Ein strahlend schönes Winterwochenende in Berlin – auf dem Potsdamer Platz herrscht buntes Treiben, Kinder spielen mit orangefarbenen Luftballons im Schnee, auf einer kleinen Bühne kämpft ein Redner gegen die klirrende Kälte und die Mutmaßung, die Piratenpartei sei nichts für das platte Land:
"Ist es also so, dass das, was wir machen, nur für so’n paar komische Leute in Berlin oder vielleicht noch in Hamburg interessant ist und für den Rest irgendwie in Deutschland nicht? Ich halte das für totalen Quatsch – wir sind kein Großstadt- und kein Berlinphänomen."
Das verkündet Gerhard Anger, der Landesvorsitzende der Piraten aus der Bundeshauptstadt Berlin, voller Überzeugung im 500-Seelendorf Berlin in Schleswig-Holstein. Auch in dem traditionell eher schwarzen Dorf im Kreis Segeberg gibt es einen Potsdamer Platz, der an diesem Tag im knalligen Orange der Partei leuchtet. Eine Handvoll Dorfbewohner schaut kurz vorbei – ansonsten aber bleiben die Piraten eher unter sich. Mit dabei ein ganz prominentes Gesicht: Ovale randlose Brille, kurze fast schwarze Haare mit einem langen, dünnen Zopf – Angelika Beer, Ex-Bundesvorsitzende der Grünen, will für die Piraten in den Landtag einziehen. Keine leichte – aber mit dem Rückenwind des Erfolgs der Piraten bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus eine lösbare Aufgabe, meint die gebürtige Kielerin.
"Wir müssen in Schleswig-Holstein den Einzug schaffen, damit wir ihn dann auch nach Berlin schaffen, also in den Bundestag. Deswegen hier auch so ein bisschen das Symbol Potsdamer Platz, Unter den Linden – gibt’s hier alles. Und wir wissen, dass wir als Flächenland genauso wie Saarland wirklich jetzt eine Riesen-Aufgabe vor uns haben. Das ist hier nicht so einfach wie in Berlin – aber wir sind trotzdem ganz sicher, dass wir es schaffen."
Wir – das heißt für Angelika Beer, immerhin Gründungsmitglied der Grünen in Schleswig-Holstein, inzwischen ganz selbstverständlich: Die Piraten. Organe – das ist jetzt ihre Farbe, auch wenn noch immer ein wenig "grün" bei ihr durchschimmert.
"Natürlich bin ich irgendwo noch ein Stück grün, weil – ich habe die Grünen mitgegründet für Transparenz, für Bürgerbeteiligung. Das war damals auch schon ein Thema, nur dass die Grünen das abgehakt haben, wie vieles andere auch – und die Piraten für Transparenz stehen. Wir wollen den Kieler Landtag aufräumen und dafür sorgen, dass der Staat transparent wird."
Transparenz – das Schlagwort der Piraten, wann immer sie nach ihren Politikzielen, nach Inhalten gefragt werden. Das zieht, auch im hohen Norden. Aktuelle Umfragen sehen die Piraten bei sieben Prozent - also klar auf Kurs in Richtung Landtag an der Kieler Förde. Zahlen, die bei den – noch – deutlich stärkeren Grünen nicht unbeachtet bleiben, haben doch die Piraten in der Bundeshauptstadt einiges an grünem Wählerpotenzial für sich gewinnen können. Trotzdem bleibt der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck ganz gelassen. Er macht gerade Wahlkampf im Südosten des Landes – den ganzen Vormittag war er mit Mitarbeitern der Tafel Bad Oldesloe unterwegs, um Lebensmittelspenden einzusammeln. Bei einer Pause in einem Café analysiert er die Erfolge der Konkurrenz.
"Sorgen mache ich mir da gar nicht, weil die Piraten keine schlimme Partei sind. Ich glaube, dass die Zustimmung erst einmal aus einem Gefühl gespeist wird, das ich auch kenne – nämlich: Politik löst im Moment keine Probleme mehr, die machen da oben sowieso nur was sie wollen, das beflügelt die Piraten. Ich glaube nur, dass die Piraten eine denkbar schlechte Antwort darauf darstellen. Also – nur dieses "Transparenz" als Fetisch vor sich her tragen, aber nicht konkret sagen können, was denn transparenter werden soll, das ist dann ja auch sehr dünn."
Im Dorf Berlin ist man derweil vor der klirrenden Kälte auf dem Potsdamer Platz in einen gemütlichen Landgasthof geflohen. In gut-bürgerlicher Atmosphäre lässt es sich weitaus angenehmer über politische Inhalte sprechen – und die erschöpfen sich eben nicht nur im Schlagwort Transparenz, beeilt sich Angelika Beer zu betonen. In ihrem Wahlkreis Bostedt/Neumünster steht einiges mehr auf der Tagesordnung.
