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Angeblich ein ganz normales Arbeitsverhältnis

Ich hab mal auf einer Betriebsversammlung gesagt: wir Leiharbeiter, da wäre ich beinahe mit Tomaten beschmissen worden: ‚Wir sind keine Leibeigenen, sondern wir wollen ganz normale Arbeitnehmer wie jeder andere auch sein.’ - Tja, hab ich eben gesagt: das ist der rechtliche Begriff. Zeitarbeit ist für mich auch etwas anrüchig, weil in diesen Namen reinsuggeriert wird: Das ist etwas auf Zeit. Und wir wollen das nicht und isses ja auch nicht: Arbeit auf Zeit, sondern wir haben Kollegen, die sind 10, 15 Jahre und länger in diesem Unternehmen.

Günter Rohleder |
    Der gelernte Bauschlosser Tom Hein ist in der Minderheit, wenn er sich selbstbewusst als Leiharbeiter bezeichnet. Viel häufiger wird stattdessen von Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung oder gar Personalleasing gesprochen.

    Die Leiharbeit entwickelt sich zur Zeitarbeit, um es so zu sagen, nicht nur weil es sprachlich sich etwas verändert, sondern weil der Arbeitseinsatz auf Zeit unter geregelten Arbeitsbedingungen einfach ein ganz normales Beschäftigungsverhältnis wird. Und daran wollen wir politisch mitarbeiten

    sagt Klaus Brandner, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Und im Kern spricht Brandner für alle Parteifraktionen: Für SPD und Grüne ist die Leiharbeit klar auf dem Weg zum ganz normalen Arbeitsverhältnis und für CDU und FDP ist sie längst dort angekommen.

    Ein ganz normales Arbeitsverhältnis? Es geht um eine Dreiecksbeziehung. Da ist der Leiharbeiter, da ist das Verleihunternehmen und da ist der Entleihbetrieb. Der Verleiher wird zum Arbeitgeber mit den üblichen Pflichten wie Gehaltszahlung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Arbeit allerdings wird bei seinem Kunden, im Entleihbetrieb, verrichtet, und hier werden die Anweisungen erteilt. Heute Arbeitseinsatz in Dinslaken, und morgen vielleicht in Nürnberg. Je nachdem wie es der Entleiher wünscht, und je nachdem wie der Disponent des Verleihunternehmens den Leiharbeiter seinen Kunden zuteilt.

    Der Bauschlosser Tom Hein ist seit acht Jahren bei einem der großen Leiharbeitsunternehmen angestellt und an zahlreiche Kundenbetriebe ausgeliehen worden. Tom Hein erinnert sich, wie alles anfing, als er seine Festanstellung verloren hatte:

    Was ist uns damals aufgefallen? Erst mal der Lohn gegenüber den Stamm-Mitarbeitern. Die Urlaubsregelung. Urlaub wird zum größten Teil immer dann genommen, wenn kein Einsatz da ist. Also es hieß immer: zwischen den Weihnachtsfeiertage mal,... ja grundsätzlich richtig Urlaub planen konnte man nicht....Und dass man natürlich sehr häufig den Kunden wechselt. Ein Leiharbeitnehmer, der hat immer ein Bauchkribbeln, wenn er zu einem neuen Kunden muss... Was erwartet mich? Ein neues Kollektiv? Oder Team? Wie werde ich empfangen? Was für 'ne Maschine muss ich bedienen, pack ich das, wie schnell arbeite ich mich ein? Nicht selten werden auch Kollegen, die eben nicht diese Einarbeitung in der Zeit hinkriegen dann auch wieder zurückgeschickt.

    Als die Leiharbeit, 1948 in den USA erfunden, zu Beginn der 60er Jahre in der Bundesrepublik Fuß zu fassen begann, entspann sich ein jahrelanger Rechtsstreit. Jahrzehntelang war Leiharbeit verrufen, von den Gewerkschaften bekämpft, Sklavenarbeit dafür eine gängige Bezeichnung. Berichte über miese Entlohnung, menschenverachtende Arbeitsbedingungen waren an der Tagesordnung.

    1972 wurde mit der Verabschiedung des so genannten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) die Leiharbeit auf legale Füße gestellt und zugleich einer Reihe von Schutzbestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers unterworfen.

