"Wir haben jetzt für 300 bis 400 Meter gut 45 Minuten gebraucht".
Mittags in der Baixa, der Unterstadt von Luanda. Der Verkehr steht - wie so oft in Angolas Hauptstadt. Logistiker Humberto Leite lehnt sich geduldig in seinen Autositz zurück. Zwischen überfüllten Minibustaxis und Jeeps drängeln sich junge Männer durch die Gassen zu den Fahrern durch, sie bieten Zeitungen, Kleiderbügel und Sportschuhe an. Humberto Leite erwirbt einen Stadtplan.
Luanda gilt als teuerste Stadt der Welt für Ausländer. Einfamilienhäuser sind für bis zu 60.000 US-Dollar im Monat zu mieten - kostenlos ist nur die Aussicht auf das Meer der Blechdächer von Luandas Slums. Dort wird jeden Tag um das tägliche Brot gekämpft. Humberto Leite, der mit 950 US-Dollar Gehalt ein Vielfaches der meisten Angolaner verdient, könnte sich in Luanda niemals eine Wohnung leisten - er lebt bei der Familie in einem Vorort:
"250 Dollar zahle ich für die Uni, ich habe eine zweijährige Tochter, die ich unterstütze und der Rest reicht nicht für große Sprünge, denn in Luanda sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch."
Dennoch herrscht erstmals seit Jahrzehnten echte Aufbruchstimmung in Angola, das lange nur mit Meldungen über Hungersnöte und Korruption Schlagzeilen machte. Viele Berufstätige, die wegen des Krieges keine Ausbildung machen konnten, beginnen wie Humberto Leite neben dem Job ein Studium. Die Wirtschaft verzeichnete in den letzten fünf Jahren zweistellige Wachstumsraten. 2008 hat das OPEC-Mitglied Angola Nigeria als größten Ölförderer Afrikas abgelöst. Die reichen Diamantenvorkommen gehören zu den hochwertigsten der Welt. Ab 2012 will die Regierung Gas verflüssigen und in die USA exportieren.
"Deutschlandfunk - 23 Uhr - Die Nachrichten. Der Anführer der angolanischen Rebellenorganisation UNITA, Savimbi, ist nach Angaben der Regierung in Luanda bei Kämpfen im Südosten des Landes von Soldaten getötet worden. Eine entsprechende Erklärung wurde in den Medien des südwestafrikanischen Landes verlesen."
27 Jahre lang hatte Jonas Savimbi gegen die regierende MPLA - die "Volksbewegung zur Befreiung Angolas" - gekämpft. Diese hatte 1975 staatsstreichartig die Macht ergriffen, als die Portugiesen wegen des Unabhängigkeitskrieges die Kolonie Hals über Kopf aufgaben. Mehrere Friedensversuche zwischen MPLA und UNITA scheiterten - unter anderem an der kompromisslosen Haltung Savimbis.
Sein Tod am 22. Februar 2002 machte den Weg frei für einen endgültigen Frieden. Die MPLA hatte bis dahin den Ruf erworben, sich wenig um die soziale Situation im Land zu scheren. Erst das Friedensabkommen habe es ermöglicht, für ganz Angola einen Entwicklungsplan vorzulegen, verteidigt Paulo Jorge seine Partei. Der frühere Außenminister gilt als einer, der sich niemals bereichert hat.
"Als einen Eckpfeiler unseres nationalen Wirtschaftsprogramms haben wir die Entwicklung der Landwirtschaft, der Industrie, der Fischerei und des Bergbaus beschlossen, um dann die Einnahmen daraus in Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau, Infrastruktur und Wasserversorgung zu investieren. Und mit diesem Programm begann Angola, sich in den letzten sechs Jahren so außerordentlich zu verändern."
Angola wirkt an manchen Stellen wie eine große Baustelle: mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm werden die im Krieg zerstörten Straßen, Brücken, Flughäfen und Eisenbahnlinien wieder aufgebaut. Die Liste der beteiligten Unternehmen liest sich wie das "Who is who" der brasilianischen, chinesischen und portugiesischen Bauindustrie. Im Städtchen Caimbambo, das an einer der Hauptverkehrsstraßen in Zentralangola liegt, gibt es bislang keine Trinkwasserversorgung - aber ein chinesisches Unternehmen verlegt schon mal ein Glasfaserkabel.