"Ich vertrete die Piraten beim runden Tisch in Neumünster, weil die Nazis am 1. Mai dort landesweit marschieren wollen, das ist fünf Tage vor der Wahl. Und das andere ist z.B., im Moment akut, eine Abschiebung von einem Algerier zu verhindern, der trotz 30-jährigem Aufenthalt hier in Deutschland abgeschoben werden soll."
Themen, für die sich Angelika Beer schon bei den Grünen stark machte – bevor sie der Partei 2009 im Streit und voller Frust den Rücken gekehrt hat. Für die 54-Jährige ist die Kandidatur auf Platz Sechs der Landesliste der Piraten so etwas wie ein Neuanfang, den sie auch mit einer grundsätzlichen Abrechnung mit ihrer früheren politischen Heimat verbindet. Grün – das reduziert sich zu sehr auf den Kampf um Posten und Machtpositionen, sagt sie.
"Der Geburtsfehler der Grünen war von Anfang an der rabiate Flügelstreit zwischen Realos und Linken – oder Fundis, hieß es ja damals. Und eine Partei, die nur in der Lage ist zu agieren, wenn sie machtpolitisch nach oben will und sich gegenseitig blockiert, kommt inhaltlich nicht voran, und das ist bei den Piraten halt vollkommen anders."
Eine volle Breitseite gegen die Grünen, die Robert Habeck natürlich nicht unkommentiert stehen lässt. Der grüne Spitzenmann hat nur wenig Verständnis für die heftigen Verbalattacken seiner ehemaligen Bundesparteichefin – seine Antwort lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig.
"Angelika Beer ist bei den Grünen ausgetreten, nachdem sie einen Posten nicht bekommen hat. Sie hat für die Europaliste kandidiert, ich glaube auf Platz Drei angefangen und ist auf Platz – ich weiß nicht was – 20 noch nicht gewählt gewesen. Also – sie wollte einen Posten haben, hat ihn nicht bekommen, ist dann ausgetreten und hält jetzt den Grünen vor, sie sind irgendwie auf Posten aus. Das hör ich mir sehr ungern an, um es mal so zu sagen. Es richtet sich auch selbst – jeder der sich daran erinnern kann, weiß wes Geistes Kind dahinter steckt."
Landtagswahlkampf 2012 in Schleswig-Holstein – Anfang Februar herrschen nicht nur eisige Temperaturen im Land zwischen den Meeren. Da geht es auch zwischen den Parteien recht frostig zu – man schenkt sich nichts, knapp drei Monate vor der Wahl.
"Ist es also so, dass das, was wir machen, nur für so’n paar komische Leute in Berlin oder vielleicht noch in Hamburg interessant ist und für den Rest irgendwie in Deutschland nicht? Ich halte das für totalen Quatsch – wir sind kein Großstadt- und kein Berlinphänomen."
Das verkündet Gerhard Anger, der Landesvorsitzende der Piraten aus der Bundeshauptstadt Berlin, voller Überzeugung im 500-Seelendorf Berlin in Schleswig-Holstein. Auch in dem traditionell eher schwarzen Dorf im Kreis Segeberg gibt es einen Potsdamer Platz, der an diesem Tag im knalligen Orange der Partei leuchtet. Eine Handvoll Dorfbewohner schaut kurz vorbei – ansonsten aber bleiben die Piraten eher unter sich. Mit dabei ein ganz prominentes Gesicht: Ovale randlose Brille, kurze fast schwarze Haare mit einem langen, dünnen Zopf – Angelika Beer, Ex-Bundesvorsitzende der Grünen, will für die Piraten in den Landtag einziehen. Keine leichte – aber mit dem Rückenwind des Erfolgs der Piraten bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus eine lösbare Aufgabe, meint die gebürtige Kielerin.
"Wir müssen in Schleswig-Holstein den Einzug schaffen, damit wir ihn dann auch nach Berlin schaffen, also in den Bundestag. Deswegen hier auch so ein bisschen das Symbol Potsdamer Platz, Unter den Linden – gibt’s hier alles. Und wir wissen, dass wir als Flächenland genauso wie Saarland wirklich jetzt eine Riesen-Aufgabe vor uns haben. Das ist hier nicht so einfach wie in Berlin – aber wir sind trotzdem ganz sicher, dass wir es schaffen."
Wir – das heißt für Angelika Beer, immerhin Gründungsmitglied der Grünen in Schleswig-Holstein, inzwischen ganz selbstverständlich: Die Piraten. Organe – das ist jetzt ihre Farbe, auch wenn noch immer ein wenig "grün" bei ihr durchschimmert.
