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An der Quelle des Uran

Im Norden Nigers werden die womöglich größten Uranvorkommen der Welt vermutet. Uran, das Frankreich dringend braucht, um den Bedarf seiner Atomindustrie zu decken. Dort sind nun Mitarbeiter des staatlichen französischen Konzerns AREVA entführt worden. Frankreich bangt nun um seine nationalen Interessen.

Von Bettina Rühl |
    Der Viehmarkt von Arlit. Verkauft werden Ziegen, Schafe und Kamele, außerdem Gegenstände des täglichen Bedarfs: Bastmatten, Plastikgeschirr, Datteln, Stoffe und Sandalen. Die Händler und ihre Kunden tragen die langen Gewänder der Tuareg-Nomaden und verschleiern mit dem Kopftuch ihr Gesicht. Das wirkt folkloristisch, ist aber Alltag in Arlit, eine Siedlung in der Sahara. Mehr als eine Welt liegt zwischen den Menschen, die hier leben, und den Uranminen draußen vor der Stadt.

    Der Tuareg Mohammed Elias ist Mitte 20 und sitzt mit seinen Freunden beim Tee. Mohammed ist in der Runde der einzige, der Arbeit hat:

    "Ich arbeite in der Tagebaumine, ich fahre Bagger und LKW. Ich hatte Glück, dass ich überhaupt etwas gefunden habe. Natürlich ist die Arbeit gefährlich. Nicht nur wegen des Urans, es kann auch immer einen Unfall geben. Es gibt zwar jede Menge Sicherheits-vorkehrungen, aber ein Risiko bleibt."

    Die Tagebaumine ist ein gigantisches Loch in der Erde: Bis zu 80 Meter tief haben sich die Menschen in die Tiefe gesprengt. Erst das Gestein abgetragen, das kein Uran enthält, um dann an die uranhaltigen Schichten zu kommen. Staubwolken steigen auf: nach jeder Sprengung und jedes Mal, wenn ein Bagger seine Schaufel über einem der riesigen Lkw entlädt. Betrieben wird die Mine seit rund vierzig Jahren von einer Tochterfirma des staatlichen französischen Nuklearkonzerns AREVA. Der Staat Niger hält an der Firma knapp 40 Prozent der Anteile.

    Ein paar Kilometer entfernt, wird auch unter der Erde Uran abgebaut. In den beiden Minen zusammen wurden im vergangenen Jahr 3200 Tonnen Uran gefördert. Frankreich bezieht 40 Prozent seines Urans aus dem Sahelstaat. Für die staatliche Nuklearindustrie Frankreichs ist die Region deshalb wichtig. Die politische Instabilität im Sahelraum gefährdet zentrale Interessen des europäischen Staates. Erst Ende 2009 wurde die jüngste Rebellion der Tuareg beendet. Die Nomaden hatten einen Anteil an den Gewinnen aus dem Uranabbau auf ihrem Gebiet gefordert. Bis heute protestieren sie außerdem gegen die radioaktive Belastung der Umwelt. Ein Wiederaufflackern des Aufstands ist nicht ausgeschlossen. Doch weit bedrohlicher ist die Präsenz der Gruppe " Al Qaida im Maghreb", die in den vergangenen Monaten stark zugenommen hat. Informationen über die Sicherheitslage in der Region hat Benoît de Rambures. Er ist der Sicherheitsbeauftragte von AREVA und lebt seit drei Jahren in Arlit. Seine Aufgabe ist vor allem die Zusammenarbeit mit dem Militär von Niger. Denn AREVA hat keine eigenen Sicherheitskräfte in der Region. Noch im April sagte Benoît de Rambures:

    "Die Armee von Niger hat den gesamten Norden des Landes völlig unter Kontrolle. Und nördlich davon kontrolliert Algerien, die algerische Armee geht sehr konsequent vor. Im Norden von Niger ist die Militärpräsenz ausgesprochen stark. Das ist eine Folge des Tuaregsaufstandes: Die Truppen, die hier zusätzlich zusammengezogen worden waren, sind noch immer vor Ort. Wir befinden wir uns also in einem sehr gut gesicherten Gebiet."

    Diese Einschätzung dürfte sich nach der jüngsten Entführung gründlich geändert haben. Dabei hat Frankreich in Niger große Pläne. Schon im Jahr 2013 will AREVA in einer weiteren Uran-Mine mit der Förderung beginnen. Sie wird zu den weltweit größten gehören: 5000 Tonnen Uran sollen dort jährlich gefördert werden. Viel mehr, als derzeit in den beiden bestehenden Minen zusammen.

    Der Sahelstaat Niger, laut UNO das ärmste Land der Welt, würde dann zum größten oder zweitgrößten Uranexporteur der Erde. Wenn sich die Sicherheitslage nicht dramatisch verändert.