
"Ich bekam wahnsinniges Herzrasen, wobei mir damals noch gar nicht klar war, dass das das Herz war, und ich brach tatsächlich zusammen. Ich konnte keinen Schritt mehr gehen, keine Treppenstufe mehr steigen. Es war so ein bisschen wie Kreislaufzusammenbruch".
Lioba Werrelmann arbeitete als Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio.
Schritt für Schritt schleppte sie sich an dem Tag noch zur Arbeit.
"Ich bin an der Spree entlang gegangen, und da ist so ein kleines Geländer, und da hab ich mich festgehalten wie eine alte Frau, weil ich jeden Moment wieder drohte zusammenzubrechen. Aber ich bin noch arbeiten gegangen."
Doch an Arbeiten war nicht mehr zu denken. Es folgte eine Odyssee, von einem Arzt zum nächsten.
"Das Schlimmste war, zu erfahren, dass einem nicht geholfen wird."
Zum Beispiel im Krankenhaus, auf der Kinderstation, wo sie sich ja eigentlich mit angeborenen Herzfehlern auskennen.
"Und dann bekam ich in der Nacht schwere Herzrhythmusstörungen und war voller Angst, und dann kam eine Krankenschwester mit einem EKG und einem Anleitungsgerät und guckte immer nach und sagte, aha, blau nach da, rot nach da und stöpselte mich ans EKG nach Anleitung, weil sie das noch nie gemacht hatte. Und dann kam ein Arzt, der Stationsarzt, und erklärte mir, ich bin Kinderarzt, ich kann keine EKGs lesen."
Chaotische Suche nach dem richtigen Arzt
Die Patientin musste die Erfahrung machen, dass Kinderärzte sich zwar mit angeborenen Herzfehlern bei Kindern auskennen, aber nicht bei Erwachsenen. Die von ihr angesprochenen Kardiologen wiederum konnten Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen nicht behandeln.
"Ich hab‘ chaotisch gesucht. Zum meinem Glück bin ich Journalistin, und ich hab‘ wie wild recherchiert, um Spezialisten zu finden, die sich mit angeborenen Herzfehlern auskennen."
Es dauerte Monate, bis sie Ärzte gefunden hatte, die sich auskannten. Ihr Leben änderte sich komplett.
"Ich hab‘ fast alles verloren. Ich hab‘ meine Arbeit verloren. Ich konnte ein Jahr lang nicht arbeiten. Ich hab' meinen damaligen Lebenspartner verloren, der hat sich in Luft aufgelöst als ich krank wurde, ich hab‘ viele Freunde verloren." Die wohl eher an ihrem interessanten Job als an ihr persönlich interessiert waren.
"Aber ich hab‘ auch sehr viel gewonnen, denn da waren ganz viele Menschen, die sind ganz einfach schön an meiner Seite stehen geblieben. Ich hab‘ erlebt, was Freundschaft ist."
"Ich leb‘ im Moment ohne Medikamente, was ein Fortschritt der Medizin ist"
Die Freunde haben ihr geholfen, wenn sie bei einem Ruhepuls von 200 wieder mal nicht aus dem Bett kam.
"Die waren alle für mich da. Die haben Einkäufe für mich nach Hause geschleppt. Wenn ich aus dem Krankenhaus kam, war der Kühlschrank jedes Mal voll, weil meine Freundinnen und Nachbarinnen den schon aufgefüllt hatten."
Diese Erfahrungen liegen jetzt vier Jahre zurück. Inzwischen arbeitet Lioba Werrelmann wieder, und sie versteht sich als Botschafterin für Menschen mit angeborenen Herzfehlern.
"Heute geht es mir richtig gut. Ich leb‘ im Moment ohne Medikamente, was ein Fortschritt der Medizin ist. Ich bin dafür unendlich dankbar. Ich weiß, das ist eine chronische Krankheit, und das ist auch das, was ich allen Menschen sage. Ich halt‘ ja mittlerweile Vorträge vor Ärzten, vor Krankenschwestern, vor Pflegern und sage immer, ihr müsst lebenslang in Beobachtung bleiben, Menschen mit angeborenen Herzfehlern sind nie ganz geheilt. Aber es gibt da zwischendurch immer Lücken, wo es uns gut geht. Und in so einer Lücke bin ich gerade, und ich hoffe, dass die lange anhält."