"Natürlich bin ich irgendwo noch ein Stück grün, weil – ich habe die Grünen mitgegründet für Transparenz, für Bürgerbeteiligung. Das war damals auch schon ein Thema, nur dass die Grünen das abgehakt haben, wie vieles andere auch – und die Piraten für Transparenz stehen. Wir wollen den Kieler Landtag aufräumen und dafür sorgen, dass der Staat transparent wird."
Transparenz – das Schlagwort der Piraten, wann immer sie nach ihren Politikzielen, nach Inhalten gefragt werden. Das zieht, auch im hohen Norden. Aktuelle Umfragen sehen die Piraten bei sieben Prozent - also klar auf Kurs in Richtung Landtag an der Kieler Förde. Zahlen, die bei den – noch – deutlich stärkeren Grünen nicht unbeachtet bleiben, haben doch die Piraten in der Bundeshauptstadt einiges an grünem Wählerpotenzial für sich gewinnen können. Trotzdem bleibt der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck ganz gelassen. Er macht gerade Wahlkampf im Südosten des Landes – den ganzen Vormittag war er mit Mitarbeitern der Tafel Bad Oldesloe unterwegs, um Lebensmittelspenden einzusammeln. Bei einer Pause in einem Café analysiert er die Erfolge der Konkurrenz.
"Sorgen mache ich mir da gar nicht, weil die Piraten keine schlimme Partei sind. Ich glaube, dass die Zustimmung erst einmal aus einem Gefühl gespeist wird, das ich auch kenne – nämlich: Politik löst im Moment keine Probleme mehr, die machen da oben sowieso nur was sie wollen, das beflügelt die Piraten. Ich glaube nur, dass die Piraten eine denkbar schlechte Antwort darauf darstellen. Also – nur dieses "Transparenz" als Fetisch vor sich her tragen, aber nicht konkret sagen können, was denn transparenter werden soll, das ist dann ja auch sehr dünn."
Im Dorf Berlin ist man derweil vor der klirrenden Kälte auf dem Potsdamer Platz in einen gemütlichen Landgasthof geflohen. In gut-bürgerlicher Atmosphäre lässt es sich weitaus angenehmer über politische Inhalte sprechen – und die erschöpfen sich eben nicht nur im Schlagwort Transparenz, beeilt sich Angelika Beer zu betonen. In ihrem Wahlkreis Bostedt/Neumünster steht einiges mehr auf der Tagesordnung.
"Ich vertrete die Piraten beim runden Tisch in Neumünster, weil die Nazis am 1. Mai dort landesweit marschieren wollen, das ist fünf Tage vor der Wahl. Und das andere ist z.B., im Moment akut, eine Abschiebung von einem Algerier zu verhindern, der trotz 30-jährigem Aufenthalt hier in Deutschland abgeschoben werden soll."
Themen, für die sich Angelika Beer schon bei den Grünen stark machte – bevor sie der Partei 2009 im Streit und voller Frust den Rücken gekehrt hat. Für die 54-Jährige ist die Kandidatur auf Platz Sechs der Landesliste der Piraten so etwas wie ein Neuanfang, den sie auch mit einer grundsätzlichen Abrechnung mit ihrer früheren politischen Heimat verbindet. Grün – das reduziert sich zu sehr auf den Kampf um Posten und Machtpositionen, sagt sie.
"Der Geburtsfehler der Grünen war von Anfang an der rabiate Flügelstreit zwischen Realos und Linken – oder Fundis, hieß es ja damals. Und eine Partei, die nur in der Lage ist zu agieren, wenn sie machtpolitisch nach oben will und sich gegenseitig blockiert, kommt inhaltlich nicht voran, und das ist bei den Piraten halt vollkommen anders."
Eine volle Breitseite gegen die Grünen, die Robert Habeck natürlich nicht unkommentiert stehen lässt. Der grüne Spitzenmann hat nur wenig Verständnis für die heftigen Verbalattacken seiner ehemaligen Bundesparteichefin – seine Antwort lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig.
"Angelika Beer ist bei den Grünen ausgetreten, nachdem sie einen Posten nicht bekommen hat. Sie hat für die Europaliste kandidiert, ich glaube auf Platz Drei angefangen und ist auf Platz – ich weiß nicht was – 20 noch nicht gewählt gewesen. Also – sie wollte einen Posten haben, hat ihn nicht bekommen, ist dann ausgetreten und hält jetzt den Grünen vor, sie sind irgendwie auf Posten aus. Das hör ich mir sehr ungern an, um es mal so zu sagen. Es richtet sich auch selbst – jeder der sich daran erinnern kann, weiß wes Geistes Kind dahinter steckt."
Landtagswahlkampf 2012 in Schleswig-Holstein – Anfang Februar herrschen nicht nur eisige Temperaturen im Land zwischen den Meeren. Da geht es auch zwischen den Parteien recht frostig zu – man schenkt sich nichts, knapp drei Monate vor der Wahl.