"Chinas Eisenbahnbauer wünschen viel Glück","
steht über einem Tor, das die Zufahrtsstraße zu Angolas zweitgrößter Stadt Huambo einrahmt. Am Straßenrand reparieren Mechaniker Mokicks, Marke Keweseki und Yama, made in China. China ist diskret, aber überall präsent in Angola, mit Tausenden von eigenen Arbeitern - auch beim Wiederaufbau der Benguela-Bahn, die Angolas Atlantikküste mit der rohstoffreichen Katanga-Provinz im Südkongo verbindet. 50 Prozent des angolanischen Erdöls gehen nach China, die andere Hälfte landet in den USA. China hat Angola in den letzten Jahren Kredite von schätzungsweise fünf Milliarden Dollar eingeräumt.
Der Aufschwung hat auch die Kleinstadt Wakukungo erreicht. Das Angebot auf dem Markt ist gut: Obst, Gemüse, große Fische, ganze Ziegenkeulen. An der Tankstelle warten in einer langen Schlange Autos und Mokicks auf Treibstoff.
""Das Unternehmen Aldeia Nova braucht Fachleute und es gibt nicht viele mit meiner Ausbildung. Deshalb hatte mich die Direktion gefragt, ob ich nicht hier arbeiten möchte. Ich fand es eine gute Gelegenheit, mal aus Luanda rauszukommen und mehr vom Land kennen zu lernen."
José Tomas ist Elektromechaniker und spezialisiert auf die Wartung von Schlachter- und Molkereimaschinen. Seit über einem Jahr arbeitet er in Wakukungo für Aldeia Nova, einem angolanisch-israelischen Gemeinschaftsunternehmen. 2003 wurden dort 600 Familien angesiedelt, darunter viele Ex-Soldaten. Sie sollen Mais, Soja, Geflügel, Rindfleisch und Milchprodukte in industriellem Maßstab produzieren.
Angolas Regierung will künftig weniger von Öl und Diamanten abhängig sein und unter anderem Investitionen in die Landwirtschaft fördern. Vor der Unabhängigkeit gehörte Angola zu den größten Exporteuren von Kaffee und Sisal. Als Zukunftsmarkt gilt die Produktion von Zuckerrohr und Ethanol, aber auch von Reis.
Deutlich bescheidener geht es in Mangue zu. In das Dorf 50 Kilometer westlich von Wakukungo gelegen führt nur ein schlaglochübersäter Feldweg. Lehmhütten von Kleinbauern ducken sich in üppig grüner Natur. Seitdem die Felder wieder zugänglich sind, muss in Mangue zumindest keiner mehr hungern. Seit 2006 ist der Gesundheitsposten in dem kleinen Backsteingebäude wieder in Betrieb. 20.000 Menschen gehören zu seinem Einzugsgebiet. Zwei Krankenpfleger arbeiten dort, Graciano Chikumbe ist einer von ihnen.
Chikumbe zeigt seine Medikamentenausstattung: je ein Malaria-, Durchfall- und Schmerzmittel, fünf Antibiotika, fast alle in Tablettenform. Auch die Basisimpfstoffe stellt der Staat. Aber die Provinzverwaltung liefert zu wenig Treibstoff für die kleine Kühltruhe, in der der Impfstoff lagert. Nur das Engagement der Dorfgemeinschaft gewährleistet die Kühlung. Wird ein Kleinkind krank und braucht einen Saft als Medizin, müssen die Mütter diesen in dem kleinen Apothekenladen neben dem Gesundheitsposten extra kaufen. Dennoch stellt Albertina Texeira, Mutter von fünf Kindern, anerkennend fest:
"Früher gab's hier gar nichts, da waren die Leute ständig krank. Jetzt existiert wenigstens der Gesundheitsposten, man kann sich untersuchen lassen und ein paar Medikamente gibt's dort schon."
Der Preis für die jahrelange Vernachlässigung des Gesundheitswesens ist hoch. Laut UN-Statistik stirbt jedes siebte Kind vor seinem fünften Geburtstag. Mittlerweile investiert die angolanische Regierung mehr in die Versorgung. In manchen ländlichen Gebieten arbeiten sogar Ärzte: sie stammen aus Nordkorea oder Usbekistan und beherrschen kaum die Landessprache.
