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An Kraft verloren

Geologie. - In Europa fallen nach Angaben von Eurocontrol über 50 Prozent der Flüge aus, weil der isländische Vulkan Eyjafjalla weiterhin Asche speit. Ein Ende ist noch nicht absehbar, erklärt der Würzburger Professor Bernd Zimanowski, Leiter des Vulkanologischen Labors an der Universität Würzburg im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Blumenthal: Herr Professor Zimanowski, handelt es sich bei den Ausbrüchen von März und April um ein und denselben Vulkan?

    Zimanowski: Also, es ist beides irgendwie richtig. Beide Vulkane oder beide Ausbrüche finden im Großen und Ganzen auf dem mittelatlantischen Rücken, oder auf einem Ast des mittelatlantischen Rücken zwischen Amerika und Europa statt, und die Ausbruchsorte sind wenige Kilometer voneinander entfernt. Der erste Ausbruch war auf dem Sattel zwischen dem Eyjafjallajökull, das ist der Vulkan, der jetzt gerade tätig ist, und dem Myrdalsjökull, unter dem die gefährliche Katla schlummert, und dieser Ausbruch fand halt witzigerweise in der eisfreien Zone statt. Das heißt, dass da das Magma ohne Kontakt mit Eis und Wasser an die Oberfläche kam und dann eben diese Art Eruption hervorgerufen hat, während jetzt der Eruptionsort gesprungen ist in diese Zone einige Kilometer im Westen, und liegt jetzt genau unter dem eigentlichen Vulkan, unter der Gipfel-Caldera. Und dort befinden sich in der Caldera etwa ein Kubikkilometer Gletschereis, der jetzt natürlich durch diesen Ausbruch schmilzt und dessen Wasser dann mit dem Magma zu diesen explosiven Reaktionen führt.

    Blumenthal: Die größten Vulkan auf Island liegen wie auf einer Perlenschnur aufgereiht nebeneinander. Heißt das, dass man jetzt annehmen könnte, dass das von einem Vulkan zum nächsten springt und eine Kettenreaktion in Gang gesetzt wurde?

    Zimanowski: Auch da ist diese Annahme nicht ganz falsch, oder nicht ganz unbegründet. Das ist so ähnlich wie bei Erdbeben, dass auf so großen Erdbebenzonen ja gewisse Segmente aktiv werden. Also dieses Auseinanderdriften der Kontinente darf man sich jetzt nicht als kontinuierlichen Prozess vorstellen, sondern er findet in einzelnen Episoden statt. Und in einer solchen Episode wird immer ein Segment des so genannten Rifts, dieser Grenze, dieser Spalte aktiv. Und auf diesem jetzigen Segment liegt eben auch die Katla, also der Vulkan im Osten des jetzigen Ausbruchs. So dass isländische Kollegen befürchten, dass in naher Zukunft auch dieser Vulkan aktiv werden könnte. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Eruption jetzt quer über Island, über den ganzen mittelatlantischen Rücken, der da verläuft, sich fortsetzt. Das kann man nicht annehmen.

    Blumenthal: Weiß man, oder kann man Aussagen treffen, wie die vulkanische Aktivität weitergeht. Ist mit einem Rückgang oder eine Einschränkung dieser vulkanischen Aktivitäten zu rechnen, gibt es eine Ruhepause, werden sie wieder ansteigen, gibt es irgendwelche Prognosen, die wissenschaftlich begründet sind?

    Zimanowski: Also, prinzipiell sind Vulkane immer für jede Überraschung gut. Wir lernen auch jedes Mal etwas Neues, wenn ein Vulkan ausbricht. Prinzipiell kann man sagen, dass ein Vulkanausbruch sein Maximum erreicht und dann langsam abklingt. Also das ist eigentlich immer zu beobachten, oder fast immer zu beobachten. Wenn jetzt die isländischen Kollegen berichten, dass die Eruptionssäule an Höhe verliert, da kann das jetzt eine Episode sein, die zu Ende geht. Es kann aber auch sein, dass der Ausbruch generell an Heftigkeit verliert, das werden die nächsten Tage zeigen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass dieser Vulkan noch heftiger ausbricht, also maximal wieder die gerade vergangene Intensität erreicht. Und somit sind natürlich auch die Auswirkungen, die uns ja im Augenblick aufgrund der Wetterlage auch betreffen, auf dem Höhepunkt, mehr oder weniger jetzt.

    Blumenthal: Gibt es einen möglichen Zusammenhang zwischen seismischen Aktivitäten und diesen Ausbrüchen jetzt. Kann es seismische Aktivitäten gegeben haben, die diese Vulkanausbrüche jetzt getriggert haben?

    Zimanowski: Ja, hm, das ist auch so eine Gralsfrage, würde ich fast sagen. Ich würde fast sagen: Nein, es gibt bisher keinen Zusammenhang, dass große Erdbeben Vulkanausbrüche getriggert hätten oder umgekehrt. Es ist natürlich so, bevor der Vulkan ausbrechen kann, muss das Magma natürlich erst einmal dahin. Und auf seinem Weg macht es Geräusche, und diese Geräusche kann man mit Seismometern detektieren und kann die als Vorwarnsignale nutzen. Also, es gibt immer einen Zusammenhang zwischen Erdbeben und Vulkanausbrüchen, aber die sind beide auf die Bewegung des Magmas zurückzuführen. Das ist jetzt kein klassisches tektonisches Beben, wie es gerade in China war, oder so. Sondern das sind direkte Zusammenhänge, und die sind auch gegenseitig bedingt. Aber einen Zusammenhang zwischen Erdbebentätigkeit und Vulkanausbrüchen konnte man bisher noch nicht wissenschaftlich sauber nachweisen.