    So war die Arbeitnehmerüberlassung von der Erlaubnis durch die Landesarbeitsämter abhängig und ihrer Kontrolle unterstellt. Der Gesetzgeber zog damals eine Grenze zwischen legaler privater Arbeitnehmerüberlassung und illegaler Arbeitsvermittlung: die Verleihdauer war auf 9 Monate begrenzt, ein darüber hinausgehender Verleih wurde damals als unzulässige gewerbliche Arbeitsvermittlung angesehen. Und vor allem waren keine auf die Dauer eines Ersteinsatzes befristeten Arbeitsverträge zugelassen: Es war den Verleihunternehmen also untersagt, jemanden nur für einen einzigen Arbeitseinsatz einzustellen, um ihn danach wieder in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.

    Und für die Zeit, in der der Verleiher keinen Arbeitsauftrag anbieten konnte, musste er den Leiharbeiter weiterbezahlen.

    Die Leiharbeit breitete sich schnell aus. Zwischen 1968 und 1972 stieg die Zahl der Firmengründungen von 145 auf über 1000. Und mit der Massenarbeitslosigkeit seit den 80er Jahren geriet die Leiharbeit in einen regelrechten Boom mit inzwischen weit mehr als 4000 Verleihern. Gegenwärtig sind in der Bundesrepublik etwa 340.000 Menschen für Leihunternehmen tätig. Die Fluktuation ist allerdings enorm und da ein Leiharbeitsverhältnis oft nur über wenige Monate besteht, wird geschätzt, dass pro Jahr bis zu 900.000 Menschen zeitweilig bei einer Leihfirma arbeiten.

    Die im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgeschriebenen Schutzbestimmungen wurden über die Jahre immer mehr gelockert: Die Überlassungsdauer verlängert, die Befristung erlaubt. Mit der Neufassung Ende 2002 wurde das AÜG nahezu völlig dereguliert.

    Jetzt durch die neueste Gesetzgebung, durch die Hartz-Vorschläge, hat sich das dahingehend verändert, dass nunmehr auch die Politik erkannt hat, in diesem Bereich wirklich Beschäftigung geschaffen werden kann, auch weitgehend reguläre Beschäftigung geschaffen werden kann und insoweit ist die Arbeitnehmerüberlassung jetzt aus diesem Schmuddelimage-Bereich heraus, es ist reguläre Arbeit, die da angeboten wird, wenn auch reguläre Arbeit mit ein paar besonderen Akzenten.

    ...sagt der Sozialwissenschaftler und Leiter des Bonner Instituts für Wirtschaft und Sozialpolitik Meinhard Miegel. Und er benennt die zentralen politischen Ziele, die im Zuge der Hartz-Reform mit Leiharbeit verknüpft werden: ihr negatives Image ablegen, sie als reguläres Arbeitsverhältnis etablieren und Beschäftigung schaffen.

    Es gibt die hochqualifizierte Programmiererin, die über eine Leihfirma an sehr gut bezahlte und interessante Jobs im Ausland kommt. Und es gibt den Bankett-Koch, der sich lieber von seinem Verleiher auf Gala-Veranstaltungen schicken lässt, als sich der Angestelltenroutine einer Hotelküche auszusetzen.

    Aber die Geschichten, die Leiharbeiter erzählen, klingen selten nach Abenteuer und gutem Lohn. Leiharbeiter halten sich in der Regel bedeckt gegenüber Journalisten. Aus Scham. Aus Angst vor Nachteilen. Aus Angst, sie könnten ihren Arbeitsplatz verlieren. So wurden die Namen der Leiharbeiter auf ihren Wusch in dieser Sendung geändert.

    Nach wie vor liegt eine Kluft zwischen Festangestellten und Leiharbeitern. Im Durchschnitt unterschreiten die Löhne der Leiharbeiter die der Stammbelegschaft um ein Drittel.

    Oft liegen sie noch weit darunter. Etwa im BMW-Motorradwerk Berlin: Der Leiharbeiter Bernd Kolbe wurde angefordert, weil ein anderer Leiharbeiter erkrankte. Bernd Kolbes Leiharbeitsvertrag lautet auf Schweißer, an das Motorradwerk wurde er als Hilfskraft entliehen: Er montiert Speichen im Akkord, zusammen mit Festangestellten, Befristeten und Leihkollegen. Er bekommt etwas über 7 Euro brutto die Stunde. Die BMW-Mitarbeiter verdienen mit 15 Euro deutlich mehr als das Doppelte, denn auch Schicht- und Überstundenzulagen fallen bei ihnen sehr viel höher aus. Und mit 7 Euro Brutto ist für Leiharbeiter bei BMW längst nicht die Lohngrenze erreicht, ein Leihkollege von Bernd Kolbe liegt bei 5,11. Euro