Flotte Rhythmen, gesungen von coolen Jungs und gutaussehenden, selbstbewussten Mädchen: Geschickt wusste die Regierungspartei MPLA im Wahlkampf um die Parlamentsmehrheit vergangenen September die staatlichen Medien für sich zu nutzen, normales staatliches Handeln als ureigensten Verdienst der Partei darzustellen.
Tatsächlich wurde vor den Wahlen einiges geleistet: Schulen wurden wieder aufgebaut, das kriegszerstörte Huambo - ursprünglich eine Hochburg der UNITA - bekam eine Grundsanierung finanziert. In den nächsten vier Jahren, so versprach die MPLA, wolle sie eine Million Sozialwohnungen bauen. Die Wähler lohnten es ihr: Die MPLA errang fast 82 Prozent der Stimmen. Nachgeholfen wurde auch: Auf dem Land, fern der liberalen Hauptstadt Luanda wurde Druck ausgeübt, berichtet einer, der anonym bleiben möchte:
"Im öffentlichen Dienst wurde man indirekt aufgefordert, MPLA zu wählen. Wer sich dazu nicht bereit zeigte, dem wurde deutlich gemacht, dass er seinen Job riskierte und er wurde als oppositionell gebrandmarkt, wobei Opposition unglücklicherweise mit UNITA-Anhängerschaft gleichgesetzt wurde. Das hinderte viele daran, frei zu wählen, weil keiner Lust hatte, seine Beförderung aufs Spiel zu setzen oder seinen Job aus rein politischen Gründen zu verlieren."
Die UNITA sackte auf rund zehn Prozent ab. Das lag auch - aber nicht nur - an den Manipulationen der MPLA. Viele Angolaner erinnern sich noch allzu gut an die Gräueltaten des militärischen Flügels unter Jonas Savimbi.
Zumindest in den 70er- und 80er-Jahren war Angola ein Opfer des Ost-West-Konfliktes. Lange setzte der Westen - einschließlich der Bundesrepublik - auf Savimbis UNITA-Rebellen. Die DDR unterstützte die sozialistische MPLA, der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker gratulierte 1979 in Luanda zur Unabhängigkeit:
"Heut sind die Arbeiter und Bauern, sind Sie, liebe angolanische Freunde, die wahren Herren Angolas. Sie haben die Geschicke des Ihres Landes in die eigene Hände genommen."
Die DDR schickte Militärberater und Lehrer, Russland Waffen und Kuba Ärzte und Soldaten. Aus den USA kamen die Ölkonzerne, deren Förderanlagen von kubanischen Soldaten gegen die Angriffe der UNITA geschützt wurde, die wiederum von der Reagan-Regierung und dem rassistischen Südafrika gestützt wurde. Als die Mauer fiel, endete auch das sozialistische, autoritäre Angola. Die MPLA bekannte sich fortan zu Demokratie und Marktwirtschaft - und errang so die Anerkennung der USA, die schon früh die Bedeutung der Region am Golf von Guinea für die eigene Energieversorgung erkannten. Mit dem vereinten Deutschland wuchs zwar der Warenaustausch, deutsche Direktinvestoren in Angola lassen sich jedoch an einer Hand abzählen. Das würde Angolas Regierung gerne ändern.
Unter ihrem jetzigen Präsidenten Isaias Samakuva hat die UNITA die Niederlage bei den Parlamentswahlen im September anerkannt:
"Wir haben das Ergebnis der Wahlen akzeptiert. Es war trotz allem gut, sie abzuhalten, denn der letzten Urnengang lag sehr lange zurück. Jetzt sind wir in einen ganz normalen Zyklus eingetreten, in dem wir dann gemäß der üblichen Perioden die nächsten Wahlen abhalten werden."
Die UNITA befürchtet, dass die MPLA ihre satte Mehrheit dazu nutzen wird, mittels einer Verfassungsänderung Staatspräsident Eduardo dos Santos noch mehr Macht in die Hände zu legen. Auch andere glauben, dass die MPLA ihre autoritäre Tradition nicht ganz abgelegt hat. Elias Isaac leitet in Luanda das Büro von "Open Society", einer Stiftung des US-Milliardärs George Soros, die sich die Demokratieförderung auf die Fahnen geschrieben hat. Drei Monate nach der Parlamentswahl bilanzierte er:
"Angola macht Rückschritte. Wir dachten, die MPLA würde jetzt ihre Versprechen einlösen: mehr Demokratisierung, Förderung der Menschenrechte und der Transparenz. Aber wir sehen das Gegenteil: Dass Menschen verhaftet werden, dass Journalisten eingeschüchtert werden. Es gibt eine Reihe von Verhaltensweisen, die typisch für die Zeit der Einparteienherrschaft vor 1991 gewesen waren, und die jetzt wieder hochkommen."