    Blumenthal: Lassen sich Vulkanausbrüche besser, schneller, unmittelbarer vorhersagen als Erdbeben. Weiß man mehr über die Vorboten für einen Ausbruch?

    Zimanowski: Ja. Der Hauptgrund dafür ist eher, dass in einem Erdbebengebiet das Erdbeben irgendwo sein kann. Bei Vulkanen ist der Vulkan ja da. Man weiß sozusagen, wo man seine Sensoren hinstellen muss, um zu hören, ob etwas kommt. Wenn man das bei Erdbeben auch wüsste, ginge das bei Erdbeben auch. Sie sehen ja jetzt auch, die Evakuierung war 15 Stunden vor dem eigentlichen Ausbruch schon in vollem Gang. Also, wenn der Vulkan in einem Land steht, dass es sich leisten kann, diesen Vulkan sozusagen auf die Intensivstation zu legen und abzuhören, dann ist auch eine Vorhersage eines Vulkanausbruchs sehr gut möglich. Allerdings ist sehr schwer vorherzusagen, wie der Vulkan ausgebrochen wird. Ob er einen friedlichen Lavastrom erzeugen wird oder eine gewaltige Explosion. Und das ist dann wieder eine andere Frage.

    Blumenthal: Wenn diese Aktivität sich über Wochen und Monate hinaus vollzieht, wird der Vulkan immer mehr Teilchen oder Teile in die andere Sphäre schleudern, oder ist das sozusagen der erste Teil eines Ausbruchs und danach nicht mehr mit diesen Auswirkungen, wie wir sie beispielsweise auf den Flugverkehr feststellen?

    Zimanowski: Das ist natürlich für uns erst einmal die Hauptfrage, ob die Wetterlage so bleibt. Weil, ein vergleichbarer Ausbruch, der 17 Tage gedauert hat vor sechs Jahren, der wurde hier gar nicht registriert, weil die Wolke komplett nach Norden gedriftet ist. Also das ist erst einmal, also für uns, sagen wir mal, als Fernbetroffene, die erste Frage. Der Ausbruchsstil wird sich wahrscheinlich drastisch ändern, wenn das Wasser verbraucht ist, also wenn dieses Gletschereis komplett in diesem Ausbruch verbraucht wurde, dann werden die Explosionen nachlassen, die Aschebildung wird nachlassen. Das kann aber noch eine Weile dauern, Kollegen haben mir gerade mehr oder weniger die ersten Daten gegeben, dass weniger als zehn Prozent des Gletschers, der also zur Verfügung steht für den Explosionsprozess, abgeschmolzen ist. Also da ist noch einiges an Wasser da, das heißt, wenn die Eruption anhalten wird, da wird das auch weiterhin explosiv bleiben, das wird weiterhin Asche produzieren, und wenn der Wind das dann weiterhin hierher treibt, kann das sein, dass unsere Flugzeuge noch eine Weile gegrounded sein werden.

    Blumenthal: Woher kommt die Asche, die jetzt in die Atmosphäre geschleudert wird? Das ist ja Eis, es verdampft ja Wasser. Woher kommen diese großen Massen an Asche, die jetzt in der Atmosphäre sind und den Flugverkehr so behindern?

    Zimanowski: Ja, bei diesen explosiven Prozessen wird die silikatische Schmelze, das Magma, extrem schnell abgekühlt und unter sehr hohen Stress gesetzt, so dass sie in buchstäblich Millionen von feinsten Teilchen zerspringt, da sind also nichts anderes als Glasscherben, abgeschrecktes und zersprungenes Magma, und diese Glasscherben werden von dem aufsteigenden Wasserdampf dann nach oben in die Atmosphäre getragen und dann vom Wind verdriftet. Also, das ist die Hauptquelle für die Asche, die uns jetzt hier momentan begegnet, wobei die Partikelgrößen, die bis zu uns kommen, dann schon sehr fein sind, also die liegen dann so im Bereich von zehn, 20 oder 30 Mikrometer ungefähr.

    Blumenthal: Also man könnte sagen, wenn weitere Vulkane, die daneben liegen, noch ausbrechen, ist genug Material vorhanden, um eine Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind, noch über Wochen oder Monate aufrechterhalten?

    Zimanowski: Also, wenn der Vulkanausbruch einfach mit dieser Intensität weitergeht, ist noch genug Wasser da, um diesen Eruptionsmechanismus sozusagen zu füttern, dann wird auch weiterhin Asche produziert, und wenn der Wind auch weiterhin so steht, wird es auch weiterhin hergeweht, und dann hat das weiterhin die Konsequenzen, die man hier hat. Das kann man schon sagen. Wenn der benachbarte Katla-Vulkan ausbricht, dann kann das noch ein ganzes Ende schlimmer werden. Dann können Sie unter Umständen einen Faktor 100 davorschreiben.