nicht Rheumadecke und Notfallpflaster".
Diese Nachricht wurde am 05.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.