Angola ist nicht irgendein Land in Afrika. Die Regierung hat in den letzten Jahren im Nachbarstaat Demokratische Republik Kongo - früher Zaire - militärisch interveniert. Angolanische Militärberater unterstützen den kongolesischen Staatspräsidenten Joseph Kabila. Angola konkurriert mit Nigeria und Südafrika um die Hegemonie am Golf von Guinea und im südlichen Afrika.
Staatspräsident Eduardo dos Santos - der jetzt Deutschland besucht - regiert Angola seit 30 Jahren. Neben seinem Widersacher Jonas Savimbi wirkte dos Santos, der in Moskau Ingenieurwissenschaften studiert hat, sehr zurückhaltend. Selten geht er an die Öffentlichkeit, so wie im Wahlkampf im September 2008.
Die MPLA wolle nur Stimmen, die unter freien und fairen Bedingungen abgegeben würden, rief er damals seinen Anhängern zu.
Seine Macht sichert Eduardo dos Santos durch ein Patronagesystem ab. Zwischen 1997 und 2001 verschwanden 5 Milliarden US-Dollar an Öl-Einnahmen in dunklen Kanälen, irgendwo zwischen Präsidentenpalast, der staatlichen Ölfirma Sonangol und der Zentralbank. Publik machte das der damalige Repräsentant des Internationalen Währungsfonds in Luanda. Die Folge waren schwere Verstimmungen zwischen Angolas Regierung und dem IWF, dessen Chef damals Horst Köhler hieß. Wie viele der verschwundenen Dollars in Waffenkäufe für den Krieg gegen die UNITA flossen oder wie stark sich die Familie dos Santos dabei bereicherte, ist nicht geklärt. Dos Santos' Kinder und hohe MPLA-Funktionäre aus seiner Umgebung haben sich jedenfalls als mächtige und reiche Unternehmer in Angola etabliert.
Zu Bestechung gehören immer zwei, spielt MPLA-Vertreter Paulo Jorge den Ball an die Ölfirmen zurück, aber er bestätigt, dass Angolas Regierung mehr gegen Korruption tun müsse. Den Verdacht, die MPLA würde wieder die Einheitspartei anstreben, weist Paulo Jorge strikt zurück:
"Wenn das Volk wählt und dieses Ergebnis bestimmt, dann hat das doch nichts mit Einparteienherrschaft zu tun. Außerdem sind noch fünf weitere Parteien im Parlament. Vielleicht hilft ihnen jetzt diese Erfahrung, sich besser zu organisieren, damit sie bei der nächsten Wahl mit überzeugenderen Programmen auftreten können. Aber wir haben keinesfalls die Absicht, ein Einparteiensystem einzuführen."
Ausländische Beobachter erkennen an, dass das Finanzministerium seit 2002 mehr Licht in die Konten des Staates gebracht hat. Anders als Nigeria mochte sich dos Santos jedoch bislang nicht der internationalen Transparenzinitiative "EITI" anschließen. In ihr verpflichten sich Ölfirmen und Empfängerregierungen, alle Zahlungen und Einnahmen offenzulegen.
Angola, also eine junge Demokratie auf dem Weg zum Wohlstand für alle? Noch ist nicht absehbar, ob die MPLA auf dem Weg in die Moderne die Menschen in den städtischen Slums und die Kleinbauern mitnehmen wird. Ob es um die Errichtung neuer Stadtviertel in Luanda, den Bau von Bahngleisen oder die Ansiedlung von landwirtschaftlichen Großprojekten geht: Mehrfach stellte sich heraus, dass bei der Neuansiedlung die Vorbesitzer einfach vertrieben wurden.
""Man kann doch nicht Armut damit bekämpfen, indem man wieder Armut schafft","
zeigt sich Pater Piu Jacinto von der Katholischen Universität Luanda skeptisch gegenüber den staatlichen Entwicklungsplänen. Angolas Regierung plagen allerdings derzeit andere Sorgen. Fällt der Ölpreis deutlich und dauerhaft unter 55 Dollar, wäre auch in Luanda die Aufbruchstimmung erstmal vorbei.