    Und beim Lohn endet es nicht. Auch sonst fühlt sich Bernd Kolbe im Motorradwerk als Arbeiter zweiter Klasse: Ich würde gerne hier Mittagessen gehen in der Betriebskantine. Ich soll, weil ich nur Gast bin, für jedes Essen einen Euro mehr bezahlen, obwohl: Ich bin ja nicht nur einmal hier, ich bin ja vielleicht Wochen, Monate hier, trotzdem soll ich hier mehr bezahlen. Ich habe auf den betriebseigenen Parkplätzen nichts zu suchen. Wenn ich auf diesen Parkplätzen stehe, da muss ich befürchten, dass das Auto abgeschleppt wird. Das sind so Sachen, die einem das so ein bisschen verleiden.

    Der Schweißer Bernd Kolbe gehört nicht dazu, er hat allenfalls Gastarbeiterstatus bei BMW. Wenn man ihn hier nicht mehr braucht, wenn er krank wird oder einmal zu spät kommt, genügt ein Anruf des Vorarbeiters beim Verleiher und das war’s.

    Neben dem weiteren Abbau der Schutzbestimmungen wurde im neuen AÜG auch festgeschrieben, dass die Leiharbeiter ab 2004 den Stamm-Mitarbeitern des Entleihbetriebs gleichzustellen seien. Auf Wirtschaftsdeutsch heißt das: ‚Equal pay’ und ‚equal treatment’. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verlangt also gleichen Lohn und auch für die sonstigen Arbeitsbedingungen Gleichbehandlung. Es sei denn, ein Tarifvertrag legt etwas anderes fest.

    Christoph Kannengießer von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände lobt die Deregulierung, aber er hält nicht viel von einem Gleichstellungsgesetz:

    Das bedeutet nicht nur, dass ein gleiches Entgelt zu zahlen ist, sondern das bedeutet ja, dass zunächst einmal festgestellt werden muss: Wer ist überhaupt vergleichbarer Arbeitnehmer im Stammbetrieb, welche Arbeitsbedingungen werden dort gewährt. Sie sind konfrontiert unter Umständen. mit der Notwendigkeit, geldwerte Vorteile in Geldwert umzurechnen, da das Verleihunternehmen beispielsweise keine betriebliche Altersversorgung im entleihenden Unternehmen gewährleisten kann. Das alles ist mit einer massiven Bürokratisierung und auch einer massiven Verteuerung der Zeitarbeit verbunden, und vor dem Hintergrund kann ich nur sagen: Wir gehen bei der Deregulierung in der Tat einen Schritt vorwärts, aber gleichzeitig mit dem ‚equal treatment’- Grundsatz mehr als zwei Schritte wieder zurück.

    Was für die einen die Lebensgrundlage ist, sind für die anderen Lohnkosten, die es zu minimieren gilt. Die Arbeitgeberseite übte massive Kritik an der Gleichstellungsklausel. Die Gewerkschaften hingegen nahmen die Gleichstellung für sich als Leitziel in Anspruch und sie gaben mit deren Festschreibung im neuen AÜG ihren grundsätzlichen Widerstand gegen die Leiharbeit auf. DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer erläutert, warum:

    Es kam den Gewerkschaften, dem DGB, darauf an, zwei Grundsätze durchzusetzen: Das eine ist, selbstverständlich auch für Leiharbeit der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Vor allen Dingen deshalb, weil wir sonst hätten befürchten müssen, dass die großen Firmen Vollzeitarbeitskräfte, für die die Tarifverträge der Branche gelten, entlassen hätten und stattdessen für die gleichen Tätigkeiten schlechter bezahlte Leiharbeitskräfte eingestellt hätte. Das wäre arbeitsmarktpolitisch sicher nicht sinnvoll gewesen. Zweitens wollten wir aber natürlich auch dafür sorgen, dass ganz besonders im Zusammenhang mit den Hartz-Vorschlägen die Chancen Arbeitsloser, einen Arbeitsplatz zu bekommen, vergrößert werden, indem sie zunächst als Leiharbeitnehmer in die Firmen vermittelt werden. Diese Vermittlungschancen kann man natürlich nur dann verbessern, wenn man bereit ist, für die Anfangszeit, Abstriche bei der gleichen Bezahlung hinzunehmen.

