Nur ihre Augen sind zu sehen. Ihr Gesicht hat die junge Frau mit einem Tuch verhüllt, schwarz mit buntem Blumen-Aufdruck. Typisch für die kurdische Region im Norden Syriens. Beim Treffen mit einem lokalen Mitarbeiter des ARD-Hörfunkstudios Kairo in Baghus in Syrien trägt sie dazu eine Flecktarn-Uniform. Die junge Frau nennt sich Media, 25 Jahre alt. Aus Deutschland hat sie sich den kurdischen Kämpfern in Syrien angeschlossen.
"Ich habe im Sommer letzten Jahres, also im Sommer 2018, eine Bildung bekommen, eine militärische Ausbildung, eine ideologische Ausbildung und eine medizinische Ausbildung."
Stationiert für den großen Kampf gegen den IS
Die Kurse hat Media bei den kurdischen Kämpfern der YPG durchlaufen. Einst aus der Türkei heraus von der verbotenen PKK gegründet, erklärt sich die YPG heute für unabhängig. Experten sprechen nach wie vor von großen Schnittmengen zwischen beiden Gruppen. Und dennoch: Die Kampfverbände der YPG stellen den Großteil der Syrischen Demokratischen Streitkräfte, die von den USA unterstützt werden. Seit Anfang Februar ist Media mit ihrer YPG-Einheit in Baghus stationiert für den letzten großen Kampf gegen den selbsternannten Islamischen Staat. Während zunächst noch tausende Zivilisten aus Baghus flohen, griffen die kurdischen Einheiten seit zwei Wochen vorwiegend Mitglieder des IS auf, sagt Media, nicht alles Kämpfer oder Kämpferinnen, aber doch Anhänger der Terrorgruppe. Media glaubt nicht, dass sie ihre Taten bereuen.
"Im Gegenteil, sie sind sehr überzeugt nach wie vor von der faschistischen Ideologie, von der frauenfeindlichen Ideologie von Daesh, vom sogenannten Islamischen Staat. In diesem Sinne kann ich nicht sagen, dass ich besondere Gefühle diesen Personen gegenüber habe. Insbesondere wenn wir uns die Bilder anschauen, wenn wir uns anschauen, was Daesh der Menschheit angetan hat, was Daesh der jesidischen Bevölkerung angetan hat, was Daesh für ein Unheil über diese Welt gebracht hat, kann ich nicht sagen, dass ich Mitleid für diese Menschen empfinde."
Medias Waffe ist die Kamera
Baghus, an der Grenze zum Irak, ist ein zersiedeltes Gebiet: Hier eine kleine Gruppe Häuser, dort eine größere Siedlung. Dazwischen hat der IS Tunnel gegraben, in denen sich bewaffnete Kämpfer einst versteckten, berichten die kurdischen Einheiten, mit denen Media unterwegs ist. Bei ihrem Vormarsch haben sie Sprengfallen gefunden, Gürtel, mit explosivem Material präpariert – und immer wieder Selbstmordattentäter. Das Wichtigste sei, sagt Media zurück im sicheren Camp, dass sie sich auf ihre Kameradinnen und Kameraden verlassen kann:
"Man ist für einander da, man unterstützt sich, man arbeitet zusammen. Du teilst dein ganzes Leben miteinander. Du wirst wirklich zu einer Einheit. Du bist bereit, für einander zu sterben. Du bist bereit, für die Bevölkerung hier zu sterben, um die Revolution hier zu verteidigen, um die Frauen hier zu verteidigen."
Medias Waffe ist inzwischen die Kamera. Auch wenn sie gelernt hat mit Feuerwaffen zu schießen, schießt sie in Baghus vor allem Fotos. Sie arbeitet im Medienteam der kurdischen YPG. Die Welt müsse erfahren, was in Syrien passiert, sagt sie – und sie müsse eine Lösung finden, für die IS-Anhänger, ihre Frauen und Kinder, die nun festgenommen wurden und in provisorischen Lagern hausen.
"Es kann auf keinen Fall allein die Verantwortung der Kräfte hier vor Ort sein, das aufzufangen. Die westlichen Staaten mit ihrer Ideologie haben dazu beigetragen, dass der IS entstanden ist, dass diese Menschen derartig terroristisch denken, dass sie solche Ideologien verfolgen, dass sie Menschen abschlachten und foltern. Dementsprechend haben genau diese Staaten jetzt auch die Verantwortung zu tragen, dieses Problem zu beheben."
Ende des IS nicht in Sicht
Media rechnet damit, dass der Kampf um Baghus bald entschieden ist. Ein Ende des IS sei das aber noch nicht. Die IS-Führungsriege soll Baghus längst verlassen haben; zahlreiche Kämpfer sind in Syrien und im Irak untergetaucht. Bis der IS oder Daesh, wie Media ihn mit der arabischen Abkürzung bezeichnet, endgültig entmachtet ist, wird es noch lange dauern.
"Es wird noch kein vollständiger Sieg gegen Daesh sein, weil noch immer jesidische Frauen, jesidische Kinder verschleppt sind, und wir nicht wissen wo sie sind. Solange die Situation so ist, werden wir nicht von einem wirklichen Sieg sprechen können, aber vom Ende des Kalifats, was wirklich ein historischer Moment ist, insbesondere für alle Frauen dieser Welt, denn die Ideologie, die Lebensweise, der Terror, die Feindschaft gegenüber der Menschlichkeit, die Daesh, der Islamische Staat, vertritt, ihre Taten, ihre Versklavung der Frauen, sind ein Angriff auf alle Frauen. Somit ist das ein historischer Moment, wenn das Kalifat besiegt wird."
Für Media ist klar, dass sie auch nach dem Fall von Barghus in Syrien bleiben wird. Dann werde sie an einem anderen Ort gebraucht, sagt sie, zum Beispiel in Afrin, nördlich von Aleppo, das von der türkischen Armee kontrolliert wird.