Mittags in der Baixa, der Unterstadt von Luanda. Der Verkehr steht - wie so oft in Angolas Hauptstadt. Logistiker Humberto Leite lehnt sich geduldig in seinen Autositz zurück. Zwischen überfüllten Minibustaxis und Jeeps drängeln sich junge Männer durch die Gassen zu den Fahrern durch, sie bieten Zeitungen, Kleiderbügel und Sportschuhe an. Humberto Leite erwirbt einen Stadtplan.
Luanda gilt als teuerste Stadt der Welt für Ausländer. Einfamilienhäuser sind für bis zu 60.000 US-Dollar im Monat zu mieten - kostenlos ist nur die Aussicht auf das Meer der Blechdächer von Luandas Slums. Dort wird jeden Tag um das tägliche Brot gekämpft. Humberto Leite, der mit 950 US-Dollar Gehalt ein Vielfaches der meisten Angolaner verdient, könnte sich in Luanda niemals eine Wohnung leisten - er lebt bei der Familie in einem Vorort:
"250 Dollar zahle ich für die Uni, ich habe eine zweijährige Tochter, die ich unterstütze und der Rest reicht nicht für große Sprünge, denn in Luanda sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch."
Dennoch herrscht erstmals seit Jahrzehnten echte Aufbruchstimmung in Angola, das lange nur mit Meldungen über Hungersnöte und Korruption Schlagzeilen machte. Viele Berufstätige, die wegen des Krieges keine Ausbildung machen konnten, beginnen wie Humberto Leite neben dem Job ein Studium. Die Wirtschaft verzeichnete in den letzten fünf Jahren zweistellige Wachstumsraten. 2008 hat das OPEC-Mitglied Angola Nigeria als größten Ölförderer Afrikas abgelöst. Die reichen Diamantenvorkommen gehören zu den hochwertigsten der Welt. Ab 2012 will die Regierung Gas verflüssigen und in die USA exportieren.
"Deutschlandfunk - 23 Uhr - Die Nachrichten. Der Anführer der angolanischen Rebellenorganisation UNITA, Savimbi, ist nach Angaben der Regierung in Luanda bei Kämpfen im Südosten des Landes von Soldaten getötet worden. Eine entsprechende Erklärung wurde in den Medien des südwestafrikanischen Landes verlesen."
27 Jahre lang hatte Jonas Savimbi gegen die regierende MPLA - die "Volksbewegung zur Befreiung Angolas" - gekämpft. Diese hatte 1975 staatsstreichartig die Macht ergriffen, als die Portugiesen wegen des Unabhängigkeitskrieges die Kolonie Hals über Kopf aufgaben. Mehrere Friedensversuche zwischen MPLA und UNITA scheiterten - unter anderem an der kompromisslosen Haltung Savimbis.
Sein Tod am 22. Februar 2002 machte den Weg frei für einen endgültigen Frieden. Die MPLA hatte bis dahin den Ruf erworben, sich wenig um die soziale Situation im Land zu scheren. Erst das Friedensabkommen habe es ermöglicht, für ganz Angola einen Entwicklungsplan vorzulegen, verteidigt Paulo Jorge seine Partei. Der frühere Außenminister gilt als einer, der sich niemals bereichert hat.
"Als einen Eckpfeiler unseres nationalen Wirtschaftsprogramms haben wir die Entwicklung der Landwirtschaft, der Industrie, der Fischerei und des Bergbaus beschlossen, um dann die Einnahmen daraus in Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau, Infrastruktur und Wasserversorgung zu investieren. Und mit diesem Programm begann Angola, sich in den letzten sechs Jahren so außerordentlich zu verändern."
Angola wirkt an manchen Stellen wie eine große Baustelle: mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm werden die im Krieg zerstörten Straßen, Brücken, Flughäfen und Eisenbahnlinien wieder aufgebaut. Die Liste der beteiligten Unternehmen liest sich wie das "Who is who" der brasilianischen, chinesischen und portugiesischen Bauindustrie. Im Städtchen Caimbambo, das an einer der Hauptverkehrsstraßen in Zentralangola liegt, gibt es bislang keine Trinkwasserversorgung - aber ein chinesisches Unternehmen verlegt schon mal ein Glasfaserkabel.