    Gleicher Lohn für gleiche Arbeit also, um den Drehtüreffekt zu vermeiden, dass der besser bezahlte feste Mitarbeiter durch einen Leiharbeiter ersetzt wird. Allerdings zeigten sich die Gewerkschaften bereit, für den Arbeitseinstieg Lohnabstriche hinzunehmen: Für Langzeitarbeitslose etwa. Um den so genannten Klebeffekt, sprich die Chancen einer Festanstellung im Entleihbetrieb, zu erhöhen. Lohnabstriche für eine Übergangszeit, so wurde es während der Tarifverhandlungen von den Gewerkschaften immer wieder verlautbart. Der DGB ist also ins Boot gestiegen und hat mit den beiden Verbänden der Leihunternehmen BZA und IGZ jeweils einen Lohn- und einen Manteltarifvertrag ausgehandelt. Heinz Putzhammer DGB-Vorstand gibt sich zufrieden:

    Ich glaube, dass wir mit diesen Tarifverträgen ein Beispiel dafür gegeben haben, wie man einem Bereich, der gewissermaßen in der Schmuddelecke bei den Arbeitsbedingungen war, tariflich so geregelt haben, dass durch moderne und flexible Tarifverträge es möglich ist, dass diese Firmen mit anständigen Arbeitsbedingungen und mit einer gesicherten Wettbewerbsfähigkeit sich auf dem Markt jetzt behaupten können.

    Von anständigen Arbeitsbedingungen kann für den Leiharbeiter Klaus Nitsch nach den vorliegenden Tarifverträgen keine Rede sein. Klaus Nitsch ist freigestellter Betriebsrat bei einem Leihunternehmen in Köln:

    Bei einem Einsatz, was sehr oft vorkommt, von etwa 50 Kilometern zum Kundenbetrieb, Steuerklasse 1 ohne Kind, kommt man mit den im Tarifvertrag vereinbarten Löhnen knapp 500 Euro Netto heraus, zahlt keine Steuern, das ist auch ein wichtiger Punkt. Also für mich bewirkt dieser Tarifvertrag im Prinzip subventionierte Arbeitsplätze, weil die Kollegen werden zum Sozialamt gehen müssen und sich noch das Geld abholen müssen, sonst können sie nicht überleben.

    Kollegen von Klaus Nitsch mussten trotz Vollzeit-Job ihr Auto abschaffen, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten. Daraufhin wurde ihnen gekündigt, mit der Begründung, sie seien nicht flexibel genug einsetzbar. Lange und ständig wechselnde Anfahrtswege sind die Regel in der Leiharbeit. Die zwischen Gewerkschaften und den Leihunternehmerverbänden ausgehandelten neun Entgeltgruppen bewegen sich zwar zwischen 6,85 Euro in Entgeltgruppe Eins und 15,50 Euro in Entgeltgruppe Neun und der Ecklohn – Entgeltgruppe 4 – liegt bei 9,20 Euro. Aber wer gelangt schon über die untersten Lohngruppen hinaus, gibt der Leiharbeiter und IG-Metaller Tom Hein zu bedenken:

    Der Ecklohn, das hört sich erst mal in der Öffentlichkeit schön an, aber Entgeltgruppe 4 wird in den seltensten Fällen angewandt. Ich muss nicht der liebe Gott sein, um hier was vorauszusehen, sondern die meisten Eingruppierungen werden sich zwischen 1 und 3 beschäftigen. Der Ecklohn, kann ich nur sagen: Augenwischerei.

    Was kann sich also der Leiharbeiter im BMW-Werk mit gegenwärtig 5,11 Euro Brutto von dem Tarifvertrag ab Januar 2004 erwarten? Ausschlaggebend für die Eingruppierung ist nicht die Ausbildung und mitgebrachte Erfahrung, sondern die im Entleihbetrieb abgeforderte Qualifikation. Als Hilfskraft der Lohngruppe Eins würde sich sein Stundenlohn auf 6,85 Euro erhöhen, maximal – wenn er nach Entgeltgruppe Drei bezahlt würde: auf 8,70 Euro. Nach wie vor bliebe die Differenz zu den Stammbeschäftigten eklatant. Trotz Tarifvertrag. Ein Niedriglohn wäre festgeschrieben, das Gleichstellungsziel der Gewerkschaften ist in weite Ferne gerückt. In den ersten Verhandlungsmonaten war noch von branchenspezifischen Lohnzuschlägen die Rede, denn in einem etablierten Metallunternehmen sind die Lohnunterschiede zwischen Leiharbeitern und fest Angestellten deutlich höher als zum Beispiel. im Gaststättengewerbe. Aber die Branchenzuschläge wurden nicht in die Tarifverträge aufgenommen.

