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Angebot der Deutschen Welle für Ungarn
Viel Hoffnung, viel Skepsis

Die Deutsche Welle startet Ende des Monats ein neues Angebot für Ungarn. Vor allem auf Social Media will man "ein realistisches Bild" von Europa und Ungarn zeichnen und mit unabhängigen Medien zusammenarbeiten. Doch einige regierungskritische Medien sehen das Angebot der Deutschen Welle kritisch.

Von Stephan Oszváth |
Flaggen mit Logo der Deutschen Welle beim Global Media Forum zum Thema 'Shifting Powers' im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages im World Conference Center Bonn.
Die Deutsche Welle startet ein neues Angebot für Ungarn (Geisler-Fotopress)
Es ist die Reaktion des ungarischen Regierungssprechers, die es in die Presseschau des unabhängigen Klubrádiós schafft: "Kulturkampf" wettert Zoltán Kovács in seinem Blog. Orbáns Sprecher sieht das ungarische Projekt der Deutschen Welle als Einmischung - mit Blick auf die Parlamentswahl im kommenden Jahr. DW-Intendant Peter Limbourg hatte die Initiative im RBB-Medienmagazin so begründet.
"Es ist tatsächlich so, dass die Pressefreiheit dadurch eingeschränkt wird, dass die Medienvielfalt massiv eingeschränkt ist in Ungarn. Und dann haben wir gesagt: Dann ist es jetzt, glaube ich, wirklich auch an der Zeit, die ungarische Sprache als Sendersprache wieder aufleben zu lassen. Und jetzt fangen wir wieder an, hauptsächlich mit Social Media."

Kooperationen mit unabhängigen Medien geplant

So plant der steuerfinanzierte Auslandsrundfunk einen eigenen YouTube-Kanal in Ungarn, dafür soll es auch Kooperationen auf Augenhöhe mit unabhängigen Medien gegeben. Etwa mit dem Portal telex.hu, dem Fernsehsender ATV, der Wochenzeitung "HVG" oder dem Radiosender Klubrádió, dem zuletzt die Frequenz vom Medienrat entzogen worden war - er sendet derzeit nur online. Klubrádió-Gründer und Geschäftsführer András Arató freut sich auf die Kooperation mit der Deutschen Welle.
Werbung für Klubradio in Budapest "Frohe Feiertage wünscht Elisabeth-Stadt".
Regierungskritisches Klubradio wird abgeschaltet
In Ungarn kontrolliert Premier Viktor Orbán einen Großteil der Medienlandschaft. Nun wird auch das regierungskritische Klubradio auf UKW abgeschaltet, das als Ungarns letzter unabhängiger Radiosender gilt.
"Ich bin über alles froh, was ermöglicht, dass Menschen mehr über Ungarn erfahren, und dass Ungarn selbst mehr erfahren. Ich habe Gespräche über eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle gestartet, das ist gut. Ob es dann unterm Strich gut ist, wird man sehen."

Regierungskritische Medien skeptisch

Ob die Deutsche Welle für die Übernahme von ungarischen Geschichten Geld zahlt, wollte man in der Zentrale in Bonn noch nicht sagen. Erst zum Start des Projekts Ende März gebe es weitere Informationen. Im Hintergrund werden seit Monaten Übersetzer rekrutiert. Beim Budapester Online-Portal telex.hu hieß es, man sei in Verhandlungen und wolle sich deshalb nicht äußern. Gergely Márton, Leitender Redakteur des unabhängigen Wochenblattes "HVG", ist zwiegespalten.
"Je mehr unabhängige Inhalte in Ungarn erreichbar sind, desto besser. Auf der anderen Seite, und da habe ich so ein bisschen dieses mulmige Gefühl, dass die Deutsche Welle nach Ungarn kommt, um dem deutschen Publikum zu zeigen, dass man sich um ungarische 'Trottel' kümmert, dass man kommt und 'fantastischen' deutschen Qualitätsjournalismus nach Ungarn trägt, damit Ungarn ein bisschen besser wird."
Deutsche Welle-Intendant Peter Limbourg sagte dazu im RBB: "Wir maßen uns nicht an, die alleinige Wahrheit zu haben. Aber ich glaube, wir erhöhen einfach die Vielfalt. Und natürlich gibt es auch Themen, die vielleicht bei den unabhängigen Medien in Ungarn nicht ganz so hoch gefahren werden wie bei uns. Das sind Menschenrechte, das sind aber eben auch Fragen von Minderheiten, wir berichten aber auch viel über die LGBTQ-Szene."

Wichtige politische Botschaft

Themen, über die unabhängige Medien in Ungarn durchaus berichten. Die Deutsche Welle ist nicht das erste ausländische Medienangebot in Ungarn. Euronews aus Lyon bietet seit Jahren ein ungarischsprachiges Angebot an, Radio Free Europe - bekannt aus Zeiten des Kalten Krieges - kehrte mit einem Online-Angebot zurück. Jetzt die Deutsche Welle. Medienexperte Gábor Polyák findet die politische Botschaft zwar wichtig, ist aber skeptisch in Bezug auf die Meinungsvielfalt.
"Die Inhalte aus dem Ausland - Deutsche Welle oder Radio Free Europe - sorgen nur für mehr Angebot, aber nicht dafür, dass mehr Menschen darauf Zugriff haben. Es ist wahrscheinlich, dass die gleichen Leute diese Inhalte hören oder sehen, die jetzt auch schon die unabhängigen ungarischen Medien nutzen."
Auch den geplanten eigenen YouTube-Kanal der Deutschen Welle bewertet Polyák eher kritisch. Vielversprechender sei die geplante Zusammenarbeit mit unabhängigen ungarischen Medien, meint der Gründer des Medien-Watchdogs "Mérték".

Gedämpfte Erwartungen

Regierungskritik findet in Ungarn heute vorwiegend online statt, da die regierungsnahen Medien die meisten anderen Verbreitungskanäle abdecken: Sie sind mit fast 500 Medien unter dem Dach einer Stiftung allgegenwärtig. Der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund dämpft deshalb die Erwartungen an das ungarische Angebot der Deutschen Welle.
"Orbáns Wähler wohnen vor allen Dingen auf dem Land. Sie haben oft fast keinen Zugang zu regierungskritischen Medien. Es wird auch für die Deutsche Welle schwierig sein, diese Ungarinnen und Ungarn mit einem ideologiefreien Programm zu erreichen."
Der Budapester Regierungssprecher reagierte auf Anfrage nicht. Wirtschaftminister Varga bekräftigte jüngst allerdings erneut, die Regierung mische sich in Medienbelange nicht ein, das reguliere der Markt.