"Chinas Eisenbahnbauer wünschen viel Glück","
steht über einem Tor, das die Zufahrtsstraße zu Angolas zweitgrößter Stadt Huambo einrahmt. Am Straßenrand reparieren Mechaniker Mokicks, Marke Keweseki und Yama, made in China. China ist diskret, aber überall präsent in Angola, mit Tausenden von eigenen Arbeitern - auch beim Wiederaufbau der Benguela-Bahn, die Angolas Atlantikküste mit der rohstoffreichen Katanga-Provinz im Südkongo verbindet. 50 Prozent des angolanischen Erdöls gehen nach China, die andere Hälfte landet in den USA. China hat Angola in den letzten Jahren Kredite von schätzungsweise fünf Milliarden Dollar eingeräumt.
Der Aufschwung hat auch die Kleinstadt Wakukungo erreicht. Das Angebot auf dem Markt ist gut: Obst, Gemüse, große Fische, ganze Ziegenkeulen. An der Tankstelle warten in einer langen Schlange Autos und Mokicks auf Treibstoff.
""Das Unternehmen Aldeia Nova braucht Fachleute und es gibt nicht viele mit meiner Ausbildung. Deshalb hatte mich die Direktion gefragt, ob ich nicht hier arbeiten möchte. Ich fand es eine gute Gelegenheit, mal aus Luanda rauszukommen und mehr vom Land kennen zu lernen."
José Tomas ist Elektromechaniker und spezialisiert auf die Wartung von Schlachter- und Molkereimaschinen. Seit über einem Jahr arbeitet er in Wakukungo für Aldeia Nova, einem angolanisch-israelischen Gemeinschaftsunternehmen. 2003 wurden dort 600 Familien angesiedelt, darunter viele Ex-Soldaten. Sie sollen Mais, Soja, Geflügel, Rindfleisch und Milchprodukte in industriellem Maßstab produzieren.
Angolas Regierung will künftig weniger von Öl und Diamanten abhängig sein und unter anderem Investitionen in die Landwirtschaft fördern. Vor der Unabhängigkeit gehörte Angola zu den größten Exporteuren von Kaffee und Sisal. Als Zukunftsmarkt gilt die Produktion von Zuckerrohr und Ethanol, aber auch von Reis.
Deutlich bescheidener geht es in Mangue zu. In das Dorf 50 Kilometer westlich von Wakukungo gelegen führt nur ein schlaglochübersäter Feldweg. Lehmhütten von Kleinbauern ducken sich in üppig grüner Natur. Seitdem die Felder wieder zugänglich sind, muss in Mangue zumindest keiner mehr hungern. Seit 2006 ist der Gesundheitsposten in dem kleinen Backsteingebäude wieder in Betrieb. 20.000 Menschen gehören zu seinem Einzugsgebiet. Zwei Krankenpfleger arbeiten dort, Graciano Chikumbe ist einer von ihnen.
Chikumbe zeigt seine Medikamentenausstattung: je ein Malaria-, Durchfall- und Schmerzmittel, fünf Antibiotika, fast alle in Tablettenform. Auch die Basisimpfstoffe stellt der Staat. Aber die Provinzverwaltung liefert zu wenig Treibstoff für die kleine Kühltruhe, in der der Impfstoff lagert. Nur das Engagement der Dorfgemeinschaft gewährleistet die Kühlung. Wird ein Kleinkind krank und braucht einen Saft als Medizin, müssen die Mütter diesen in dem kleinen Apothekenladen neben dem Gesundheitsposten extra kaufen. Dennoch stellt Albertina Texeira, Mutter von fünf Kindern, anerkennend fest:
"Früher gab's hier gar nichts, da waren die Leute ständig krank. Jetzt existiert wenigstens der Gesundheitsposten, man kann sich untersuchen lassen und ein paar Medikamente gibt's dort schon."
Der Preis für die jahrelange Vernachlässigung des Gesundheitswesens ist hoch. Laut UN-Statistik stirbt jedes siebte Kind vor seinem fünften Geburtstag. Mittlerweile investiert die angolanische Regierung mehr in die Versorgung. In manchen ländlichen Gebieten arbeiten sogar Ärzte: sie stammen aus Nordkorea oder Usbekistan und beherrschen kaum die Landessprache.