    Und auch der im Juli 2003 abgeschlossene Manteltarifvertrag, der die sonstigen Arbeitsbedingungen regelt, erlaubt den Verleihunternehmern eine enorme Flexibilität bei der Einsparung von Lohnkosten. Ganz besonders durch die flexible Verteilung der Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum. Klaus Nitsch:

    Ganz einfaches Beispiel: Wenn ab der 40. Wochenstunde Zuschlag anliegt, ist das ganz einfach. Der Mitarbeiter arbeitet 45 Stunden in der Woche, hat er 5 Stunden Anrecht auf Zuschlag. Aber wenn das eine Monatsarbeitszeit ist, und das Geschäft ist ja nun sehr schnelllebig, und er hat drei Wochen 50 Stunden gearbeitet und hat dann den Rest des Monats keinen Einsatz, bleiben nur die 150 Stunden übrig, ja, und laut Monatsarbeitszeit hat der dann auch keine müde Mehrarbeitsstunde erarbeitet, also auch keine Zuschläge.

    Das im Tarifvertrag vereinbarte Zeitkontenmodell macht es möglich, die einsatzfreie Zeit mit den über einen längeren Zeitraum geleisteten Überstunden zu verrechnen. So kann der Leiharbeitgeber nicht nur die Zuschläge umgehen, sondern auch in einsatzfreien Zeiten fällige Lohnfortzahlung.

    Mit der Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind die Arbeitsämter ermächtigt worden, Arbeitslose in losen Gruppen zu bündeln und so genannten Personal Service Agenturen (PSA) zuzuweisen. PSA sind kommerzielle Leihunternehmen, die in enger Kooperation mit den Arbeitsämtern Arbeitslose in Leiharbeiter verwandeln. Ziel dieser vermittlungsorientierten Sonderform der Leiharbeit soll es sein, die Leiharbeiter so schnell wie möglich, aber mindestens innerhalb eines Jahres, in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Das heißt: Sie sollen sich im Entleihbetrieb ausprobieren können und dort kleben bleiben. Je nach Qualifikation des Arbeitslosen erhält die PSA Lohnkostenzuschüsse und bekommt eine Prämie für jede erfolgreiche Vermittlung.

    Ende 2002 war noch von 500.000 Arbeitslosen die Rede, die über Personal Service Agenturen in einen festen Job vermittelt werden sollten. Als im Mai dieses Jahres die ersten PSA eingerichtet wurden, sollten es noch 50.000 sein. Die Kritik seitens der Unternehmerverbände und seitens der CDU-FDP Opposition an den PSA wird immer lauter. Einzelne Leihunternehmer sprechen von Subventionsmissbrauch durch die PSA. Anstatt mit staatlichen Zuschüssen Arbeitslose zu qualifizieren, würden diese für einen Unterbietungswettbewerb genutzt.

    Die Konkurrenzfähigkeit der Leihunternehmen ist das eine. Aber wie viel Wettbewerb, wie viel Flexibilität ist den Menschen im Arbeitsprozess zumutbar? Den Arbeitssuchenden und Leiharbeitern von morgen? Die Grenzen zwischen fest Angestellten, Befristeten und Leiharbeitern fallen mit der stetig fortschreitenden Deregulierung der Arbeitsverhältnisse. Warum soll ein Entleihbetrieb jemanden fest einstellen, wenn ein Leiharbeiter billiger kommt? Klaus Nitsch zu den Vorteilen der Leiharbeit für den Entleiher:

    Er hat mit Kündigungen kein Problem, keine Abfindungen, keine Kündigungsschutzprozesse, die er führen muss. Ja, und er bezahlt ja auch nur, wenn der Mitarbeiter des Zeitarbeitsunternehmens Leistung bringt. Er zahlt also nicht, wenn der Mitarbeiter krank wird, wenn er Urlaub hat, und und und. Das ist natürlich der große Gewinn eines Unternehmens. Und wenn ein Unternehmen auch noch eine Aktiengesellschaft ist, jeder der sich da auskennt, weiß: die Aktionäre kucken am meisten auf die Personalkosten, und Zeitarbeitnehmer laufen nicht unter Personalkosten, sondern unter Sachkosten.

    Viele Leiharbeiter arbeiten als Niedriglöhner in prekären Verhältnissen. Den Gewerkschaften ist es nicht gelungen, für eine schlecht organisierte, stark individualisierte Leiharbeiterschaft gleiche Bedingungen auszuhandeln. Vielleicht