Flotte Rhythmen, gesungen von coolen Jungs und gutaussehenden, selbstbewussten Mädchen: Geschickt wusste die Regierungspartei MPLA im Wahlkampf um die Parlamentsmehrheit vergangenen September die staatlichen Medien für sich zu nutzen, normales staatliches Handeln als ureigensten Verdienst der Partei darzustellen.
Tatsächlich wurde vor den Wahlen einiges geleistet: Schulen wurden wieder aufgebaut, das kriegszerstörte Huambo - ursprünglich eine Hochburg der UNITA - bekam eine Grundsanierung finanziert. In den nächsten vier Jahren, so versprach die MPLA, wolle sie eine Million Sozialwohnungen bauen. Die Wähler lohnten es ihr: Die MPLA errang fast 82 Prozent der Stimmen. Nachgeholfen wurde auch: Auf dem Land, fern der liberalen Hauptstadt Luanda wurde Druck ausgeübt, berichtet einer, der anonym bleiben möchte:
"Im öffentlichen Dienst wurde man indirekt aufgefordert, MPLA zu wählen. Wer sich dazu nicht bereit zeigte, dem wurde deutlich gemacht, dass er seinen Job riskierte und er wurde als oppositionell gebrandmarkt, wobei Opposition unglücklicherweise mit UNITA-Anhängerschaft gleichgesetzt wurde. Das hinderte viele daran, frei zu wählen, weil keiner Lust hatte, seine Beförderung aufs Spiel zu setzen oder seinen Job aus rein politischen Gründen zu verlieren."
Die UNITA sackte auf rund zehn Prozent ab. Das lag auch - aber nicht nur - an den Manipulationen der MPLA. Viele Angolaner erinnern sich noch allzu gut an die Gräueltaten des militärischen Flügels unter Jonas Savimbi.
Zumindest in den 70er- und 80er-Jahren war Angola ein Opfer des Ost-West-Konfliktes. Lange setzte der Westen - einschließlich der Bundesrepublik - auf Savimbis UNITA-Rebellen. Die DDR unterstützte die sozialistische MPLA, der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker gratulierte 1979 in Luanda zur Unabhängigkeit:
"Heut sind die Arbeiter und Bauern, sind Sie, liebe angolanische Freunde, die wahren Herren Angolas. Sie haben die Geschicke des Ihres Landes in die eigene Hände genommen."
Die DDR schickte Militärberater und Lehrer, Russland Waffen und Kuba Ärzte und Soldaten. Aus den USA kamen die Ölkonzerne, deren Förderanlagen von kubanischen Soldaten gegen die Angriffe der UNITA geschützt wurde, die wiederum von der Reagan-Regierung und dem rassistischen Südafrika gestützt wurde. Als die Mauer fiel, endete auch das sozialistische, autoritäre Angola. Die MPLA bekannte sich fortan zu Demokratie und Marktwirtschaft - und errang so die Anerkennung der USA, die schon früh die Bedeutung der Region am Golf von Guinea für die eigene Energieversorgung erkannten. Mit dem vereinten Deutschland wuchs zwar der Warenaustausch, deutsche Direktinvestoren in Angola lassen sich jedoch an einer Hand abzählen. Das würde Angolas Regierung gerne ändern.
Unter ihrem jetzigen Präsidenten Isaias Samakuva hat die UNITA die Niederlage bei den Parlamentswahlen im September anerkannt:
"Wir haben das Ergebnis der Wahlen akzeptiert. Es war trotz allem gut, sie abzuhalten, denn der letzten Urnengang lag sehr lange zurück. Jetzt sind wir in einen ganz normalen Zyklus eingetreten, in dem wir dann gemäß der üblichen Perioden die nächsten Wahlen abhalten werden."
Die UNITA befürchtet, dass die MPLA ihre satte Mehrheit dazu nutzen wird, mittels einer Verfassungsänderung Staatspräsident Eduardo dos Santos noch mehr Macht in die Hände zu legen. Auch andere glauben, dass die MPLA ihre autoritäre Tradition nicht ganz abgelegt hat. Elias Isaac leitet in Luanda das Büro von "Open Society", einer Stiftung des US-Milliardärs George Soros, die sich die Demokratieförderung auf die Fahnen geschrieben hat. Drei Monate nach der Parlamentswahl bilanzierte er:
"Angola macht Rückschritte. Wir dachten, die MPLA würde jetzt ihre Versprechen einlösen: mehr Demokratisierung, Förderung der Menschenrechte und der Transparenz. Aber wir sehen das Gegenteil: Dass Menschen verhaftet werden, dass Journalisten eingeschüchtert werden. Es gibt eine Reihe von Verhaltensweisen, die typisch für die Zeit der Einparteienherrschaft vor 1991 gewesen waren, und die jetzt wieder hochkommen."
Angola ist nicht irgendein Land in Afrika. Die Regierung hat in den letzten Jahren im Nachbarstaat Demokratische Republik Kongo - früher Zaire - militärisch interveniert. Angolanische Militärberater unterstützen den kongolesischen Staatspräsidenten Joseph Kabila. Angola konkurriert mit Nigeria und Südafrika um die Hegemonie am Golf von Guinea und im südlichen Afrika.
Staatspräsident Eduardo dos Santos - der jetzt Deutschland besucht - regiert Angola seit 30 Jahren. Neben seinem Widersacher Jonas Savimbi wirkte dos Santos, der in Moskau Ingenieurwissenschaften studiert hat, sehr zurückhaltend. Selten geht er an die Öffentlichkeit, so wie im Wahlkampf im September 2008.
Die MPLA wolle nur Stimmen, die unter freien und fairen Bedingungen abgegeben würden, rief er damals seinen Anhängern zu.
Seine Macht sichert Eduardo dos Santos durch ein Patronagesystem ab. Zwischen 1997 und 2001 verschwanden 5 Milliarden US-Dollar an Öl-Einnahmen in dunklen Kanälen, irgendwo zwischen Präsidentenpalast, der staatlichen Ölfirma Sonangol und der Zentralbank. Publik machte das der damalige Repräsentant des Internationalen Währungsfonds in Luanda. Die Folge waren schwere Verstimmungen zwischen Angolas Regierung und dem IWF, dessen Chef damals Horst Köhler hieß. Wie viele der verschwundenen Dollars in Waffenkäufe für den Krieg gegen die UNITA flossen oder wie stark sich die Familie dos Santos dabei bereicherte, ist nicht geklärt. Dos Santos' Kinder und hohe MPLA-Funktionäre aus seiner Umgebung haben sich jedenfalls als mächtige und reiche Unternehmer in Angola etabliert.
Zu Bestechung gehören immer zwei, spielt MPLA-Vertreter Paulo Jorge den Ball an die Ölfirmen zurück, aber er bestätigt, dass Angolas Regierung mehr gegen Korruption tun müsse. Den Verdacht, die MPLA würde wieder die Einheitspartei anstreben, weist Paulo Jorge strikt zurück:
"Wenn das Volk wählt und dieses Ergebnis bestimmt, dann hat das doch nichts mit Einparteienherrschaft zu tun. Außerdem sind noch fünf weitere Parteien im Parlament. Vielleicht hilft ihnen jetzt diese Erfahrung, sich besser zu organisieren, damit sie bei der nächsten Wahl mit überzeugenderen Programmen auftreten können. Aber wir haben keinesfalls die Absicht, ein Einparteiensystem einzuführen."
Ausländische Beobachter erkennen an, dass das Finanzministerium seit 2002 mehr Licht in die Konten des Staates gebracht hat. Anders als Nigeria mochte sich dos Santos jedoch bislang nicht der internationalen Transparenzinitiative "EITI" anschließen. In ihr verpflichten sich Ölfirmen und Empfängerregierungen, alle Zahlungen und Einnahmen offenzulegen.
Angola, also eine junge Demokratie auf dem Weg zum Wohlstand für alle? Noch ist nicht absehbar, ob die MPLA auf dem Weg in die Moderne die Menschen in den städtischen Slums und die Kleinbauern mitnehmen wird. Ob es um die Errichtung neuer Stadtviertel in Luanda, den Bau von Bahngleisen oder die Ansiedlung von landwirtschaftlichen Großprojekten geht: Mehrfach stellte sich heraus, dass bei der Neuansiedlung die Vorbesitzer einfach vertrieben wurden.
""Man kann doch nicht Armut damit bekämpfen, indem man wieder Armut schafft","
zeigt sich Pater Piu Jacinto von der Katholischen Universität Luanda skeptisch gegenüber den staatlichen Entwicklungsplänen. Angolas Regierung plagen allerdings derzeit andere Sorgen. Fällt der Ölpreis deutlich und dauerhaft unter 55 Dollar, wäre auch in Luanda die Aufbruchstimmung erstmal vorbei.